Justizstaatsrat Matthias Stauch hat heute (03.04.2017) gemeinsam mit der Präsidentin des Amtsgerichts Bremen, Ann-Marie Wolff, sowie mit Ulrike Hauffe , Landesfrauenbeauftragte, die neue Videovernehmungslage im Amtsgericht vorgestellt. Die Anlage ermöglicht audiovisuelle Aufzeichnungen, Übertragungen und Live-Wiedergaben. Neben Videokonferenzen sind damit auch die Unterstützung bei Rechtshilfeersuchen und vor allem die Aufzeichnung und Live-Wiedergabe von Zeugenaussagen in Strafverfahren möglich. Die Möglichkeit der Befragung von Zeugen in einem separaten Raum dient im besonderen Maß dem Opferschutz. Darüber hinaus erweitert die audiovisuelle Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen die Möglichkeiten der Beweissicherung. Hierdurch wird die Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung entscheidend verbessert.
"Der angemessene Umgang mit kindlichen und traumatisierten Opferzeugen ist für diese von enormer Bedeutung. Hinzu kommt, dass der Ausgang eines Strafverfahrens entscheidend von der Qualität der durchgeführten Vernehmungen abhängt. Mit der jetzt zur Verfügung stehenden Technik soll ein Beitrag dazu geleistet werden, einerseits mit den Zeugen sicher und zugleich rücksichtsvoll umzugehen und andererseits das Ziel – die Wahrheitsfindung im Strafverfahren – konsequent zu verfolgen", so Justizstaatsrat Matthias Stauch.
Besonders schutzwürdigen Opferzeugen, zum Beispiel Opfern von Sexualstraftaten und schweren Gewaltstraftaten, können in der Hauptverhandlung durch die Möglichkeit der Videovernehmung intensive Befragungen über vermeintliche Widersprüche oder Auslassungen bei früheren Vernehmungen erspart bleiben. Die Gefahr einer sekundären Traumatisierung besonders schutzwürdiger Opferzeugen durch derartige Befragungen kann vermieden werden.
"Für Opfer sexueller Übergriffe oder Vergewaltigung ist eine Videovernehmung ein sehr hilfreicher Schritt in einem anstrengenden und an die Substanz gehenden Verfahren: Sie können ihre Aussage in einem geschützten Raum machen und müssen sich ihren mutmaßlichen Peinigern insoweit nicht erneut aussetzen – allein dies trägt deutlich dazu bei, eine Retraumatisierung zu vermeiden. Aber auch eine weitere Problematik wird so minimiert: Mehrfach getätigte Aussagen bergen die Gefahr von Widersprüchen, die – im Verfahren gegen sie verwendet – die Glaubwürdigkeit von Betroffenen untergräbt. Die Gefahr, dass einem Opfer nach der Tat nicht geglaubt wird, wird von Betroffenen immer wieder als Grund angeführt, dass sie auf Anzeigen verzichten", erläutert die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe.
Nach geltendem Recht soll eine Aufzeichnung von Zeugenaussagen in Bild und Ton erfolgen, damit die schutzwürdigen Interessen von Personen unter 18 Jahren sowie von Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, das Leben, wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen oder durch eine Straftat gegen die persönliche Freiheit verletzt worden sind, besser gewahrt werden. Gleiches gilt, wenn die Sorge besteht, dass ein Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann (§§ 58a, 58b StPO). Auf Bundesebene setzt Bremen sich bereits seit längerem dafür ein, die vorgenannte Regelung dahingehend zu konkretisieren, dass die Zeugenvernehmung in Bild und Ton aufzuzeichnen ist, wenn dies aufgrund des schweren Tatvorwurfs oder einer besonders schwierigen Sachlage geboten erscheint und die äußeren Umstände oder die besondere Dringlichkeit der Vernehmung der Aufzeichnung nicht entgegenstehen.
"Bei gravierenden Delikten wie Schwurgerichtssachen, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität dient die audiovisuelle Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen der Beweissicherung in besonderem Maße. Durch eine Videovernehmung können wir die Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung entscheidend verbessern. Das gleiche gilt, wenn die Sachlage besonders schwierig ist, etwa in komplexen Fällen des Wirtschaftsstrafrechts. Zeitraubende und unter Umständen revisionsträchtige Streitigkeiten in der Hauptverhandlung über den Inhalt oder die Umstände einer Vernehmung können wir vermeiden", erklärt Justizstaatsrat Stauch. "In bin überzeugt davon, dass wir die gesetzlichen Grundlagen der Videovernehmung ausweiten müssen, wenn wir mehr Opferschutz und mehr Sicherheit bei der Beweiserhebung gerade in solchen Strafverfahren haben wollen, in denen die Aussage des Opfers entscheidend ist. Mit der Möglichkeit der Videovernehmung legt Bremen hierfür schon heute die technischen Grundlagen."
Die Videovernehmungsanlage wird zukünftig nicht nur dem Amtsgericht, sondern auch den anderen Bremer Gerichten zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ergänzt die Präsidentin des Amtsgerichts Ann-Marie Wolff: "Es ist ein großer technischer Gewinn für die ganze Bremer Justiz, wenn zukünftig in Rechtshilfesachen unmittelbar durch auswärtige Gerichte Zeugen vernommen werden können."