05.04.2004
1. Es gibt kein überraschendes oder neues Defizit im Sozialhaushalt. Dem Senat und den Koalitionsparteien waren die Risiken mit den Basisdaten vom Oktober 2003 bekannt.
2. Herr Neumann operiert mit falschen Zahlen, wenn er sagt, Bremen läge mit 278 Euro beim Städtevergleich in der Spitzengruppe der Sozialhilfeausgaben. Bremen liegt tatsächlich mit 223 Euro pro Monat für jeden Sozialhilfeempfänger (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt) deutlich unter dem Durchschnitt.
Hintergrund und Details
„Die Zahlen, die Herr Neumann zur angeblichen Höhe der Sozialhilfe in den Städten Bremen, Nürnberg und Hannover genannt hat, geben nicht das wieder, was konkret dem einzelnen Sozialhilfeempfänger an Geld im Monat ausgezahlt wird. Vielmehr hat Herr Neumann die Pro-Kopf-Ausgaben umgerechnet auf die Einwohnerzahl der verschiedenen Städte genannt. Da Bremen mit die höchste Dichte an Sozialhilfeempfängern hat – 87 Menschen pro 1000 Einwohner beziehen diese Hilfe zum Lebensunterhalt – sind natürlich auch die Pro-Kopf-Ausgaben höher als beispielsweise in Nürnberg. Entweder hat Herr Neumann sich schlicht geirrt, als er daraus die Forderung ableitete, die Sozialhilfezahlungen könnten in Bremen weiter gesenkt werden, oder er wollte mit seiner schiefen Argumentation bewusst für Verwirrung sorgen.
Die entscheidende Größe hat Herr Neumann nicht genannt: Bei den Zahlungen an Sozialhilfeempfänger (laufende Hilfe zum Lebensunterhalt) liegt der Durchschnitt der Städte bei 237 Euro pro Monat, Bremen liegt mit 223 Euro unter dem Durchschnitt. Auch bei den Brutto-Ausgaben pro Person (inclusive Hilfen zur Arbeit und einmalige Hilfen) liegt Bremen pro Empfänger unter dem Durchschnitt der Städte.
Nachdrücklich weise ich den Vorwurf zurück, dass die Finanzfachleute in meinem Ressort Planungsfehler begangen hätten. Mehrere mit dem Finanzressort und dem Haushalts- und Finanzausschuss der Bürgerschaft abgestimmte Hochrechnungen im vergangenen Jahr wiesen steigende Kosten für Sozialhilfeleistungen insgesamt aus und jeder musste wissen, dass sich dies im laufenden Jahr fortsetzen würde.
Die folgende Chronologie belegt dies:
Für das Jahr 2003 stand im Haushalt ein Ausgabe-Anschlag von 474,7 Mio. € zur Verfügung. Eine erste - auf Verwaltungsebene der Senatskanzlei und dem Senator für Finanzen übermittelte - Hochschätzung der Sozialleistungen vom 25. April 2003 ergab einen Ausgabebedarf von rd. 500 Mio. € (also rd. 25 Mio. € mehr gegenüber dem Anschlag). Das neue Grundsicherungsgesetz (ab 1. Januar 2003) konnte dabei in Ausgaben und Einnahmen noch nicht berücksichtigt werden.
Die nächste mit der Senatskanzlei und dem Senator für Finanzen abgestimmte Hochschätzung der Sozialleistung (Basisdaten Juni 2003) vom 5. August 2003 ergab einen Ausgabebedarf von rd. 516,5 Mio. € (also rd. 42 Mio. € mehr gegenüber dem Anschlag). Die Abweichung gegenüber der ersten Hochschätzung lag insbesondere bei den erstmalig aufgenommenen Aufwendungen gem. Grundsicherungsgesetz.
Diese rd. 42 Mio. € wurden durch eine zusätzliche Einnahme in Höhe von rd. 12 Mio. € (vom Bund für Grundsicherung) sowie durch eine Nachbewilligung in Höhe von 29,8 Mio. € haushaltsmäßig umgesetzt (Beschluss des Senats vom 14. Oktober 2003/ des Haushalts und Finanzausschusses vom 14. November 2003).
Die mit der Senatskanzlei und dem Senator für Finanzen abgestimmte Hochschätzung der Sozialleistungen (Basisdaten Oktober 2003) vom 5. November 2003 ergab einen Ausgabebedarf von 531,5 Mio. € für 2003.
Der Haushalt 2003 schloss dann mit einem tatsächlichen Bedarf von Sozialleistungen in Höhe von 533 Millionen Euro ab. Unterstellt man, dass die tatsächlichen Bedarfe 2003 (533 Mio. €) die Ausgangssituation für das Jahr 2004 sind, ergibt eine rechnerische Ableitung gegenüber dem voraussichtlichen Anschlag 2004 (rd. 483 Mio. €) eine Unterdeckung von rd. 50 Mio. €. Hinzu kommt die Vorbelastung des Haushaltsjahres 2004 in Höhe von rd. 22 Mio. € aus den Vorjahren. Unter Berücksichtigung einer zu erwartenden Mehreinnahme von rd. 12 Mio. € ergibt sich ein rechnerisches Risiko von rd. 60 Mio. € für das Haushaltsjahr 2004.
Daraus ergibt sich: Die Risiken waren bekannt.
Im Übrigen stelle ich zu den Entscheidungen des Koalitionsausschusses fest: Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, das Land finanziell zu sanieren, sind in meinem Hause in den vergangenen Jahren Aufgaben und auch Sozialleistungen immer wieder auf den Prüfstand gestellt und nach Einsparmöglichkeiten durchforstet worden. Wo immer es möglich war, haben wir Aufgaben gebündelt, umstrukturiert, Personal gespart, steigende Kosten zu bremsen versucht und auch Sozialleistungen auf ein eben noch vertretbares Maß abgesenkt. Wir werden auch weiterhin so sparsam wie möglich mit dem Geld umgehen und Ausgaben strikt an den absoluten Notwendigkeiten orientieren.
Wir haben jetzt Vorgaben und Prüfaufträge vom Koalitionsausschuss bekommen. Wie diese umzusetzen sind, dazu werden wir in den nächsten Monaten Vorschläge entwickeln.
Der Senat und der Koalitionsausschuss haben aber auch anerkannt , dass unsere Möglichkeiten, Sozialleistungen zu steuern und zu reduzieren, durch Gesetze und Rechtsansprüche begrenzt sind und wesentlich durch die demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmt werden – es also Risiken gibt, die wir als Sozialressort nicht beeinflussen können.“