22.10.2001
„Frauenspezifische Aspekte spielen bislang bei Forschung, Diagnostik und Therapie in der Medizin und in der Gesundheitspolitik kaum eine Rolle. Wir haben uns dieses Themas angenommen und betreten damit Neuland. Ich freue mich, den ersten Frauengesundheitsbericht für das Land Bremen vorlegen zu können.“ Das hat die für Gesundheit und Frauen zuständige Senatorin, Hilde Adolf, heute (22. Oktober 2001) bei der Vorstellung des rund 140 Seiten starken Berichtes betont, der in dieser Form bislang bundesweit einmalig ist.
Der Bericht ist in drei Teile gegliedert:
Neben einer Untersuchung zu Erwerbstätigkeit und Gesundheit sind die beiden Themen „Gewalt gegen Frauen“ und „Gynäkologische Unterleibserkrankungen und deren Behandlung“ Kernstücke im ersten Teil.
Jede sechste Frau in Bremen hat im Laufe ihres Lebens körperliche Gewalt erlitten, jede zehnte war mit sexueller Gewalt konfrontiert. Dies fand das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) bei einer Befragung heraus. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass Langzeit-Folgen wie beispielsweise Drogenprobleme oder Depressionen häufig nicht im Zusammenhang mit der erlebten Gewalt gesehen und somit nicht adäquat behandelt werden. In der verlässlichen Unterstützung von Institutionen, die sich der betroffenen Frauen und Mädchen annehmen, und
in der Kooperation der verschiedenen Hilfe-Einrichtungen werden wichtige Strategien in der gesundheitlichen Versorgung der Opfer von Gewalt gesehen.
Ergebnisse und Bewertungen im Bericht zu gynäkologischen Unterleibserkrankun-gen resultieren ebenfalls aus einer Befragung durch das BIPS. Gesundheitspolitisch besorgniserregend sei, so die Autorinnen, die hohe Rate der Gebärmutter-Entfernungen (Hysterektomie). Auch für Bremen müsse davon ausgegangen werden, dass eine große Zahl nicht zwingend notwendiger Gebärmutter-Entfernungen erfolge. Dringend notwendig sei es deshalb, die Frauen besser und umfassender zu informieren, damit sie auf dieser Basis eine Entscheidung treffen können.
Im zweiten Teil des Berichts wird ein Thema ins Blickfeld gerückt, das bislang öffentlich wenig Beachtung fand. Dabei geht es um die Leistungen, die Frauen erbringen, die ältere Angehörige im privaten Bereich pflegen. Immerhin werden rund drei Viertel der ambulant versorgten Pflegebedürftigen im familiären Umfeld durch Frauen betreut. Dies bringt erhebliche Belastungen für die Frauen mit sich und schränkt ihre Lebensgestaltung ein. „Die Anerkennung und Wertschätzung dieser Leistungen für die Gesellschaft und die notwendige Stärkung häuslicher Pflege durch technische und personelle Hilfen muss verbessert und intensiviert sowie in ein Gesamtkonzept humaner bedürfnis- und bedarfsgerechter Betreuung und Versorgung Pflegebedürftiger integriert werden“, heißt es im Bericht.
Die Bedeutung von Frauen als Berufstätige im Gesundheitswesen wird im dritten Teil des Berichts dargestellt. Ein Großteil der professionellen Gesundheitsversorgung wird von Frauen übernommen. Dabei arbeitet die Mehrheit in untergeordneten Positionen in Pflege- ,Therapie- und Service-Diensten, während die Männer die ärztlichen Bereiche dominieren. Die Autorinnen des Berichts kommen unter anderem zu dem Schluss, dass die Qualifikation und Weiterbildung der Frauen im akademischen und im nicht-akademischen Bereich zu fördern ist. Dabei müsse besonders die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit berücksichtigt werden.
Mit den genannten Themenbereichen greift der Bremer Frauengesundheitsbericht auch die aktuelle gesundheitspolitische Diskussion um Fragen der Über-, Unter- und Fehlversorgung sowie die unumstritten notwendige konsequentere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung auf.
Trotz eines umfassenden Konzepts kann der Frauengesundheitsbericht nach Angaben von Senatorin Adolf nicht jede Facette im weiten Feld „Frauen und Gesundheit“ beleuchten. Dennoch seien die ausgewählten Themen beispielhaft dafür, dass eine nähere Betrachtung geschlechtsspezifischer Besonderheiten auch zu einer wirkungsvolleren Vorbeugung und Versorgung bei Krankheit führen könne. Grade der Prävention komme dabei eine bedeutende Rolle zu.
Für die Stadt Bremen stellte die Senatorin fest, dass es neben der regulären Gesundheitsversorgung ein breites Netz von Institutionen gebe, die sich engagiert für die Gesundheits-Belange von Frauen einsetzten. Als Beispiele nannte sie die Frauengesundheitsprojekte und das „Forum Frauengesundheit“. In Bremerhaven hingegen bestünde in dieser Hinsicht Nachholbedarf, da ein entsprechendes Netzwerk fehle. Deshalb werde zur Zeit überlegt, wie ihr Ressort Hilfestellung leisten könne.
Die Senatorin: „Der Bericht soll insgesamt dazu beitragen, Strategien für eine frauenfreundlichere Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung zu entwickeln.“ Sie hoffe, dass die Erkenntnisse nicht nur konstruktive Diskussionen in der Ärzteschaft sowie in den Selbstverwaltungsorganen des Gesundheitswesens und in der Politik auslösen, sondern letztlich auch zu Veränderungen zugunsten von Frauen führten. Konkret werde es dazu Anstöße aus ihrem Ressort geben.
Auf der Grundlage des Berichts, so Hilde Adolf, würden Vorschläge und Maßnahmen erarbeitet und auf ihre Machbarkeit hin überprüft. Dazu gehörten die Fortbildung des medizinischen Personals, um es für Folge-Erkrankungen von Gewalterfahrungen bei Frauen zu sensibilisieren. Bei den Unterleibserkrankungen sollte neben der verstärkten Aufklärung der Frauen auch mehr Transparenz seitens der Krankenhäuser über die Zahl der Gebärmutter-Entfernungen, über Alternativen und Operations-Methoden hergestellt werden. Im Bereich der familiären Pflege ist daran gedacht, die pflegenden Frauen verstärkt dahingehend zu beraten, wo sie Entlastung und Unterstützung finden. Auch müsste ihre für die Gesellschaft insgesamt wertvolle Arbeit mehr Anerkennung finden. In den Pflegeberufen sollte neben den körperlichen Belastungen durch Heben und Tragen auch psychischen Belastungen mehr Beachtung geschenkt werden, wenn es um Arbeits- und Gesundheitsschutz geht.
Senatorin Adolf wies auch darauf hin, dass sie für die im kommenden Jahr in Bremen unter ihrem Vorsitz tagende Gleichstellungs- und Frauenminister-Konferenz (GFMK) die Gesundheit von Frauen als Schwerpunktthema vorschlagen werde.
Der Frauengesundheitsbericht ist im Internet unter der Adresse www.bremen.de/info/frauengesundheitsbericht zu erhalten.