Bremer Landesamt für Verfassungsschutz besteht seit 75 Jahren
28.11.2025Eine kurze Mitteilung des Senats verkündete am 17. Oktober 1950 die Gründung eines gänzlich neuen Amtes in Bremen: Das Landesamt für Verfassungsschutz. Das Amt sollte künftig "(…) Nachrichten, Auskünfte und sonstige Unterlagen über Bestrebung auswerten, die eine Änderung (…) oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung zum Ziele" haben. Grund war die Sorge um die noch junge Demokratie. Eine Sorge, die im Jahr 1950, gut ein Jahr nach Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. Mai 1949, mehr als berechtigt war.
Denn auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es Gefahren: So hatten Alt-Nazis diverse Splittergruppen gegründet, um in der neuen Bundesrepublik Deutschland wieder Einfluss zu gewinnen und stellten das jüngst verabschiedete Grundgesetz massiv in Frage. Darin wurde unter anderem "die "Würde des Menschen als unantastbar" beschrieben und "Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Religionsfreiheit" als auch das Versprechen garantiert, dass künftig alle Menschen (…) "vor dem Gesetz gleich" seien.
Die Bedrohung für die Bundesrepublik ging nach Überzeugung der Verfassungsschützer von damals aber nicht nur von rechten Organisationen aus, sondern auch von links durch kommunistische Gruppierungen. Sowohl die Landesämter für Verfassungsschutz als auch das Bundesamt sollten deswegen fortan als "Frühwarnsystem" Gefahren für die Demokratie erkennen. Dabei galt das sogenannte Trennungsgebot: Das heißt, polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse sollten dem Bremer Verfassungsschutz wie auch dem Verfassungsschutz in den Ländern und im Bund explizit nicht zur Verfügung stehen – eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, um Missbrauch durch zu viel Macht für eine Behörde, wie einst bei der Gestapo, von vornherein zu unterbinden.
Der Auftrag an den neugegründeten Verfassungsschutz war klar: Er sollte Informationen sammeln und extremistische Gruppen beobachten; der Staatsschutz der Polizei wiederum sollte Straftaten politischer Gegner verhindern beziehungsweise verfolgen. Dabei wurde die Arbeit des Verfassungsschutzes bereits einige Jahre nach der Gründung durch eine parlamentarische Kommission kontrolliert.
75 Jahre nach Gründung des Landesamtes für Verfassungsschutz gilt der Rechtsextremismus erneut wieder als größte Gefahr für unsere Demokratie.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer: "Die wachsende Zahl von Anhängern im Rechtsextremismus und die rasante Entstehung neonazistischer Jugendgruppen müssen uns besorgen – auch in Bremen. Angesichts dieser Entwicklung braucht es weiterhin einen starken Verfassungsschutz in Bremen wie im Bund." Anders als vor 75 Jahren gebe es heutzutage zudem digitale Brandbeschleuniger: "Rechte Influencer und Extremisten versuchen über die sozialen Netzwerke vor allem junge Menschen zu radikalisieren und für ihre menschenverachtenden Ziele zu gewinnen. Das ist brandgefährlich."
Linke, demokratiefeindliche Gruppierungen sind auch heute, ein Dreivierteljahrhundert nach Gründung des LfV Bremen, ein Schwerpunkt der Arbeit. Jedoch dominierten das Spektrum in den 50er Jahren kommunistische Parteien und parteiförmige Organisationen des dogmatischen Linksextremismus. Der heutige Linksextremismus zeichnet sich durch eine Anhängerschaft aus, die sich der autonomen Szene zurechnet und die sich ideologisch auf anarchistische und kommunistische Theoriefragmente beruft. Dabei erheben ihre Anhänger und Anhängerinnen den Anspruch, nach eigenen Regeln leben zu können.
Reichsbürger und Selbstverwalter, Salafisten, Hamas und Hisbollah, PKK oder Graue Wölfe sind Phänomene, mit denen die früheren Verfassungsschützer nichts hätten anfangen können. Das Thema Spionage beschäftigte dagegen schon die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesamt für Verfassungsschutz.
75 Jahre nach seiner Gründung überrascht das Landesamt Bremen mit einigen Zahlen: So beträgt der Altersdurchschnitt 39 Jahre. Amtsleiter Thorge Koehler wurde 2023 ernannt und war mit 36 Jahren der jüngste Amtsleiter in der Geschichte des bremischen Verfassungsschutzes. Der Anteil der Frauen liegt aktuell bei 43 Prozent. Die heute rund 70 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des LfV Bremen haben zuvor die unterschiedlichsten Bildungswege beschritten und sind ausgebildete Juristen, Politikwissenschaftler, Verwaltungswissenschaftler, Historiker, Islamwissenschaftler, Sozialwissenschaftler, Polizeibeamte und Journalisten.
Anders als in seinen Anfängen versucht sich das Landesamt für Verfassungsschutz inzwischen soweit möglich zu öffnen. Der Verfassungsschutz versteht sich dabei als ein moderner Dienstleister und steht bei Fragen der inneren Sicherheit sowohl für Behörden, als auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung. Expertinnen und Experten des LfV Bremen halten bei Bedarf immer wieder Vorträge vor Schulklassen, vor Wirtschaftsunternehmen oder den Angehörigen von Behörden oder Vereinen. Einmal im Jahr veröffentlich das LfV einen umfangreichen Jahresbericht zu den neuesten Entwicklungen im Extremismus.
Thorge Koehler, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Bremen: "Soweit es einem Nachrichtendienst möglich ist, versuchen wir, die Fragen von Journalisten und Journalistinnen zu den unterschiedlichsten Phänomenbereichen zu beantworten. Unser Selbstverständnis ist, dabei so transparent wie möglich zu kommunizieren." Denn, so Koehler: "Wir sind auf das Vertrauen der Zivilgesellschaft angewiesen, um gefährliche Entwicklungen für die Demokratie rechtzeitig zu entdecken und ihnen zu begegnen. Dies ist nur gemeinsam zu schaffen."
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