14.07.2001
Neue Ausstellung thematisiert das dritte Element
Kleine Bohnenkeimlinge sprießen derzeit im Bremer Gerhard Marcks Haus in einer fruchtbaren Nährflüssigkeit. Während diese Zeilen entstehen, sind sie vielleicht schon mehrere Zentimeter hoch gewachsen und haben sich, auf zwei Kunststoffröhren platziert von der dänischen Gruppe N 55, zu einem Kunstwerk arrangiert. Erde spielt für diese fünfköpfige Künstlergemeinschaft offenbar keine Rolle mehr - ein auffällig herausragender Aspekt aus der Ausstellung “Terra” im Bremer Bildhauermuseum Gerhard Marcks Haus eröffnet wird. Nach Feuer und Wasser kreist diesmal das Thema dieses auf die vier Elemente bezogenen Ausstellungsreigens um die Erde. Sie präsentiert neun ausgewählte Positionen, darunter Plastiken wie auch Arbeiten, welche die Grenzen zur Bildhauerei deutlich überschreiten.
“Wir haben das lateinische Wort terra gewählt, weil darin viele Bedeutungen enthalten sind”, sagt Museumsleiter Dr. Jürgen Fitschen. Es kann Landschaft wie auch Grund und Boden bedeuten, den Planeten oder die römische Erdgöttin bezeichnen wie auch die gesamte Menschheit umfassen. Bedeutungen, die sich in den gezeigten Werken aufspüren lassen. Die Künstlerin Barbara Nemitz beispielsweise hat in einem Seitenflügel des Museums 10 Kubikmeter Mutterboden zu einem großen Berg aufschichten lassen und mit bunt schillernden Fäden verziert. Die Erde wird, das ist anzunehmen, im Verlaufe der mehrwöchigen Ausstellung verrutschen, vielleicht zusammenstürzen - aber das ist Teil dieser von Zeit und Natur beeinflussten Installation. Peter Sauerer Landschaften dagegen sind winzig, sie hängen als kleine, ungewöhnliche Skulpturen an der Wand. Es sind feine, aus vielen Einzelteilen bestehende Holzarbeiten, grünen Pinien etwa, die er auf kleine Holzkistchen montiert und an Schnüren aufgezogen hat: Architektonische Versatzstücke aus einer historischen Landschaft, die “am seidenen Faden” hängen. Raumgreifend dagegen ist die Installation "Kein Rosenhain" von Madeleine Dietz, die sie im Gerhard Marcks Haus aus Erdstücken wie eine Mauer aufgeschichtet hat, eine konstruierte Form aus einem Kreuz und Kreisen.
“Erdgedächtnis” nennt der Bremer Werner Henkel seine aus drei Teilen bestehende Arbeit. Er hat dunkle Steine mit hellen Einschlüssen in Plastiktütchen gesteckt und in einer langen Reihe arrangiert. In kleinformatigen Bleistiftzeichnungen, eingefasst von schwarzen Passepartouts, nimmt er diese Linien wieder auf. Einige dieser Zeichnungen finden sich auch außerhalb des Museums, in den umgebenden Wallanlagen wieder. In besonders eindrücklicher Weise hat die Künstlerin Silvia Kornmacher Erde als Werkstoff benutzt: Sie hat sich selber damit bemalt und ihre Körperabdrücke auf feiner Gaze hinterlassen. So beschwört sie symbolisch den Urzustand zwischen Mensch und Natur. Die seltsam morbid wirkenden Tücher hängen im Raum, davor sind 14 Schattenaufnahmen ihres Körpers auf dem Fußboden drapiert.
Tobias Rehberger verblüfft mit elf kleinen, auf Bütten gemalten Aquarellen. Es sind liebliche, romantische Bildchen von Landschaften, die einst Kriegsschauplätze des 1. Weltkrieges waren. Die freundliche Art der Wiedergabe ist provozierend und entschlüsselt sich erst, wenn man weiß, dass es sich hier u.a. um die ehemaligen Schlachtfelder von Verdun handelt.
Die Ausstellung "Terra - das dritte Element" ist bis zum 7. Oktober im Gerhard Marcks Haus zu sehen. In einem Katalog ( 39.- DM) sind alle in den Ausstellungsräumen präsenten Arbeiten in Farbe abgelichtet.