Der zweite Armuts- und Reichtumsbericht liegt jetzt in seiner endgültigen Fassung vor. "Der Bericht macht deutlich, dass Bremen zahlreiche Maßnahmen gegen Armut und für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts umgesetzt hat", sagte Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport. Dazu zählte sie unter anderem den Landes-Mindestlohn, die Sozialquote im Wohnungsbau, den Ausbau von Ganztagsschulen und Kleinkindbetreuung, das kostengünstige Stadtticket, den Ausbau des Sozial-Programms "Wohnen in Nachbarschaften", die Schulsozialarbeit sowie die Gesundheitskarte für Flüchtlinge. "Damit wurden Weichen gestellt, die Wege aus der Armut eröffnen, und es wurden die Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe trotz Armut verbessert."
"Der Bericht spiegelt positive Entwicklungen seit dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht wider, zeigt aber auch, dass Bremen in seinen Anstrengungen nicht nachlassen darf, der Armut entgegenzutreten", sagte die Senatorin weiter. "Die Zahl der Menschen in Armutslagen in unserem Bundesland bleibt hoch, auch im Bundesvergleich." Bremen werde weiter "alle gesellschaftlichen Kräfte" brauchen, um Armut und ihren Folgen wirksam entgegenzutreten. Notwendig seien weiterhin ausreichende Einkommen bei guter Arbeit, der Abbau des Niedriglohnsektors, die Weiterentwicklung des Mindestlohns und der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit mit gleichzeitig ausreichenden finanziellen Leistungen für Kinder.
"Der Armuts- und Reichtumsbericht beschränkt sich nicht allein auf die Darstellung finanzieller Armut", sagte Anja Stahmann weiter. "Lebensbereiche wie Arbeit, Bildung, Wohnen oder Gesundheit haben ebenfalls einen elementaren Anteil daran, ob und wie ein Mensch an der Gesellschaft teilhaben kann und wie sich individuelle Armutslebenslagen auswirken."
Armut und Reichtum
In Bremen sind 23,1 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, mehr als in allen anderen Bundesländern (Stand: 2012). Auch unter den Großstädten liegt die Stadt Bremen damit im oberen Drittel, allerdings ist der Anteil der Armutsgefährdeten in Dortmund, Leipzig und Hannover noch höher. Als armutsgefährdet gilt nach EU-Maßstäben, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Das mittlere Einkommen in Deutschland ("Median") lag zum Zeitpunkt der Datenerfassung bei 1.450 Euro. Wer als Einzelperson weniger als 869 Euro pro Monat für Miete, Lebenshaltung und Lebensgestaltung ausgeben kann, ist danach armutsgefährdet; für eine vierköpfige Familie liegt die Schwelle bei etwa 2.000 Euro.
7,3 Prozent der Bremer dagegen können nach wissenschaftlichen Maßstäben als reich angesehen werden. Sie verfügen über mehr als 200 Prozent des Median-Einkommens, also rund 3.000 Euro im Monat für eine Einzelperson oder 7.000 Euro für eine vierköpfige Familie.
"Besondere Armutsrisiken bestehen für Alleinerziehende mit Kindern", sagte Senatorin Anja Stahmann. "49,7 Prozent von ihnen sind armutsgefährdet, fast fünfmal so viele wie zusammenlebende Paare mit einem Kind. Es war und ist also richtig, viel Geld in den Ausbau der Kindertagesbetreuung zu investieren, weil Alleinerziehende davon besonders profitieren."
Entwicklung der Einkommen
Die Einkommen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind zwischen 2005 und 2011 um 17,7 Prozent gestiegen – die Einkommen aus Vermögen dagegen um 36,6 Prozent. "Diese Entwicklung ist ein weiterer Hinweis auf die zunehmende soziale Spaltung in Bremen", sagte Senatorin Stahmann. Bremen müsse daher auf Bundesebene weiter für ein ausgleichendes Steuersystem kämpfen, zum Beispiel durch die Einführung einer Vermögenssteuer.
Verschuldung: Rückgang in Bremen, Steigerung in Bremerhaven
Die Schuldnerquote, also die Zahl der Bremer mit festgestellten Zahlungsstörungen oder Überschuldung, liegt mit 13,85 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 9,8 Prozent. Derzeit befinden sich rund 43.000 Haushalte im Land Bremen in einer kritischen Verschuldungssituation. Während die Quote in der Stadt Bremen rückläufig ist, steigt sie in Bremerhaven an und liegt jetzt bei 19,84 Prozent.
Anja Stahmann weist auf die Möglichkeiten zur Schuldenberatung hin, die Bremen geschaffen hat: "Wer auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen ist, hat Anspruch auf eine kostenlose Schuldenberatung. Darüber hinaus haben wir die kostenlose präventive Schuldenberatung auch für Menschen eingeführt, die noch über eigenes Erwerbseinkommen verfügen."
Frühkindliche und schulische Bildung
Ein guter Bildungsabschluss ist die beste Prävention gegen Armut. Im Land Bremen leben aber überdurchschnittlich viele Menschen ohne Schulabschluss. "Eine hohe Bildungsbeteiligung schon im Kindergarten ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Armut", so Anja Stahmann. "Heute werden schon 45 Prozent aller Kinder unter drei Jahren in der Kindertagesbetreuung gefördert, im Jahr 2008 waren es nur 15 Prozent. In manchen Stadtteilen werden Eltern noch nicht in dem Maße erreicht, in dem wir das für erforderlich halten. Aber der Senat hat inzwischen ein Konzept für den weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung verabschiedet, der genau an dieser Stelle ansetzen soll."
Die Schulen konnten zudem die Quote der Schulabbrecher von 9,2 Prozent im Jahr 2007 auf 6,8 Prozent in 2012 senken. Zudem schreitet der Ausbau der Ganztagsschulen voran: Im Jahr 2013 waren im Land Bremen 39 der 90 Grundschulen und 32 der 57 Sekundarstufe-I-Schulen (Klassen fünf bis zehn) Ganztagsschulen.
Wohnen
Angemessener Wohnraum ist besonders für Menschen in Armutslagen nicht leicht zu finden. Im "Bündnis für Wohnen" haben sich zahlreiche Akteure zusammengefunden und Maßnahmen zur Erleichterung der Bautätigkeit und Umsetzung der wohnungspolitischen Ziele vereinbart. Zudem hat der Senat bereits 2012 ein erstes Wohnraumförderungsprogramm mit einem Mittelvolumen von 39 Millionen Euro aufgelegt. Anfang 2015 folge das zweite Programm mit einem Volumen von 40 Millionen Euro. Damit verbunden ist seit 2013 auch eine Sozialwohnungsquote, die verpflichtend mindestens 25 Prozent preisgünstigen Wohnraum vorgibt.
"Zur Begrenzung von Mieterhöhungen hat der Senat eine Mietpreisbremse beschlossen. Gleichzeitig haben wir uns im Bund erfolgreich für eine Obergrenze bei Neuvermietungen eingesetzt", unterstrich Anja Stahmann.
Gesundheit
Menschen in finanzieller Armut sind höheren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Darum hat Bremen seine Anstrengungen bei der Gesundheitsversorgung für Menschen in schwierigen Lebenslagen weiter verstärkt.
Für Zuwanderer ohne Aufenthaltsstatus (sogenannte "Papierlose") wurde 2010 die "Humanitäre Sprechstunde" an den Gesundheitsämtern beider Städte eingerichtet. Flüchtlinge erhalten in Bremen kostenlose Beratungen in den Übergangswohnheimen und die Gesundheitskarte der Krankenkasse, mit der sie – anders als in anderen Gemeinden – unmittelbar eine ärztliche Praxis aufsuchen können, ohne bei der Sozialbehörde einen Kostenübernahmeschein ausstellen zu lassen. "Mittlerweile haben andere Bundesländer das Bremer Modell übernommen. Auf diesen Erfolg kann Bremen stolz sein", betonte Anja Stahmann.
Die Maßnahmen zur Früherkennung von gesundheitlichen Problemen im Kindesalter wurden intensiviert, sodass Eltern fast aller Kinder die Untersuchungen in Anspruch nehmen. Zudem wurde das Angebot der Familienhebammen erweitert. Daneben gibt es weitere sozialraumorientierte Maßnahmen wie das Projekt TIPP TAPP, den Gesundheitstreffpunkt West und das Frauengesundheitszentrum Tenever.
Den Armuts- und Reichtumsbericht finden Sie hier.
http://www.soziales.bremen.de/detail.php?gsid=bremen69.c.43933.de