Frauen ohne gesicherten Aufenthaltstitel sollen umfassend gegen ge-schlechtsspezifische und häusliche Gewalt geschützt werden
23.06.2021Der Senat der Freien Hansestadt Bremen wird in die Bundesratssitzung am Freitag (25. Juni 2021) einen Entschließungsantrag einbringen, der die Rechte und Schutzmöglichkeiten von gewaltbetroffenen Frauen ohne gesicherten Aufenthaltstitel stärkt.
Bereits 2011 hat die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, unterzeichnet. 2017 wurde diese ratifiziert und ist seit dem 1. Februar 2018 in Kraft. Damit wurden erstmalig umfassende und spezifische Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geregelt. Deutschland ist der Konvention nur unter bestimmten Vorbehalten beigetreten. Nach dem ersten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland bestehe nach wie vor ein besonders dringender Umsetzungsbedarf in Deutschland. Dieser Vorbehalt soll nun aufgehoben werden. Dadurch wird sichergestellt, dass in Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt Ausweisungsverfahren von gewaltbetroffenen Frauen ausgesetzt werden, wenn deren Aufenthaltsstatus vom Status des Partners abhängt und dieser ausgewiesen wird. Die Betroffenen sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten können. Außerdem sollen Betroffene von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt einen verlängerbaren Aufenthaltstitel erhalten, wenn ihr Aufenthalt aufgrund ihrer persönlichen Lage oder zur Mitwirkung in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren erforderlich ist.
Dazu Frauensenatorin Claudia Bernhard: "Die Vorbehalte bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention müssen aufgehoben werden. Wir müssen in Deutschland auch Frauen ohne eigenständigen Aufenthaltstitel schützen. Dazu gehört, dass sie nicht abgeschoben werden, wenn ihre Aufenthaltstitel an ihre Partner gebunden sind. Das gilt erst recht, wenn diese Frauen weiterhin gefährdet sind oder in Deutschland an Ermittlungsverfahren beteiligt sind. Die Istanbul-Konvention soll alle Frauen schützen, das muss endlich umgesetzt werden." Das deutsche Recht kenne ähnliche Regelungen bereits bei Menschenhandel und im Bereich der Arbeitsausbeutung. Eine Angleichung daran sei dringend geboten. "Häufig erhalten Frauen in den angesprochenen Situationen eine Duldung. Eine Duldung geht jedoch mit einer sozialrechtlichen Ausgrenzung einher", so Claudia Bernhard weiter. "Eine Duldung bietet keinen Schutz im Sinne der Istanbul-Konvention. Die betroffenen Frauen haben keine sichere Perspektive, keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und sind an die Residenzpflicht gebunden. Hier müssen wir dringend Abhilfe schaffen."
"Häusliche Gewalt ist eine Menschenrechtsverletzung, die das Opfer von Mal zu Mal mehr schwächt und schließlich immer hoffnungsloser werden lässt", betont Innensenator Ulrich Mäurer. Einen großen Handlungsbedarf gebe es bei nichtdeutschen Frauen - und in Ausnahmefällen natürlich auch bei Männern - deren Aufenthaltsrecht über die Ehe an das Aufenthaltsrecht des Täters gebunden sei, so Mäurer. Die Freie Hansestadt Bremen gehe bereits sehr sensibel als auch den Einzelfällen angemessen mit Möglichkeiten allgemeiner Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt um. Über die bestehenden und in Bremen umfänglich ausgeschöpften allgemeinen Möglichkeiten sollten die Betroffenen aber auch über das Ausländerrecht besonders geschützt werden. Mäurer: "Zu den notwendigen Änderungen zum Schutz der Opfer häuslicher Gewalt bei nichtdeutschen Menschen ist daher auch die Änderung des Aufenthaltsrechtes zum Opferschutz erforderlich. Dazu muss die Bundesregierung ihre Vorbehalte gegen Artikel 59 der Istanbuler Konvention zurücknehmen. Opfer häuslicher Gewalt sollen nach unserer Überzeugung nicht mehr, wie bisher, drei Jahre Ehe durchstehen müssen, um den Anforderungen an eine 'Mindestehebestandszeit' für ein eigenes Aufenthaltsrecht zu genügen." Sie könnten im Falle häuslicher Gewalt dann ihren Partner oder ihre Partnerin verlassen und anzeigen, ohne die eigene Abschiebung nach Abschluss des Strafverfahrens zu riskieren. In Bremen seien derartige Fälle immer mit Augenmaß behandelt worden. Dies sei aber nicht überall so. Eine gesetzliche Regelung schaffe klare Handlungsrahmen. Mit einer Gesetzesänderung im Aufenthaltsrecht, so Mäurer, wären zudem gleich mehrere Dinge erreicht: häusliche Gewalt würde früher und häufiger angezeigt, Schläger bestraft und den Opfern und ihren Kindern viel Leid erspart.
Bremen stellt den Entschließungsantrag gemeinsam mit den Ländern Thüringen und Berlin. Damit wird die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, wie ein eigenständiger Aufenthaltstitel für gewaltbetroffene Frauen im deutschen Recht im Sinne der Istanbul-Konvention etabliert werden kann. Auch die Integrationsministerkonferenz hatte sich bereits 2019 für die vorbehaltlose Umsetzung ausgesprochen. Der Bundesrat wird den Antrag in seiner Plenarsitzung am 25. Juni 2021 behandeln.
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