Sozialsenatorin Anja Stahmann verleiht erstmals Fortbildungs-Zertifikate an Konsulatslehrkräfte
31.08.2011Erstmals in Deutschland hat Bremen Konsulatslehrkräfte aus der Türkei aus ihrer bisherigen Sonderrolle geholt und zu Mittlern zwischen den Kulturen fortgebildet, zu „Brückenbauern“. Konsulatslehrkräfte kommen befristet für fünf Jahre nach Deutschland. Ihr Gehalt wird von der Republik Türkei finanziert. Sie unterrichten an deutschen Schulen am Nachmittag nach dem regulären Unterricht die türkische Kultur und Sprache. Rund 1000 türkischstämmige Kinder an 43 Schulen in Bremen nehmen an diesem Unterricht teil.
In einem umfassenden Lernprogramm wurden die Konsulatslehrkräfte nun erstmals speziell für ihre Aufgabe in Deutschland geschult. Nie zuvor wurden sie mit vergleichbar intensivem Aufwand auf ihre Aufgabe vorbereitet. Im Zentrum stand die Herausforderung, Vorurteile auf beiden Seiten zu erkennen und Verständnis für die jeweils andere Kultur zu wecken.
Dazu haben erstmals Konsulatslehrkräfte Fortbildungsmodule der „Familienorientierten Integrationstrainings“ (FIT) durchlaufen, die für diesen Zweck eigens zusammengestellt wurden. Das Programm ist gelaufen unter dem Titel „FIT für Vielfalt“. Die Lehrkräfte wurden gezielt ausgebildet, Schüler bei der Integration zu unterstützen, und Eltern, nicht nur mit Migrationserfahrung, in der Erziehung zu stärken. Sie sollten zudem das hiesige Schulsystem und die Erziehungsideale intensiver kennenlernen und die Kommunikation mit den Schulen verbessern. Die Konsulatslehrkräfte haben die Kurse nicht isoliert wahrgenommen, sondern gemeinsam mit Pädagogen ohne Migrationserfahrung.
„Das ist ein Projekt, das es so noch nie gegeben hat in der Bundesrepublik“, sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann gestern anlässlich der Übergabe der Zertifikate an die 18 erfolgreichen Teilnehmer. Den Anstoß für das Programm hatte das Generalkonsulat der Republik Türkei gegeben, unterstützt wurde es von der Senatorin für Bildung.
Die Qualifizierung lief von November 2010 bis Juli 2011 und richtete sich nicht nur an Konsulatslehrkräfte, sondern generell an Pädagogen sowie Menschen, die in der Integrationsarbeit tätig sind. Insgesamt haben die Teilnehmer – die aus der Türkei, Deutschland, Nicaragua, Griechenland, Nigeria, Iran, Senegal, Polen, Bosnien oder in der Ukraine stammen – 174 Stunden an 43 Tagen gelernt.
Das Curriculum von „FIT für Vielfalt“ bestand aus ausgesuchten Modulen von zwei seit 2005 bestehenden Programme: FIT-Migration und FIT-Eltern. In den Familienorientierten Integrationstrainings FIT-Migration lernen Menschen mit Migrationshintergrund, ihre Migration aufzuarbeiten – mit all den Verlusten und Diskriminierungserfahrungen. Sie lernen, sich eigener Vorurteile bewusst zu werden und die Chancen der Migration zu sehen. Das sind unter anderem Zweisprachigkeit, Überwindung von Fremdheit, Flexibilität im Denken, grenzüberschreitendes Reflektieren. Diese Fähigkeiten sollen sie auch an ihre Kinder weitergeben oder sie in dieser Richtung gezielt fördern.
In der zweiten Gruppe der Familienorientierten Integrationstrainings, FIT-Eltern, wird die psychosoziale, kognitive und psychosexuelle Entwicklung des Kindes von Geburt bis zum Erwachsenenalter reflektiert sowie die Identitätsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen „zwischen den Kulturen“. Daneben werden auch Themen von allgemeinerem Interesse angesprochen wie Fernsehen und Kinder, die Bedeutung des Vaters, Umgang mit Behinderung, Förderung moderner Identitäten sowie mehrsprachige Erziehung. Eltern mit und ohne Migrationshintergrund sollen so an eine interkulturelle Erziehung herangeführt werden.
Die Teilnehmer haben ihr Wissen nicht für sich behalten. Zur Ausbildung gehörte es, dass sie es bei „Thementreffen“ weitergeben. 31 dieser Treffen haben stattgefunden an 22 Schulen – parallel in deutscher und türkischer Sprache. Inhalte waren unter anderem: die Bedeutung des Spielens; Psychische Bedürfnisse der Kinder und Erwartungen der Eltern; Anforderungen an das Grundschulkind; das Bremische Schulsystem. So wurden fast 400 türkische Eltern erreicht, darunter viele, von denen die Schulleitungen sagen, sie hätten sie noch nie zuvor an ihrer Schule gesehen.
Senatorin Anja Stahmann: „In diesem Sinne können wir das Projekt „FIT für Vielfalt“ als erfolgreich abschließen. Die ersten Schritte sind gemacht. Wir befinden uns auf dem Weg der Verständigung, und ich hoffe, dass dieser Weg weiter beschritten wird.“
An die Teilnehmer gerichtet sagte sie: „Sie, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, tragen dazu bei, den Prozess des Heimischwerdens zu beschleunigen und Fremdheit abzubauen; Sie tragen dazu bei, dass wir eine Gesellschaft werden, in der Schule, Kita und Elternhaus nicht gegeneinander arbeiten, sondern Hand in Hand.“