Die Historikerin Yfaat Weiss ist die diesjährige Preisträgerin des Hannah-Arendt-Preises. Sie lehrt an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Frau Weiss, so urteilte die Jury, schärfe den Blick für den ungewöhnlichen Verlauf der israelischen Geschichte und für das zivilgesellschaftliche Potential, das in ihrem Land vorhanden sei: „Durch ihre Forschungen öffnet Frau Weiss den Blick für ein neues Denken über das Zusammenleben von ethnischen Gruppen und Minoritäten in Israel.“
Der Hannah-Arendt-Preis für Politisches Denken, der von der Stadt Bremen und der Heinrich Böll Stiftung vergeben wird, ist mit 7500 Euro dotiert. Er wird an Personen verliehen, die in ihrem Wirken das „Wagnis Öffentlichkeit“ angenommen haben. Der Preis wird am 7. Dezember 2012 im Bremer Rathaus überreicht.
Begründung der Jury
„Yfaat Weiss, Professorin an der Hebräischen Universität in Jerusalem, gehört zur jungen Generation israelischer Historikerinnen, die genau und vorurteilslos die Geschichte Israels und Palästinas erforschen“, erläutert die Jury ihre Entscheidung. Sie erzähle vergessene und verdrängte Geschichten aus dem Zusammenleben der ethnischen Gruppierungen des jüdischen Volkes und der arabischen Bevölkerung in Israel. So ermögliche sie es, „verschüttete Erinnerungen zwischen europäischen und arabischen Juden, zwischen Juden und muslimischen Arabern frei zu legen“. Umsichtig hinterfrage Frau Weiss die offizielle Linie, den Holocaust zum einzigen Maß des Zusammenlebens zwischen den Völkerschaften in Israel zu setzen. Sie ermutige dazu, das Zusammenleben der in Israel lebenden verschiedenen Gruppen und Völkerschaften neu zu denken. In der Perspektive ihrer Erzählweise erscheine schon heute eine multikulturelle Gesellschaft in Israel, die auf dem Wege sei, zu einer pluralen Gesellschaft zu werden. Daran mitzuwirken, sei ein großes Verdienst der Historikerin.
Die Jury hob hervor, wie sehr durch die Art und Weise, in der Yfaat Weiss die Geschichte ihres Landes erzähle, die historische Forschung und die öffentliche Meinungsbildung ermutigt werden, sich auf die Besonderheiten in der israelischen Geschichte und Gesellschaft einzulassen.
Über die Preisträgerin
Yfaat Weiss, geboren 1962 in Haifa, ist Professorin am Fachbereich für jüdische Geschichte und zeitgenössisches Judentum an der Hebräischen Universität in Jerusalem und leitete 2008 bis 2011 die dortige Fakultät für Geschichte sowie derzeit das Franz Rosenzweig Minerva Forschungszentrum.
Neben jüdischer Geschichte befasst sich Weiss mit der Vergangenheit Deutschlands und Zentraleuropas. Die Historikerin verbrachte zahlreiche Forschungsaufenthalte im deutschsprachigen Raum, unter anderem am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien, am Simon-Dubnow-Institut in Leipzig sowie am Hamburger Institut für Sozialforschung. 1997 bis 1999 war sie am Aufbau des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München beteiligt. Ihre historischen Forschungen zu den deutsch-jüdisch-tschechischen Beziehungen werden von der Deutsch-Israelischen Stiftung für Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (GIF) gefördert. 2008 bis 2011 nahm Weiss an einem Forschungsprojekt der Volkswagenstiftung zur Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945 teil. 2012 erschien die deutsche Fassung ihres Buches „Verdrängte Nachbarn. Wadi Salib - Haifas enteignete Erinnerung“ (A Confiscated Memory: Wadi Salib and Haifa's Lost Heritage).
Kontakt: Bildungswerk Umwelt und Kultur in der Heinrich Böll Stiftung, Peter Rüdel , Tel. 0421-35 23 68, mailto:boell-bremen@arcor.de I www.boell-bremen.de