23.01.2002
Vorschlag für ein Projekt zur Erinnerung an die nach Minsk deportierten Bremer Juden
Am 18. November 2001 jährte sich die Deportation von 570 Juden aus Bremen und Umgebung in das Ghetto von Minsk und damit in den Tod zum 60. Mal. Nachdem seit 1933 die jüdischen Bürgerinnen und Bürger Bremens gedemütigt, entrechtet, ausgeplündert und systematisch aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen worden waren, wurden sie am 18. November 2001 in aller Frühe zum Bahnhof getrieben und „in den Osten“ deportiert. So gut wie keine Zeugnisse und Spuren sind von ihnen überliefert, nur Einzelne haben überlebt.
Der Nationalsozialismus, der deutsche Staat und die deutschen Behörden haben die Juden als Bürgerinnen und Bürger unserer Städte, physisch und im Bewusstsein ihrer Mitmenschen, auslöschen wollen. Bei den aus Bremen nach Minsk Deportierten ist ihnen das in besonders schrecklichem Maß gelungen. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass die Erinnerung an sie in unserer Stadt so weit gehend ausgelöscht ist. Wir möchten den Versuch machen, das Leben dieser jüdischen Frauen, Männer und Kinder wenigstens in Symbolen wieder sichtbar zu machen. Die Tafeln am Hauptbahnhof und am Barkhof sind das Ergebnis engagierter Arbeit in den vergangenen zehn Jahren, sie sind aber nicht ausreichend.
Ein solches Projekt kann, in welcher Form auch immer, nicht Sache einer kleinen Gruppe oder staatlicher Stellen allein sein kann. Dr. Hermann Kuhn, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, und Michael Scherer von der Landeszentrale für politische Bildung (zugleich für „Erinnern für die Zukunft) laden Interessierte aus Beiräten, Kirchengemeinden und Stadtteil-Gruppen im Lande Bremen daher ein, gemeinsam über weitere Formen der Erinnerung in Bremen nachzudenken.
In diesem Zusammenhang gibt es die Idee, an den Orten in der Stadt, an denen die Juden bis zu ihrer Deportation gelebt haben, Hinweise, Zeichen des Gedenkens anzubringen. Voraussetzung dafür wäre die Bereitschaft einer Gruppe von Menschen vor Ort, sich geschichtliche Kenntnisse anzueignen und darüber dann mit den Menschen, die heute dort leben, zu sprechen, sie zu gewinnen. Dabei könnten solche Gruppen – sei es im Stadtteil, in einer Kirchengemeinde oder an einer Schule – sich aus anderen Quellen eine Vorstellung machen nicht nur über Deportation, Ghetto, Lager und Tod, sondern auch über die lange Vorgeschichte der Deportation: die Ausgrenzung, Entrechtung, die Eliminierung aus dem Leben und dem Bild der Stadt.