Landesfrauenbeauftragte kritisiert Reform des Sorgerechts
05.07.2012„Dass das Kindeswohl mit der geplanten Reform des Sorgerechts tatsächlich gestärkt werde, vermag ich nicht zu erkennen, im Gegenteil“, kommentiert Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe die gestern (04.07.2012) von der Bundesregierung beschlossene Reform des Sorgerechts, nach der ledige Väter künftig bei Familiengerichten das gemeinsame Sorgerecht beantragen können und erhalten, sofern die Mutter nicht Kindeswohl-Gründe geltend macht, die dagegen sprechen. „Dass Kinder beide Eltern, Mutter und Vater, brauchen und möglichst in engem Kontakt mit beiden sein sollen, ist völlig unstreitig. Und es geht auch nicht um unverheiratete Paare, die sich einig sind, sondern nur um diejenigen, die im Konflikt miteinander sind“, stellt Hauffe klar. Die Landesfrauenbeauftragte weiter: „Das Leitbild, das dem Gesetz zu Grunde liegt, ist falsch: Demnach soll künftig das gemeinsame Sorgerecht erteilt werden, wenn es dem Kindeswohl nicht schadet – richtig wäre jedoch zu prüfen, ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nutzt. Das gemeinsame Sorgerecht beider Eltern ist nicht automatisch ein Garant für das Wohl des Kindes.“
Nach dem geplanten Gesetz haben ledige Mütter künftig sechs Wochen Zeit, sich zu dem Mitsorge-Antrag des Vaters zu äußern. Tun sie das nicht oder bringen sie keine im Einzelnen dargestellten und ausreichenden Gründe gegen die gemeinsame Sorge vor, erhält der Vater die Mitsorge für das gemeinsame Kind, und das ohne gerichtliche Anhörung der Eltern. „Mal abgesehen davon, dass eine sechswöchige Frist für Mütter, die gerade geboren haben, Schonung und Ruhe brauchen und mit vielen anderen Amtsgängen beschäftigt sind, für eine Erwiderung sehr knapp bemessen ist, muss man deutlich fragen, warum die Beweislast nur bei den Müttern liegt?“, fragt Ulrike Hauffe, „warum müssen nur sie darlegen, dass die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes schadet? Warum muss nicht der Vater glaubhaft begründen, dass seine Mitsorge dem Wohl des Kindes nutzt?“ In einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Studie wird festgestellt, dass die Partnerschaftssituation und die Bereitschaft zur Abgabe von Sorgeerklärungen wenig Einfluss auf die Verhaltensentwicklung von Kindern haben – ausschlaggebend sei vielmehr das Erziehungsverhalten von Eltern und deren Kooperation in einem guten oder wenigstens halbwegs konfliktarmen Miteinander („Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ Studie des Deutschen Jugendinstituts, 2010). Auch ständige Konflikte über Fragen des täglichen Lebens zwischen den Eltern können zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen.
90 Prozent aller Alleinerziehenden sind Frauen – „auch wenn wir jeden Fall einzeln betrachten müssen, so lässt sich doch feststellen, dass viele Väter ihrer Verantwortung schlicht nicht nachkommen wollen“, gibt Hauffe zu bedenken, „die Zahl säumiger Unterhaltszahler liegt nach Schätzungen bundesweit bei rund einer halben Million, Frauen sind kaum darunter. Wenn unverheiratete Väter schon mehr Rechte bekommen sollen, dann bitte auch deutlich mehr Pflichten!“