Zwei Mal im Jahr richtet sich der Fokus der Öffentlichkeit auf die Frauen: Einmal zum 8. März anlässlich des Internationalen Frauentages und dann wieder zum 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Doch frauenpolitisch ist in unserem Bundesland im Jahr 2022 vieles mehr passiert. Die Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) fasst die wichtigsten frauenpolitischen Ereignisse, Entwicklungen und Vorhaben zum Jahresende nochmals zusammen.
Dabei wird auf einen Blick deutlich: Um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, muss noch an vielen Stellschrauben gedreht werden. Wichtige Themenfelder sind dabei beispielsweise Alltagssexismus auf der Straße und im zunehmenden Ausmaß im Netz, sexualisierte Gewalt, reproduktive Selbstbestimmung sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Bremen unterzeichnet: Erklärung gegen Sexismus und sexuelle Belästigung
Bürgermeister Andreas Bovenschulte, die Senatorin für Frauen, Claudia Bernhard, der Senator für Finanzen, Dietmar Strehl, und die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm unterzeichneten im September 2022 die "Gemeinsame Erklärung gegen Sexismus und sexuelle Belästigung". Die Erklärung geht aus einem bundesweiten gesellschaftlichen Bündnis hervor. Zu den aktuell über 380 Unterzeichnenden zählen Verbände, Unternehmen, Städte, Kultureinrichtungen, sowie der Deutsche Städtetag. Bremen ist nach Hamburg das zweite Bundesland, das der Erklärung beitritt. Mehr Informationen unter Gemeinsame Erklärung gegen Sexismus — GEMEINSAM GEGEN SEXISMUS (dialogforen-gegen-sexismus.de).
Oben-ohne-Baden für Frauen in Bremer Bädern weiterhin verboten
In Göttingen ist nach einer Testphase inzwischen an allen Tagen und in allen städtischen Schwimmbädern das Baden mit nacktem Oberkörper für alle Personen erlaubt. Im Land Bremen hingegen bleibt das Oben-ohne-Baden Frauen weiterhin untersagt. Anders als Männer, müssen sie ihre Brust in den öffentlichen Bädern unseres Bundeslandes bedecken. Daran konnte auch ein Protest von 28 Frauen im Juli 2022 im Schwimmbad Horn-Lehe nichts ändern. Die "oben ohne"-Protestierenden wurden von der Polizei des Bades verwiesen.
Schwangerschaftsabbrüche: Lage im Land Bremen kritisch
Im Juni 2022 beschloss der Bundestag mit einer breiten Mehrheit die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen. Der seit Jahren umstrittene Paragraf 219a wurde gestrichen. Er führte in der Praxis dazu, dass Ärztinnen und Ärzte keine Informationen über Schwangerschaftsabbrüche veröffentlichen konnten, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Doch für Frauen im Land Bremen muss sich noch mehr ändern. Aktuell ist das Menschrecht auf reproduktive Selbstbestimmung nicht gesichert, da es bei Schwangerschaftsabbrüchen eine extrem angespannte Versorgungslage in Bremen und Bremerhaven gibt.
Geburtshilfe in Bremen völlig überlastet
Im November 2022 warnte das Bremer Bündnis zur Unterstützung der natürlichen Geburt vor einer Verschlechterung der Versorgung von Schwangeren in Bremen. Seit der Zusammenlegung der Geburtshilfe des Klinikums Links der Weser und der des Klinikums Bremen-Mitte fehlt es an Kreißsälen und an Fachpersonal wie beispielsweise Hebammen. Wegen bestehender Engpässen müssen Schwangere immer häufiger auch auf Geburtskliniken außerhalb Bremens ausweichen. Zudem mangelt es an unterstützenden Angeboten wie zum Beispiel Hilfsangebote für Frauen mit postnatalen Depressionen.
Pilotprojekt: Tampons auf Schultoiletten
Seit November 2022 testet die Bremer Bildungsbehörde an acht Bremer Schulen drei Monate lang die Bereitstellung kostenloser Menstruationsartikel auf Schultoiletten. Für viele Frauen und Mädchen sind die dafür anfallenden Kosten problematisch. Die sogenannte Periodenarmut kann dazu führen, dass Mädchen während ihrer Menstruation nicht am Schulunterricht teilnehmen können. Oder dazu, dass die Menstruationsprodukte zu selten gewechselt werden. Das kann gesundheitliche Folgen haben: So können durch seltenes Wechseln von Tampons Bakteriengifte entstehen, die das toxische Schocksyndrom (TSS) auslösen. Es wird auch als Tamponkrankheit bezeichnete und kann zu schwerem Kreislauf- und Organversagen führen.
Gewalt gegen Frauen: Alarmierende Zahlen, konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung
Im April 2022 stellte der Bremer Innensenator die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2021 vor. Wie schon im Jahr zuvor, gab es wieder einen Anstieg der Fallzahlen bei häuslicher Gewalt sowie bei Vergewaltigungen/sexueller Nötigung in Bremen und Bremerhaven. Um die Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Land Bremen zu bekämpfen, hat der Bremer Senat im März 2022 folgenden Aktionsplan beschlossen: "Istanbul-Konvention umsetzen. Bremer Landesaktionsplan – Frauen und Kinder vor Gewalt schützen". Erarbeitet wurde er unter der gemeinsamen Federführung der Senatorin für Frauen und der ZGF unter Einbeziehung vieler Akteurinnen und Akteuren sowie eines Betroffenenbeirates. Der Aktionsplan enthält 75 konkrete Maßnahmen, um Gewalt an Frauen und Mädchen im Land Bremen zu verhindern beziehungsweise zu bekämpfen. Um die Maßnahmen zu finanzieren, stellt der Bremer Senat für die Jahre 2022 und 2023 hierfür 550.000 Euro bereit.
Digitale Gewalt und Belästigung
Frauen begegnen Belästigung und Gewalt im Internet in unterschiedlichsten Formen: Vom Cyberstalking, über Hatespeech bis hin zur bildbasierten digitalen Gewalt wie beispielsweise Deepfakes oder Dickpics – all das mit steigender Tendenz. Um dem zu begegnen, plant das Land Bremen im Rahmen des im März 2022 vom Senat beschlossenen Landesaktionsplans gegen Gewalt an Frauen Maßnahmen zum Schutz vor digitaler Gewalt. So sollen die Fachberatungsstellen im Umgang mit digitaler Gewalt gestärkt werden, etwa durch zusätzliche Expertise in den Bereichen Rechtsdurchsetzung und IT. Die Mitarbeitenden bei der Polizei sollen durch Aus- und Fortbildungen für das Thema sensibilisiert und auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen gehalten werden. Zudem soll es für Frauen und Mädchen kostenlose Angebote zur digitalen Sicherheit geben.
Frauenhäuser am Limit
Obwohl die Frauenhausplätze während der Corona-Pandemie im Land Bremen aufgestockt wurden, bleibt die Lage weiterhin angespannt. Insbesondere in Bremerhaven entspricht die Anzahl der Frauenhausplätze nicht den Empfehlungen der Istanbul-Konvention, die die Vertragsstaaten zu Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verpflichtet. In Bremerhaven muss eine Erhöhung auf zwölf Familienplätze (30 Betten) erfolgen. Außerdem ist ein barrierefreier Zugang zum Frauenhaus notwendig.
Alarmierend: Gewalt gegen trans Personen
Im September 2022 wurde in Bremen eine trans Frau in einer Straßenbahn von mehreren Jugendlichen angegriffen und verletzt. Der Angriff ereignete sich nur eine Woche, nachdem in Münster ein trans Mann getötet wurde. Um Trans*- und Queerfeindlichkeit entgegenzutreten hat sich in Bremen das Bündnis "Bite Back" gegründet.
Fehlende Kinderbetreuung bedeutet fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Im Dezember 2022 veröffentlichte die Senatorin für Kinder eine neue Berechnungsgrundlage für den Bedarf an Kita-Plätzen. Danach fehlen bis zu 4.000 Plätze allein für Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Doch schon seit Jahren kann der bestehende Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz im Land Bremen in der Praxis nicht erfüllt werden. Hinzu kommt, dass es in unserem Bundesland an verlässlichen und flexibleren Betreuungszeiten fehlt. Unzureichende Kinderbetreuung ist für Mütter eines der größten Hindernisse für die Erwerbstätigkeit beziehungsweise für die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsangeboten. Um das Betreuungsangebot auszubauen, müssen mehr Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet und der Quereinstieg erleichtert werden. Ein guter Schritt hierzu ist die Praxisintergierte Ausbildung (PiA). Der Anreiz: Die Ausbildungskosten werden übernommen und die Auszubildenden erhalten eine Ausbildungsvergütung. Die Zahl der Teilnehmenden soll in Bremen von 50 auf 150 erhöht werden.
Landesstrategie: Mehr Chancengleichheit für Frauen im Erwerbsleben
Im Land Bremen schließt sich die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen nicht. Vielmehr liegt sie seit einigen Jahren konstant bei rund 22 Prozent. So auch im Jahr 2022. Bremen ist hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung von Frauen im Bundesländervergleich Schlusslicht. Um die Situation von Frauen auf dem Bremischen Arbeitsmarkt zu verbessern, beschloss der Bremer Senat im November 2022 die "Landesstrategie Gendergerechtigkeit im Erwerbsleben und Entgeltgleichheit". 28 Maßnahmen sollen Strukturen und Rahmenbedingungen schaffen, die eine existenzsichernde Beschäftigung und eine ausgewogene Beteiligung aller Geschlechter in allen Branchen und auf allen Qualifikations- und Führungsebenen ermöglichen. Die Maßnahmen richten sich an die regionale Wirtschaft, an den Öffentlichen Dienst sowie an Frauen, die sich im Erwerbsleben befinden, wieder einsteigen möchten oder unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt sind.
Frauen & Flucht
Der öffentliche Fokus liegt aktuell auf den vor dem Ukraine-Krieg geflüchteten Menschen. Die meisten von ihnen sind Frauen mit ihren Kindern. Doch in Bremen und Bremerhaven leben viele weitere Frauen mit Fluchtbiografie. Alle im Land Bremen lebenden Geflüchteten benötigen Wohnraum, gesundheitliche Versorgung, Sprachförderung sowie Schul- und Kindergartenplätze. Dafür, dass Frauen mit Fluchthintergrund – egal aus welchem Herkunftsland – zielgruppenspezifische Maßnahmen erhalten, um in Deutschland arbeiten zu können, setzt sich beispielsweise die ZGF mit einem aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierten Projekt ein.
Berufswahl ohne Geschlechterklischees treffen
Jungs machen was mit Technik, Mädchen was mit Menschen: Rollenklischees bestimmen immer noch die Berufs- und Studienwahl von jungen Menschen. Um dem entgegenzuwirken, haben 2.000 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 6 und 7 aus Bremen, Bremerhaven und dem niedersächsischen Umland in diesem und im vergangenen Jahr an Projektwochen des Projekts "Be oK – Berufsorientierung und Lebensplanung ohne Klischees" teilgenommen. Aufgrund der großen Nachfrage durch die Schulen wird das Projekt im Jahr 2023 fortgeführt und die angebotenen Termine sind bereits jetzt fast ausgebucht. Koordiniert wird es von der ZGF. Finanzielle Unterstützung erhält es von der Senatorin für Wirtschaft aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und von der Bundesagentur für Arbeit Bremen – Bremerhaven. Mehr Informationen zu dem Projekt unter: be-ok.de – Berufsorientierung ohne Klischees.
Mehr Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen im Land Bremen
Obwohl rund 50 Prozent der Studierenden Frauen sind, liegt ihr Anteil bei den Professuren beispielsweise an der Uni Bremen bei nur rund 30 Prozent. Zudem fehlt es im Land Bremen auf allen Ebenen an Frauen in den Bereichen Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik. Um mehr Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen zu erreichen, hat das Land Bremen die Initiative "Genderoffensive Hochschulen" im Wissenschaftsplan 2025 verankert. In ihr erarbeiten Vertreterinnen und Vertreter aus dem gleichstellungspolitischen Bereich der Hochschulen und aus der Verwaltung Ziele, Maßnahmen und Umsetzungsschritte. Im November 2022 fiel mit einer Auftaktveranstaltung der Startschuss. Mehr Informationen zu der Genderoffensive Hochschulen gibt es unter: Wissenschaftssenatorin und Landesfrauenbeauftragte starten gemeinsam mit den Bremer Hochschulen Initiative für mehr Geschlechtergerechtigkeit - Pressestelle des Senats (bremen.de).
Ansprechpartnerin für die Medien:
Susanne Gieffers, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: (0421) 361-6050,
E-Mail: presse@frauen.bremen.de