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Senatskanzlei

„Föderalismus ist kein Technokratenmodell“

29.12.2005

Bürgermeister Jens Böhrnsen zur Forderung des niedersächsischen SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Jüttner nach einer Länderneugliederung

Jens Böhrnsen: „Der deutsche Föderalismus ist kein Technokratenmodell. Verwaltungsstrukturen müssen sich den Ländern und ihrer gewachsenen Identität anpassen, nicht umgekehrt. Länder, Bürger und Grundgesetz sind schließlich nicht dafür da, dass Unternehmensberater und Verwaltungsexperten glücklich werden. Umgekehrt wird ein Schuh daraus.“


Der Präsident des Senats, Bürgermeister Jens Böhrnsen, hat die Forderung des niedersächsischen SPD-Fraktionsvorsitzenden, Wolfgang Jüttner, nach einer Neugliederung der Länder heute als „wenig konstruktiv“ zurückgewiesen. Es mache keinen Sinn, Länder am Reißbrett den gegenwärtigen Mechanismen der Finanzverteilung oder bestehenden Verwaltungsstrukturen anzugleichen. Der vernünftige Weg könne nur lauten: „Wenn es bei der Verteilung von Streuereinnahmen Ungerechtigkeiten gibt und Länder um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden, müssen die gegenwärtigen Verteilungsschlüssel überdacht und angepasst werden. Die große Koalition in Berlin hat deshalb den richtigen Ansatz in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen und eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf die Tagesordnung gesetzt. Unser gemeinsames Ziel ist, Bund, Länder und Kommunen aufgabengerecht auszustatten – und nicht sie kurzerhand abzuschaffen.“


„Der bundesdeutsche Föderalismus mit großen und kleinen Ländern, mit Stadtstaaten und Flächenländern war eine sorgfältige und weitsichtige Entscheidung. Die Väter und Mütter des Grundgesetztes haben sich bewusst für kulturelle und politische Vielfalt und für historisch gewachsene, dezentrale Strukturen entschieden – nicht, weil sie zufällig weder Zirkel noch Lineal dabei hatten. Bürgernähe, Identifikation der Menschen, Geschichte und Kultur waren auch bei der Wiederbegründung der neuen Länder nach der Wiedervereinigung wichtigere Maßstäbe als die Durchschnittsberechnungen von Statistikern oder die Reichweite von Sendemasten, die Wolfgang Jüttner anscheinend für ein geeignetes Kriterium hält, Ländergrenzen neu zu ermitteln.“


Gerade in Zeíten, in denen viele Menschen die Sorge haben, dass anonyme Kräfte und weilt entfernte Entscheidungen ihre Zukunft bestimmen, seien Bürgernähe, Verlässlichkeit und Transparenz wichtig. Böhrnsen: „Wir sollten diese Chance der Stadtstaaten wie der gewachsenen Länder bewahren und nutzen und nicht für künstliche Gebietseinheiten opfern.“ Eine effiziente, bürgerfreundliche und kosten sparende Verwaltung lasse sich sehr gut auch ohne solche Retortengebilde organisieren. „Seit 1930 haben sich Niedersachsen und Bremen per Staatsvertrag verständigt, ihre Probleme gemeinschaftlich zu lösen, als ob Landesgrenzen nicht vorhanden wären. Dieser gute Vorsatz ist nach wie vor hoch aktuell. Dazu gehört auch, dass wir im Nordwesten die Idee einer gemeinsamen Metropolregion mit Leben füllen. Darüber möchte ich gern mit unseren niedersächsischen Nachbarn reden – natürlich auch mit Wolfgang Jüttner.“


Zu dessen Vorschlag, Gesetze im Sinne des Bürokratieabbaus mit einem Verfallsdatum auszustatten, sagte Böhrnsen: „Gute Idee, deshalb machen wir das in Bremen, überall wo es Sinn macht, längst.“


„Meine herzliche Bitte an Wolfgang Jüttner: Auch und gerade die besinnliche und eher nachrichtenarme Zeit zwischen den Jahren ist bestens geeignet, Tragfähigkeit und Folgerungen der eigenen Vorschläge einmal mehr zu überdenken.“