30 Kisten voller Archivalien, eingeschifft von einer Bremer Spedition, befinden sich dieser Tage auf dem Weg in die Bremer Partnerstadt Windhoek mit dem Zielort "Staatliches Archiv von Namibia", wo sie Mitte Oktober ankommen sollen. Mit der Übersendung dieser wichtigen Sammlungen von historischen Büchern und wertvoller Foto- und Videodokumentationen aus der Zeit der Befreiungsbewegung, der kolonialen Herrschaft Südafrikas im heutigen Namibia sowie der aktivistischen Antiapartheid-Politik endet der Prozess der Auflösung der Sammlungen des Bremer Afrika Archivs.
Das namibische Staatsarchiv hatte aus der Aufstellung des Gesamtbestands im Bremer Afrika Archiv eine Wunschliste an Materialien erstellt, um für diese so wichtige Phase der Geschichte des damals erst entstehenden Staates Namibia den eigenen Bestand ergänzen und weiter aufbauen zu können. Dieser Akt ist ein weiterer logischer Schritt der Rückführung wichtigen Kulturguts nach Namibia.
Bürgermeister und Kultursenator Andreas Bovenschulte geht in einem Brief an Sanet Steenkamp, dem Minister für Bildung, Innovation, Jugend, Sport, Kunst und Kultur in Namibia, auf die historische Verantwortung Bremens in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern ein. War es doch Adolf Lüderitz, der als Bremer Kaufmann die Kolonialisierung Namibias mit initiierte. Und später hatte Bremen als erstes westdeutsches Bundesland Kontakt zur Freiheitsbewegung in Namibia aufgenommen.
Das Bremer Afrika Archiv wurde 1975 unter Beteiligung des Übersee-Museums, des Staatsarchivs, der Universität Bremen und der Abteilung VI beim damaligen Bildungssenator mit dem Ziel gegründet, alle entwicklungspolitischen und Afrika-bezogenen Initiativen in Bremen zu bündeln. Als Verein ist das Bremer Afrika Archiv laut Gründungsprotokoll seit Sommer 1977 registriert. Der Verein trug wesentlich zur frühen (bremischen) Erinnerungsarbeit am Kolonialismus bei und war seit seiner Gründung an vielen Initiativen zur Aufarbeitung beteiligt.
So war das Bremer Afrika Archiv seit Ende der 1970er Jahre Träger des sogenannten Namibia-Projekts, das als Kooperationsprojekt zwischen der Bremer Universität und dem Namibia-Institut der Vereinten Nationen in Lusaka bestand. Von Anfang an wurde die Projektarbeit durch den Kampf gegen Apartheid und die Solidarität mit der Swapo, der namibischen Unabhängigkeitsbewegung, geprägt. Im Zuge dieses Projektes entstanden unter anderem Schulbücher für namibische Kinder in Exilschulen, Bemühungen zur Schaffung eines Bewusstseins für die Entkolonialisierung in der Öffentlichkeit wurden vorangetrieben und die Unabhängigkeitsbewegung in Namibia unterstützt.
Die Sammlung, die aus diesen Bemühungen entstanden ist, zeigt, dass dem Standort Bremen eine besondere Rolle in der frühen Erinnerungsarbeit an den deutschen Kolonialismus zukommt. Nach der letzten Sichtung und Offenlegung des Archivs 2023, wurde die Auflösung nun aufgrund des anstehenden Umzugs der Rechtswissenschaften, in deren Archiv im GW1 der Universität Bremen die Sammlung lagerte, an den Domshof und der fälligen Umbauarbeiten des Gebäudes nötig. Teile des Archivs gingen bereits an die Basler Afrika Bibliographien, wurden in das Universitätsarchiv integriert oder von Studierenden in ihre Studiengangs-Bibliothek aufgenommen. Ein weiterer Teil wurde von der Nambia-aktiv-Gruppe "Praktische Solidarität von Volk zu Volk" übernommen. Dass wichtige Dokumente, die die Geschichte und Persönlichkeiten Namibias betreffen nun nach Windhoek gehen, um dort weiter aufgearbeitet, bewahrt und zugänglich gemacht werden zu können, ist eine positive Entwicklung, so Bürgermeister Bovenschulte.
Nicht zuletzt ist das Material nicht nur im deutschen oder bremischen Kontext relevant, sondern birgt auch einen Teil der Geschichte des namibischen Unabhängigkeitskampfes, des jungen Staats sowie umfassendes Bildmaterial. Die Zugänglichkeit des Archivs, nicht nur für deutsche Forscherinnen und Forschern, z.B. durch Digitalisierung oder Kooperationsprojekte, ist aus diesem Grund besonders wichtig.
Ansprechpartner für die Medien:
Werner Wick, Pressesprecher beim Senator für Kultur, Tel.: (0421) 361-16173, E-Mail: werner.wick@kultur.bremen.de