24.11.2008
Polizeipräsident und Landesfrauenbeauftragte berichten anlässlich des Tags gegen Gewalt an Frauen über die aktuelle Situation in Bremen
„Jede vierte Frau wird in ihrem Leben Opfer von Gewalt durch ihren Lebenspartner – diese Zahl ist zutiefst erschreckend und muss Ansporn sein, uns noch mehr für die Ächtung von Gewalt einzusetzen“, erklärt Frauensenatorin Ingelore Rosenkötter anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen, der morgen (25. November) weltweit begangen wird. „Wir verfügen in Bremen über eine gut funktionierende Struktur zwischen Polizei, Gerichten, Amt für Soziale Dienste und Beratungsstellen, die von Gewalt betroffene Frauen auffängt“, so die Senatorin weiter, „daran haben wir intensiv gearbeitet und sind nun froh, dass diese Zusammenarbeit so erfolgreich ist.“ Allerdings sei die Dunkelziffer von Gewaltopfern nach wie vor hoch. „Unsere Aufgabe muss es nach wie vor sein, die Menschen – vor allem auch Kinder und Jugendliche – dafür zu sensibilisieren, dass Gewalt in jeder Form zu ächten ist“, betont die Senatorin.
Polizeipräsident Eckard Mordhorst und Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe erläuterten und kommentierten heute (24.11.) die aktuellen Fallzahlen im Bereich von Stalking und Häuslicher Beziehungsgewalt. Gerade bei Stalking sind die Zahlen geradezu explodiert: Im gesamten Jahr 2007 wurden 1.307 Fälle verzeichnet, allein im ersten Halbjahr 2008 (01.01.-30.06.08) wurden bereits 2.475 Fälle gezählt. „Das hängt zum einen mit der veränderten Rechtslage zusammen: seit April 2007 ist Stalking als Straftatbestand im StGB verankert“, erläuterte Polizeipräsident Eckard Mordhorst, „zum anderen stellen wir eine erhöhte Achtsamkeit in der Bevölkerung fest. Zudem werden unsere Polizeibeamtinnen und –beamten in diesem Bereich intensiv geschult, sodass auch bei der Polizei diesen Delikten erhöhte Aufmerksamkeit zuteil wird.“ In den Polizeikommissariaten wurden Stalking-Beauftragte benannt, die als Ansprechpartner/innen für Betroffene, aber auch für Rat suchende Kolleg/innen zur Verfügung stehen.
„Bei dem immensen Anstieg der Fallzahlen kann es sich nicht um ein tatsächlich gestiegenes Aufkommen in dieser Größenordnung handeln, sondern um ein massiv erhöhtes Anzeigenaufkommen angesichts erhöhter Sensibilisierung“, kommentiert Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe die Zahlen, „aus Sicht betroffener Frauen ist diese Entwicklung nur zu begrüßen – ist damit doch deutlich sichtbar, dass sie mit ihren Nöten und Ängsten in Stalking-Situationen endlich ernstgenommen werden.“
Im Bereich der Wohnungsverweise verzeichnet die Polizei Bremen für das Jahr 2007 197 Fälle, für das erste Halbjahr 2008 79 Fälle. Hier hat sich die Zusammenarbeit verschiedener Behörden und Institutionen bewährt, erklärt der Polizeipräsident: „Wir sind in ständigem Dialog mit den jeweils beteiligten Behörden. Bei Wohnungsverweisungen geht eine sofortige Meldung an das Amt für Soziale Dienste, das die Betroffenen aufsucht und Hilfe anbietet.“ Seit Ende vergangenen Jahres werden zudem in Absprache mit dem Amts- und Familiengericht Beschlüsse nach dem Gewaltschutzgesetz der Polizei zugestellt. „Wir wissen also, wer wegen Gewaltdelikten verurteilt wird“, so Mordhorst weiter, „wir haben die Täter in unserem Anzeigensystem erfasst, wir informieren die zuständigen Polizeikommissariate und das Amt für Soziale Dienste, die wiederum geeignete Maßnahmen treffen.“
Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe zeigt sich zufrieden mit den in Bremen getroffenen Vereinbarungen zur Zusammenarbeit und betonte, dass längst nicht jedes Bundesland eine derart hohe Sensibilisierung und ein so gut abgestimmtes Vorgehen vorweisen könne. „Doch es gibt keinen Grund zum Zurücklehnen“, erklärte Ulrike Hauffe weiter, „nicht nur das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen, sondern auch das Ausmaß der Gleichgültigkeit vieler Zeugen von Gewalt ist erschütternd. Hier sind neue Konzepte gefragt.“ Zwar könne Bremen auch in diesem Bereich auf eine Vielzahl von Maßnahmen verweisen, gerade auch im Bereich von Kindergarten und Schule – „dennoch dürfen wir hier nicht nachlassen, sondern müssen uns im Gegenteil noch viel mehr darum bemühen, gerade Jugendliche dafür zu sensibilisieren, dass Gewalt kein gangbarer Weg ist.“
Maßnahmen auf einen Blick:
Fallzahlen der Polizei für die Stadt Bremen:
In Bremerhaven wurden im Jahr 2007 19 Wegweisungen ausgesprochen, im Jahr 2008 waren es bis zum heutigen Tag 20 Wegweisungen. Im Bereich häuslicher Gewalt verzeichnete die Polizei Bremerhaven im vergangenen Jahr 50 Fälle, im Jahr 2008 bis zum heutigen Tag 60 Fälle.
Fälle Häuslicher Gewalt und Stalking treten in sämtlichen Deliktbereichen des Strafgesetzbuches auf. Beispielhaft zu nennen sind Körperverletzungsdelikte, Betrug, Bedrohung und Nötigung, Eigentumsdelikte, Sexualdelikte, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Delikte in Verbindung mit dem Betäubungsmittelgesetz.
Die Entwicklung neuer Konzepte und ständige Weiterbildung aller in diesem Deliktbereich tätigen Personen ist selbstverständlich. Schulungen erfolgen nicht nur während der Polizeiausbildung sondern regelmäßig in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Öffentliche Verwaltung.
Terminhinweise:
Am Dienstag, 25.11.08, veranstaltet die Bremische Gleichstellungsstelle in Bremen den Abend „Ein Tag gegen Gewalt – Entwicklungen und Ansätze in Bremen“ mit Filmvorführung und einer Präsentation des Frauennotrufs um 20 Uhr in der Arbeitnehmerkammer. Der Eintritt ist frei.
In Bremerhaven veranstaltet die Bremische Gleichstellungsstelle
– Büro Bremerhaven – in Kooperation mit der Stadtbibliothek Bremerhaven eine Lesung: Rose Gerdts-Schiffler liest aus ihrem Kriminalroman „Brandfährte“ um 20 Uhr in der Stadtbibliothek Bremerhaven (Hanse Carré, 2. Stock). Der Eintritt ist frei.