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Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau

Veranstaltung und Pressegespräch: Gesellschaftliche Debatte zu nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) und seinen Folgen notwendig

29.06.2022

Anlässlich der heutigen (29. Juni 2022) Veranstaltung "Hauptsache das Kind ist gesund?" in der Bremischen Bürgerschaft weisen der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein, die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm und Dr. Marina Mohr von der CARA - Beratungsstelle zu Schwangerschaft und Pränataldiagnostik auf die problematischen Auswirkungen des nicht-invasiven Pränataltests (NIP-Test) als Kassenleistung hin und fordern eine gesellschaftliche Debatte zu seinen Folgen.

Der Bluttest kann Chromosomen-Abweichungen erkennen. Im Gegensatz zu anderen - invasiven - Tests bestehen keine Risiken wie Fehlgeburten. Schwangere erhalten mit dem Test Hinweise darauf, ob ihr ungeborenes Kind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit einem Down-Syndrom oder einer anderen Trisomie geboren wird. Schon vor Einführung als Kassenleistung wurde der Test beispielsweise Schwangeren im fortgeschrittenen Alter als private Leistung angeboten. Durch die Kassenzulassung befürchten Kritikerinnen und Kritiker jedoch nun, dass der Test bald wesentlich häufiger angewandt und so zu einem selbstverständlichen Bestandteil der gängigen Schwangerschaftsvorsorge wird. Das legen Zahlen aus den Niederlanden und Dänemark nahe, wo die Kassenzulassung die Test-Nachfrage drastisch steigerte.

"Ich halte die Einführung der Kassenfinanzierung für hochgradig problematisch. Mit ihr wird die Botschaft vermittelt, ein Kind mit Trisomie sei ein vermeidbares Risiko. Familien mit einem Kind mit Trisomie müssen befürchten, gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu werden und Schwangere dürften sich nach einem positiven Befund einem erhöhten Druck ausgesetzt sehen, eine Abtreibung vorzunehmen", warnt Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter von Bremen. "Statt die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, wie es gesetzlich bindend ist, weiter zu fördern, können die Auswirkungen des Tests zu neuen strukturellen Nachteilen von Menschen mit Behinderungen führen", so Frankenstein weiter.

Hinzu kommt, dass der Vorhersagewert des Tests gerade bei jüngeren Frauen unter 35 beschränkt ist. Generell gilt: Ein auffälliges NIP-Test-Ergebnis sollte daher grundsätzlich durch ein invasives Untersuchungsverfahren überprüft werden. Doch auch hier sagt eine genetische Auffälligkeit nur wenig über die spätere körperliche und kognitive Entwicklung von Menschen mit Down-Syndrom aus. Als Erwachsene leben manche von ihnen weitgehend selbstständig, andere sind stärker beeinträchtigt und brauchen mehr Unterstützung.

"Schwangere, die ohne spezifische Risikolage einen NIP-Test machen, hoffen dadurch meist auf die Bestätigung, dass alles gut ist", erklärt Dr. Marina Mohr von der CARA - Beratungsstelle zu Schwangerschaft und Pränataldiagnostik. "Obwohl in seiner Aussage sehr eingeschränkt, führt ein positives NIP-Test-Ergebnis bei den werdenden Eltern zu einem hohen Handlungsdruck, zu Gefühlschaos, Paarkonflikten oder zu Bindungsabbrüchen zum Kind. In der Beratung sehen wir meist die Entscheidung für einen Abbruch", so Mohr.

"Es ist wichtig, dass Schwangere selbstbestimmt entscheiden können, ob und warum sie eine Abtreibung vornehmen möchten oder nicht. Doch das ist nur möglich, wenn sie ihre Entscheidung gut informiert und ohne Druck treffen können. Dass ist nicht der Fall, wenn werdende Eltern befürchten müssen, in der Gesellschaft hätten Familien mit Behinderungen keine gleichwertige Zukunft, würden diskriminiert oder seien gar gesellschaftlich unerwünscht. Der NIP-Test offenbart, dass wir dringend eine ethische Debatte zu ihm benötigen. Diese darf aber nicht auf den Bäuchen der Schwangeren ausgetragen werden", fordert Bettina Wilhelm, Landesfrauenbeauftragte von Bremen.

Um umfassend über NIPT und die Konsequenzen des Tests für Schwangere und werdende Eltern zu informieren und zu diskutieren, laden die Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) gemeinsam mit dem Landesbehindertenbeauftragten am 29. Juni 2022 zu der Veranstaltung "Hauptsache das Kind ist gesund?" in den Festsaal der Bremischen Bürgerschaft ein. Beginn ist um 17.00 Uhr. Weitere Informationen unter: www.lbb.bremen.de/hauptsachegesund

Ansprechpartnerin für die Medien:

  • Susanne Gieffers, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: (0421) 361-6050,
    E-Mail: presse@frauen.bremen.de
  • Kai J. Steuck, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Landesbehindertenbeauftragten, Tel.: (0421) 361- 18181, E-Mail: office@lbb.bremen.de