"Der überwiegende Teil der uns bekannten rund 600 Prostituierten in Bremen sind nach unseren Einschätzungen Zwangsprostituierte und werden ausgebeutet", erklärt Innensenator Ulrich Mäurer am heutigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, "sie brauchen dringend unsere Hilfe. Deshalb bin ich froh, dass es uns gelungen ist, die finanziellen Mittel der wichtigen Anlaufstelle BBMeZ für die kommenden zwei Jahre deutlich zu erhöhen und so die Fortsetzung ihrer erfolgreichen Arbeit sicherzustellen".
Die Beratungsstelle "Betreuung für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution" (BBMeZ) wird von der Inneren Mission getragen und bietet betroffenen Frauen anonym und unbürokratisch Unterstützung und Begleitung an.
In der vergangenen Woche hatten auch die Regierungsfraktionen beschlossen, die Haushaltsmittel der BBMeZ für die kommenden zwei Jahre zu erhöhen. "Die BBMeZ unterstützt die Polizei wesentlich bei der Betreuung von Menschenhandelsopfern", so Mäurer weiter, "sie bringt die oft traumatisierten Frauen unter, stabilisiert sie, erledigt Behördengänge und leistet damit einen maßgeblichen Beitrag zur Verfahrenssicherung, da die Opfer durch die gute Betreuung eher die Kraft und den Willen aufbringen vor Gericht gegen die Täter auszusagen".
Nach Schätzungen der Bremer Polizei arbeiten rund 600 Frauen in Bremen als Prostituierte, rund 300 von ihnen kommen aus Rumänien und Bulgarien, rund 150 aus Deutschland, die anderen aus der EU und darüber hinaus. Ein Großteil der Frauen arbeitet als Zwangsprostituierte und ist in 90 Häusern mit insgesamt rund 220 Modellwohnungen sowie in 27 Häusern in der Helenenstraße und 30 Barbetrieben tätig. Im laufenden Jahr sind aktuell über 30 Menschenhandelsfälle vor Gericht in der Stadt Bremen anhängig.
Innensenator Mäurer: "Das ist zwar mehr als in den Vorjahren, aber immer noch zu wenig. Deshalb begrüße ich sehr, dass – auf unsere Initiative hin – der Bundesrat das Prostitutionsgesetz in seiner jetzigen, in meinen Augen völlig unzureichenden Form aufgehalten und den Vermittlungsausschuss angerufen hat".
Der Bundestag hatte im Sommer im Rahmen einer umzusetzenden EU-Richtlinie einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten beschlossen, der vor allem auf Bordelle fokussiert und sie als überwachungsbedürftiges Gewerbe definiert, Wohnungsprostitution davon aber ausdrücklich ausnimmt. "Das geht nicht nur an den Bremer Verhältnissen völlig vorbei", erläutert der Innensenator, "zudem steht im Gesetzentwurf nichts zu der von der EU geförderten Stärkung der Menschenhandelsopfer durch die Ausgestaltung des Aufenthaltsrechts. Hier setze ich auf die neue Bundesregierung, die Arbeitsgruppen von SPD und CDU haben ja bereits eine umfassende Reform angekündigt. Bremen wird das Thema auch weiterhin als treibende Kraft voranbringen".
"Es ist gut und richtig, das Thema Prostitution – das wie wir eben gesehen haben von Zwangsprostitution nicht zu trennen ist – am heutigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen in den Fokus zu stellen", erklärt die Bremer Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe, "denn die aktuellen Debatten sind häufig von falsch verstandener Liberalität geprägt, die tatsächlich zu Lasten von Frauen geht. Wenn die Bremer Polizei schätzt, dass der weitaus überwiegende Teil der hier tätigen und ihnen bekannten Prostituierten Zwangsprostituierte sind, ist das zutiefst erschreckend. Hier brauchen wir Mittel und Wege, die Frauen aus ihrer Situation zu befreien und keine Stilisierung so genannter Sex-Arbeit als Arbeit wie jede andere. Frauenpolitisch wird schon lange gefordert, dass die gültigen aufenthaltsrechtlichen Regelungen verbessert werden. Opfer von Menschenhandel benötigen eine rechtssichere Perspektive, um vor Gericht aussagen zu können und den Zugang zum regulären Arbeitsmarkt, um sich ein Leben jenseits von Frauenhandel und Zwangsprostitution zu schaffen. Außerdem muss es möglich sein, den Aufenthaltstitel zu verlängern, um Schadensersatz- und Vergütungsansprüche durchzusetzen. Ich bin sehr froh, dass die Große Koalition, so sie denn zustande kommt, das Thema mit deutlich anderer Akzentsetzung erneut auf die Agenda setzt, und ich danke unserem Innensenator für sein nachhaltiges Engagement an dieser Stelle", so Ulrike Hauffe abschließend.