Bremen erhält einen Gedenkort an die Kriegsgefangenen und aus ganz Europa Verschleppten, die während des Zweiten Weltkriegs in den sogenannten Ulrichsschuppen interniert waren und in den bremischen Häfen Zwangsarbeit leisten mussten. Dr. Thomas Köcher, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, hat heute (10. April 2024) den von der Künstlerin Michaela Melián (Trägerin des Rolandpreises für Kunst im öffentlichen Raum 2018) geschaffenen Gedenkort feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Neben der Begrüßung durch Rose Pfister (Stiftung Bremer Bildhauerpreis. Rolandpreis für Kunst im Öffentlichen Raum) zählten Cornelia Wiedemeyer (Leiterin Ortsamt Bremen West), Carole Zandona (Direktorin Institut français Bremen) und Uwe Schiemann (J. Müller Weser GmbH & Co. KG) zu weiteren Sprecherinnen und Sprechern während der Einweihung.
Das Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager in den ehemaligen Ulrichsschuppen am Bremer Getreide- und Fabrikenhafen ist eines von mehreren Hundert Lagern, die während des Krieges in Bremen eingerichtet wurden, um ausländische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter aus den von Deutschland besetzten Ländern zu internieren. Ihre exakte Zahl ist daher kaum zu ermitteln. Schätzungen gehen von bis zu 75.000 Menschen aus, darunter auch Kriegsgefangene und KZ-Flüchtlinge, die in Bremer Betrieben Zwangsarbeit leisten mussten.
Ab 1942 bis 1944 wurden auch die damaligen Ulrichsschuppen 9 und 10 als Internierungslager für französische Kriegsgefangene genutzt, die zuvor auf einem ehemaligen amerikanischen Frachter im Getreide- und Fabrikhafen untergebracht waren. Später kamen auch sowjetische Zwangsarbeiter hinzu. Die Liste weist für den Ort 983 Gefangene aus. Beide Schuppen gehörten zu einem Ensemble von 21 Schuppen, die in den Jahren 1912/13 und dann in den 20er Jahren im Bereich Revaler Straße, Memeler Straße und am Fabrikufer erbaut und von der damaligen Spedition P. H. Ulrichs betrieben wurden.
Im Jahr 1989 wurden in dem nach dem zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geratenen Internierungslager nach Hinweisen eines ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiters Wandmalereien französischer Kriegsgefangener entdeckt, die vermutlich 1942/43 entstanden sind. Verschiedene Malstile weisen auf die Beteiligung mehrerer Gefangener hin. Die 13 Wandgemälde wurden geborgen und sind nun in verschiedenen Einrichtungen, darunter dem Bremer Staatsarchiv, dem Landesamt für Denkmalschutz und dem Hafenmuseum im Speicher XI, ausgestellt.
2018 erwarb die Hafenbetriebsgesellschaft J. Müller AG, Brake, die Schuppen, deren Abriss im Februar 2019 erfolgte. Heute sind dort Container gelagert. Mit den Ulrichsschuppen verschwand einer der letzten Orte, der an Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs in Bremen erinnert. Im Zuge des Abrisses stellte die Firma das Eckgrundstück Memeler/Revaler Straße an originaler Stelle für einen Erinnerungsort zur Verfügung.
Auf dieser Fläche entstand das Kunstwerk der Rolandpreisträgerin 2018 Michaela Melián. Die Künstlerin hat die Fassade des Schuppens auf dem Grundstück wiederhergestellt, allerdings nicht vertikal, sondern horizontal gekippt. Die Fassade markiert den verschwundenen Ort und erinnert gleichzeitig an die vielen Kriegsgefangenen und Verschleppten aus ganz Europa, die in den bremischen Häfen Zwangsarbeit leisten mussten. Um den Gedenkort herum ragen die Containertürme in den Himmel und bilden zur flach auf dem Boden liegenden Fassade einen sinnfälligen Kontrast.
Neben der Gedenkstätte zeigt die Galerie K Strich ab Mittwoch, den 10. April 2024 die Ausstellung "Ulrichsschuppen mit Nähmaschinenzeichnungen" von Michaela Melián. Und das Weserburg Museum für moderne Kunst präsentiert ab dem 1. April 2024 die Soundarbeit "aufheben, 2021" von Michaela Melián im Hans Otte.Klanghaus und im öffentlichen Raum im Tunnel, links vor dem Museumseingang.
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Werner Wick, Pressesprecher beim Senator für Kultur, Tel.: (0421) 361-16173, E-Mail: werner.wick@kultur.bremen.de