Justizministerinnen und -minister fordern Aufhebung der Strafbarkeit
10.11.2022Gemeinsam mit Berlin hat Bremen auf der Konferenz der heutigen Justizministerinnen und Justizminister der Länder einen Beschlussvorschlag mit klarem Ziel eingebracht: Fahren ohne Fahrschein soll künftig nicht mehr als Straftat gewertet und der bisher geltende Straftatbestand (Paragraf 265a Abs.1 StGB) ersatzlos gestrichen werden. Dieser Vorschlag fand mehrheitlich Zustimmung.
Aufgrund des bisher geltenden Rechts führen Fahrten ohne Fahrschein viel zu oft zu unangemessenen Strafen. Dazu Justizsenatorin Claudia Schilling: "Die Betroffenen werden ohne gültiges Ticket erwischt, werden daraufhin mit enormem Aufwand der Staatsanwaltschaften und Gerichte zu einer Geldstrafe verurteilt, können diese aber oftmals nicht zahlen. Die Fahrt endet dann buchstäblich hinter Gittern: im Gefängnis. Hier muss dann mit abermals enormem Aufwand und unter ganz erheblichen Kosten eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden. Betroffen sind meist Menschen, die ehedem viele und oft existenzielle Probleme haben", so Justizsenatorin Claudia Schilling.
Neben Armut spielten dabei häufig Obdachlosigkeit, psychische und andere gesundheitliche Probleme sowie Suchterkrankungen eine Rolle. Schilling weiter: "Oftmals sind diese Menschen derartig überfordert, dass sie nicht mal ihre Post öffnen – bis letztlich die Polizei vor der Tür steht und sie in die Haftanstalt bringt." Auch die Möglichkeiten zur Haftvermeidung – beispielsweise Tilgungsvereinbarungen oder auch das alternative Abarbeiten der Geldstrafe – erreichen viele der Betroffenen schlicht nicht: "Diese Menschen sind in den allermeisten Fällen einfach nicht in der Lage, der Geldstrafe durch Zahlung oder durch gemeinnützige Arbeit nachzukommen. Sie stehen oftmals am Rand unserer Gesellschaft und landen dann – letztlich wegen der Erschleichung einer Beförderungsleistung im Gegenwert von meist unter 5 Euro – hinter Gittern. Und dies wohlwissend, dass der Grundgedanke des Strafvollzugs – die Resozialisierung – bei Ihnen in den allermeisten Fällen schon aufgrund der eher kurzen Ersatzfreiheitsstrafen nicht greift. Kurzum: Die Sanktion 'Freiheitsentzug' geht an der eigentlichen Problemlage der Betroffenen – die vielmehr sozialpolitisch gelöst werden müsste – auf Dauer vorbei und verursacht zudem einen nicht zu rechtfertigenden Aufwand und Kosten bei der Strafverfolgung und im Justizvollzug. Ich freue mich sehr, dass unsere Initiative heute unter den Justizministerinnen und -ministern eine Mehrheit erhalten hat. Jetzt ist der Bundesjustizminister gefordert, einen im Zuge der geplanten Modernisierung des Strafrechts, einen Gesetzesvorschlag zur Aufhebung der Strafbarkeit des sogenannten Schwarzfahrens zu unterbreiten."
Die Änderung sei überfällig, denn die bisherige Regelung widerspreche nach Schillings Überzeugung dem Prinzip des Strafrechts als "Ultima Ratio": "Eine strafrechtliche Verfolgung darf nur das letzte und schärfste Mittel sein, wenn es keine anderen Instrumente gibt. Diese aber gibt es – und sie liegen auf der Hand." So könnten die Verkehrsbetriebe die sogenannte Beförderungserschleichung beispielsweise durch entsprechende Zugangskontrollen verhindern. Und auch rechtlich könnten sich die Bus- und Bahn-Unternehmen ganz ohne das Strafrecht durchsetzen. "Wie jeder Geschäfts- oder Privatmensch, dem das, was ihm oder ihr zusteht, vorenthalten wird – denn genau dafür gibt es das Zivilrecht", so Schilling. Denn daran, dass das sogenannte Schwarzfahren auch in Zukunft nicht erlaubt sei, ändere sich dadurch, dass es nicht mehr als Straftat verfolgt wird, nichts.
Ansprechpartner für die Medien:
Matthias Koch, Pressesprecher bei der Senatorin für Justiz und Verfassung, Tel.: (0421) 361-14476, E-Mail: matthias.koch@justiz.bremen.de