11.01.2002
„Pakt für die Sanierung Bremerhavens“
„Da ich seit vielen Jahren weiß, wie meilenweit daneben schon Spekulationen über die nächste Wahl gelegen haben, liegen mir Spekulationen über das Jenseits offen gestanden recht fern. Im übrigen ist natürlich selbst für Christdemokraten nicht ausgemacht, daß sie im Himmel und nicht in der Hölle ankommen, und insofern gibt es auch hier Unsicherheitsfaktoren, die die Beschäftigung mit dem Hier und Heute und seinen Perspektiven als die passendere Aufgabe des Finanzsenators und Bürgermeisters erscheinen lassen.
Lassen Sie mich deshalb drei Leitsätze einer Politik für die gemeinsamen Interessen der beiden Städte und des Landes an den Anfang stellen:
Erstens: Wir brauchen eine ungeschminkte Bestandsaufnahme und wir müssen uns gleichzeitig – in Bremen und Bremerhaven – von Ressentiments, gegenseitigem Neid und Mißgunst freimachen. Dies gehört zu den wesentlichen Voraussetzungen, damit Bremerhaven sein Strukturdefizit überwinden und einen Wachstumskurs einschlagen kann.
Die Sanierung des Landes Bremen – und dies ist der zweite Punkt - kann nur gelingen unter der Voraussetzung, daß beide Stadtgemeinden, Bremen und Bremerhaven, eine Trendwende hinsichtlich Einwohnern und Arbeitsplätzen herbeiführen. Daher hat der Senat ein elementares Interesse daran, daß der Konsolidierungskurs auch in Bremerhaven die gewünschten Wirkungen zeitigt.
Drittens: Wir brauchen eine Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs im Lande Bremen, dessen Ziel ein Pakt für die Sanierung Bremerhavens sein muß. Er muß dazu beitragen, daß der Haushalt und die Wirtschaftspolitik Bremerhavens auch nach dem Grundsatz „Sparen und Investieren“ erfolgreich gestaltet werden können. Die Großen Koalitionen im Land und in Bremerhaven müssen sich auch durch überdurchschnittliche politische Kraftanstrengungen auszeichnen. Die erfolgreiche Sanierung Bremerhavens ist jedenfalls allen Ideenreichtum und politischen Entscheidungswillen wert.
Meine Damen und Herren,
Bremerhaven ist nicht der kleine unmündige Bruder Bremens, der Almosen empfängt, sondern ebenso wie die Stadt Bremen fester Bestandteil unseres Landes und gleichberechtigter Partner. Trotz einiger negativer Trends gibt es keinerlei Grund, für mangelndes Selbstvertrauen oder gar Pessimismus.
Bremen ist auch nicht der natürliche Feind Bremerhavens, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit den kleinen Bruder majorisiert oder im Stich läßt. Wer so etwas verbreitet ist das Gegenteil eines Patrioten. Er ignoriert zum einen die Tatsachen, zum anderen schadet er aber vor allem durch ein Klima des Mißtrauens beiden Städten. Die sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem Magistrat und den beiden Regierungsfraktionen läßt mich auch in dieser Hinsicht optimistisch in die Zukunft sehen.
Mehr Einwohner und mehr Arbeitsplätze – das sind die Ziele unserer Politik und damit die Stärkung der Wirtschaft und Finanzkraft. Für Bremen stehen die Zeichen gut, Bremen ist wieder eine wachsende Stadt, sie zieht mehr Menschen an, als sie durch Wegzug und durch den sogenannten „Sterbeüberschuß“ verliert.
Bremerhaven hat dieses Ziel noch nicht erreicht. Daß es den Abwärtstrend stoppt und ihn in sein Gegenteil umkehrt ist für Bremerhaven selbst von größter Bedeutung. Von nicht minder großer Bedeutung ist es für den Sanierungserfolg unseres Landes. Nur wenn es auch Bremerhaven gelingt, einen positiven Wanderungssaldo zu schaffen und die eigene Steuerkraft zu erhöhen, wird sich das Land Bremen bis zum Jahr 2005 aus seiner extremen Haushaltsnotlage befreien können.
Das Land und die Stadtgemeinde Bremen leisten bereits erhebliche Beiträge zur Stärkung Bremerhavens. Dabei muß es bleiben. Bremerhaven ist insgesamt durch das Land besser ausgestattet als die vergleichbaren Großstädte und auch als die Stadtgemeinde Bremen.
Ziel der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs muß es sein, die Leistungen künftig am Bedarf der beiden Städte zu orientieren, sie mit einer größeren Effizienz zu versehen und vor allem die Investitionskraft zu stärken und die laufenden Kosten durch beständige Modernisierung zu senken. Diese Neuordnung der Landeszahlungen soll einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung von Strukturschwächen insbesondere der Stadt Bremerhaven leisten. Die vom Magistrat und von meinem Hause geleistete Bestandsaufnahme und Analyse bietet eine gute Grundlage für konstruktive Gespräche. Ich bin der Überzeugung, daß sich der auf der Arbeitsebene bereits gelebte Gedanke der Gemeinsamkeit auch bei den Entscheidungsträgern von Politik und Verwaltung immer stärker durchsetzen wird.
Meine Damen und Herren,
in diesem Zusammenhang ist auch ein kritisches Hinterfragen einer stadtbremischen Enklave in Bremerhaven nicht nur erlaubt, sondern insbesondere aus Bremerhavener Sicht schon fast zwingend. Hier sollte man von keiner Seite eine konstruktive Diskussion scheuen. Ich sehe gute Chancen, daß wir hier noch im Laufe dieser Legislaturperiode zu Lösungen kommen, die hoheitliche Verantwortung für den Überseehafen auf Bremerhaven zu übertragen. Dies ändert nichts an den Besitzverhältnissen, gibt aber Bremerhaven die kommunalen Steuern und vor allem das Planungsrecht.
Meine Damen und Herren,
nur mit Bremerhaven gemeinsam werden wir die Sanierung unseres Bundeslandes schaffen, werden wir die Freie Hansestadt Bremen als Stadtstaat wieder überlebensfähig machen. Dazu sind Entscheidungsfreude, Kreativität und Disziplin nötig. Wir werden viel davon benötigen, wenn wir es schaffen wollen. Ich wünsche uns allen den Mut dazu.
Ich gratuliere zum 175. Geburtstag sehr herzlich. Der Seestadt Bremerhaven wünsche ich eine glückliche Zukunft in unserem gemeinsamen Zwei-Städte-Staat.“