Die Europäische Datenschutzgrundverordnung ist bereits ein Jahr nach ihrem ersten Geltungstag als „DSGVO“ in aller Munde. So rasant können sich nur die wenigsten Abkürzungen durchsetzen. Seit Wochen wird die bremische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit nach ihrem Fazit gefragt und soll beurteilen, ob sich das Datenschutzniveau im Land Bremen durch die DSGVO erhöht hat.
Dr. Imke Sommer antwortet hierauf: "Das Datenschutzniveau zu messen, ist schwierig. In den zehn Jahren, in denen ich den Stand der informationellen Selbstbestimmung im Land Bremen beobachte, gab es drei Ereignisse, die dazu geführt haben, dass sich jedenfalls das Bewusstsein der Menschen für dieses Thema jeweils abrupt erhöht hat. Damit haben diese Ereignisse sicherlich ebenfalls zu einem Anstieg des Datenschutzniveaus beigetragen. Es handelt sich um die Veröffentlichung der Straßenansichten aller bremischen Häuser im November 2010, um die Enthüllungen Edward Snowdens über Überwachungen durch die US-amerikanische National Security Agency im Juni 2013 und um den ersten Geltungstag der Europäische Datenschutzgrundverordnung am 25. Mai 2018. Genauer gesagt sind es die mit den Begriffen Streetview, DSGVO und dem Namen Edward Snowden verbundenen öffentlichen Diskussionen, die das Datenschutzbewusstsein ansteigen ließen. Im Sommer 2010 wurde in der Freien Hansestadt Bremen darüber gestritten, ob es spießig oder legitim ist, die Welt vom virtuellen Blick auf den eigenen Vorgarten auszuschließen. Im Sommer 2013 machte sich auch die bremische Öffentlichkeit Sorgen über die enthüllten umfassenden und anlasslosen Überwachungen von Smartphones und Internetkommunikation durch einen US-amerikanischen Geheimdienst. Im Sommer 2018 dann diskutierte auch das Land Bremen über Klingelschilder, abgenötigte Einwilligungen, unerwünschte Werbung und Bußgeldandrohungen. Diese öffentlichen Diskussionen bewirkten, dass alle darüber nachdachten, welche Informationen Unbekannte ihrer Meinung nach über sie haben dürfen und welche nicht. Jede dieser Diskussionen bewirkte einen Anstieg des Bewusstseins für die Verletzlichkeit des Rechtes, selbst darüber zu entscheiden, wer wann was über Menschen weiß."
Damit verweist die Landesbeauftragte für Datenschutz darauf, dass im Zuge der Veröffentlichung von Häuserfronten auch Menschen, die zuvor geglaubt hatten, sie hätten nichts zu verbergen, das Gefühl entwickelten, dass es Räume gibt, von denen sie nicht wollen, dass sie weltweit einsehbar sind. Ähnlich konnten noch ein Jahr nach den Enthüllungen durch Edward Snowden 80 % der repräsentativ befragten Bundesbürgerinnen und Bundesbürger seinen Namen korrekt zuordnen und befürworteten 82 % seine Enthüllungen. Auch die Veränderungen im Zusammenhang mit der DSGVO sind quantifizierbar: Ein Jahr nach dem ersten Geltungstag der DSGVO hat sich allein die Zahl der monatlich bei der bremischen Landesbeauftragten eingehenden Beschwerden über Datenschutzverstöße nahezu verdoppelt (hier der Link zum Meldeformular: www.datenschutz.bremen.de/detail.php?gsid=bremen236.c.15665.de).
Dazu die Landesbeauftragte: "Die Verdoppelung der Beschwerden ist sicherlich kein Indiz dafür, dass nach dem 25. Mai 2018 so viel mehr Datenschutzverletzungen im Land Bremen passiert sind als in der Zeit davor. Im Gegenteil bestätigt sich sogar in der Aufsichtspraxis der Eindruck, dass viele, die personenbezogene Daten verarbeiten, zähneknirschend, begeistert oder einfach, weil es sein musste, die DSGVO umgesetzt haben. Die Verdoppelung zeigt aber ganz deutlich, dass die Betroffenen sensibler geworden sind. Vielleicht hat die Diskussion über die DSGVO sie sogar ermutigt, sich mit ihrer Beschwerde bei der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu melden. Eine Soziologin würde sich scheuen, die Verdoppelung der Beschwerdezahlen in den Anstieg des Datenschutzbewusstseins umzurechnen. Dagegen darf ich am ersten Geburtstag der DSGVO als Lobbyistin des Grundrechts sprechen. Deshalb gratuliere ich der DSGVO mit der steilen These, dass sich das Datenschutzbewusstsein im Land Bremen seit ihrem ersten Geltungstag verdoppelt hat."
Kontakt/Rückfragen:
Dr. Imke Sommer, Telefon 0421 361-2010