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Der Senator für Finanzen

"Als kleinstes Bundesland müssen wir uns in besonderer Weise auf die Kraft unserer Argumente stützen"

05.05.2000

Erklärung von Bürgermeister und Finanzsenator Hartmut Perschau zum heutigen Pressegespräch zum aktuellen Stand der Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich

"Wir haben heute mit den Mitgliedern und ständigen Gästen der interfraktionellen Arbeitsgruppe der Bremischen Bürgerschaft zum Länderfinanzausgleich einen detaillierten Bericht über die gestrige Finanzministerkonferenz und über den aktuellen Stand der Verhandlungen gegeben. Es ist mir wichtig, dass alle politisch Verantwortlichen in unserem Bundesland umfassend und aktuell über die Verhandlungspositionen Bremens unterrichtet sind – auch um sich in ihren jeweiligen Gremien offensiv an der Meinungsbildung beteiligen zu können. Gerade der Meinungsbildung in den Parteien und den Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Länderparlamente messe ich dabei große Bedeutung zu. Als kleinstes Bundesland müssen wir uns in besonderer Weise auf die Kraft unserer Argumente stützen und damit für uns und den kooperativen Föderalismus werben.

Lassen Sie mich zum aktuellen Debattenstand sieben Feststellungen treffen:


  1. Die Finanzministerkonferenz hat gestern Eckpunkte zu den Folgerungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.1999 zum Finanzausgleich verabschiedet und an die Ministerpräsidentenkonferenz weitergeleitet. Die Stellungnahme der Finanzminister enthält neben der Mehrheitsmeinung der Zehner-Gruppe ein unverändert konfrontatives Minderheitsvotum der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sowie Nordrhein-Westfalen. Diese Haltung der vier Länder ist weder durch das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts noch durch die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz vom März 2000 zu rechtfertigen. Sie stellt einen eindeutigen Verstoß gegen Geist und Buchstabe beider Dokumente dar.

  2. Tatsache ist aber auch, dass die Finanzminister einmütig erklärt haben, „Vorschläge zu erarbeiten, wie der vorhandene Dissens in den horizontalen Fragen unter den Ländern aufgelöst werden kann“. Das heißt für mich, dass doch die Erkenntnis dämmert, dass die vier Länder ihre Konfrontationshaltung nicht auf Dauer so werden aufrechterhalten können. Wir bleiben im Gespräch, wobei das Ziel immer bleibt, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung aller Länder sicherzustellen.

  3. Die bestehenden erheblichen finanziellen Ungleichheiten, die sich in den verfügbaren Einnahmen (Einnahmen nach Abzug von Sozialhilfelasten und Zinsausgaben) ausdrücken, schränken die Handlungsspielräume und damit die Aufholchancen der Länder stark ein. Den Aufholprozess der strukturschwachen Bundesländer zu beschleunigen, liegt aber auch im Interesse der jetzt finanzstarken Länder, wenn sie dauerhaft von Zahlungen in den Länderfinanzausgleich entlastet werden wollen. Wer die schwachen Bundesländer weiter schwächen und die starken noch stärker machen will, der zementiert die Strukturschwäche.

  4. LI>Die vier Länder interpretieren das Urteil bewusst falsch, um es für ihre eigene Interessenpolitik zu instrumentalisieren: So hat das Bundesverfassungsgericht weder die geltende Einwohnerwertung der Stadtstaaten noch die Berücksichtigung von Seehafenlasten für verfassungswidrig erklärt. Auch das bestehende Ausgleichsniveau wurde durch das Gericht nicht in Frage gestellt.

  5. Im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 24./25. März 2000 heißt es: „Steuerverteilung, Finanzausgleich und Leistungen des Bundes müssen in ihrer ausgewogenen Gesamtwirkung weiterhin die politische Eigenständigkeit und finanzielle Handlungsfähigkeit aller Länder mit einer aufgabengerechten Finanzausstattung gewährleisten.“ Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen fordern allerdings weiterhin die Abschaffung der gegenwärtigen Einwohnerwertung der Stadtstaaten und der Gemeinden. Sie verweigern den Stadtstaaten damit die notwendige finanzielle Grundlage, die sie für ihre eigenen Großstädte durch den kommunalen Finanzausgleich schaffen. Die Abschaffung der Einwohnerwertung hätte für die Stadtstaaten im Durchschnitt der Jahre 1995 bis 1999 jährlich insgesamt einen Verlust von 6,3 Milliarden Mark bedeutet (Berlin: -4 Milliarden, Bremen: -0,7 Milliarden; Hamburg: -1,5 Milliarden).

    Für die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen wäre es hingegen zu einem Gewinn von insgesamt 4,1 Milliarden Mark gekommen (Baden-Württemberg: +0,9 Milliarden, Bayern: +1 Milliarde, Hessen: +0,8 Milliarden, Nordrhein-Westfalen: +1,4 Milliarden). Die Einwohnerwertung ist für die Stadtstaaten eine zentrale Grundlage ihrer Überlebens- und Handlungsfähigkeit.


  6. Weitere ‚Anreize‘ zur Verbesserung der steuerlichen Leistungsfähigkeit, wie sie die vier Länder fordern, sind nicht notwendig. Die politischen Anreize zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Pflege der Steuerquellen sind erfahrungsgemäß wirksam. Der Einbau zusätzlicher Anreizelemente in den Finanzausgleich stünde im Konflikt mit der notwendigen Stabilität und Planbarkeit öffentlicher Haushalte und würde das Ziel eines aufgabengerechten Finanzausgleichs gefährden.

  7. Wir müssen uns auf langandauernde Verhandlungen einstellen. Ich erwarte, dass das Maßstäbegesetz nicht vor dem vierten Quartal des Jahres 2001 beschlossen werden wird. Es gibt daher zur Zeit auch keinen Grund, auf besondere Eile zu drängen.