Fachtagung in der Bremer Landesvertretung mit zahlreichen Gästen aus ganz Deutschland
29.08.2025Unter dem Titel "Schuldenbremse, Klimawandel, Zeitenwende – Zukunftssicherung durch die Verfassung oder Überforderung des Rechts?" fand am 28. und 29. August 2025 eine Fachtagung der Senatorin für Justiz und Verfassung, des Senators für Finanzen und des Zentrums für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen in der Bremer Landesvertretung in Berlin statt. Rund 100 Teilnehmende waren in die Landesvertretung gekommen, um sich intensiv auszutauschen.
"Wir leben in einer Zeit, in der Verfassungsrecht, Politik und gesellschaftliche Selbstvergewisserung auf eine bisher kaum gekannte Weise ineinander verwoben sind. Es geht nicht nur um juristische Konstruktionen, sondern im Kern um unsere politische Handlungsfähigkeit – und um die Frage, wie wir die Grundlagen für zukünftige Generationen sichern", erläuterte Justizsenatorin Claudia Schilling den Anlass für die Fachtagung.
"Auf der einen Seite schützt die Schuldenbremse das Vertrauen in die Stabilität des Staates. Auf der anderen Seite kann sie sich mitunter als zu starr erweisen, gerade wenn es um langfristig angelegte Investitionen in existenzielle Zukunftsfragen wie den Klimaschutz oder die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes geht", so Schilling und beschrieb weiter das Spannungsfeld zwischen Recht und Politik, zwischen Norm und Gestaltung: "Wenn wir zu viel in die Verfassung legen, riskieren wir eine übermäßige Beschränkung des demokratischen Gestaltungsspielraums. Es droht eine Überlastung des Rechts. Dann wird die Demokratie in gerichtliche Auseinandersetzungen verschoben, statt im Parlament zu bleiben. Wenn wir zu wenig in die Verfassung legen, besteht die Gefahr, dass langfristige Interessen in der Hitze des politischen Alltags geopfert werden. Die Frage ist also nicht 'entweder oder', sondern wie wir die Balance halten: Eine Verfassung, die Orientierung gibt, ohne Politik zu ersetzen; ein Recht, das zukünftige Freiräume schützt, ohne heutige Verantwortungsübernahme unmöglich zu machen."
Finanzsenator Björn Fecker sprach sich mit Blick auf das Nebeneinander verschiedener Instrumente zur Kreditaufnahme von den Strukturkomponenten über die Sondervermögen bis zur Bereichsausnahme für die Bundeswehr für mehr Rechtssicherheit in der Praxis aus: "Wir haben immer mehr Instrumente für die Kreditaufnahme, die aber mit ihren detaillierten Regeln weitgehend nebeneinanderstehen. Das erhöht die Komplexität und erschwert die rechtssichere Steuerung in der Praxis. Wir brauchen praxistaugliche Schuldenregeln, die rechtssicher und gut zu handhaben sind. Von der Kommission zur Reform der Schuldenbremse ist ein Vorschlag zu erwarten, wie die Komplexität der Regelungen reduziert und die vielen unterschiedlichen Verschuldungsmöglichkeiten harmonisiert werden können. Das ist auch für die Einhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes nötig. Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse. Schon alleine der Klimawandel bringt enorme finanzielle Herausforderungen mit sich. Wir müssen beispielsweise Schulen und andere Gebäude energetisch sanieren, Wärmenetze ausbauen, die Stromversorgung umstellen. All das kostet sehr viel Geld und wir müssen es jetzt tun, um die Folgen des Klimawandels zu mildern."
Professorin Dr. Pia Lange, Direktorin des Zentrums für Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen: "Der Herrschaftsform der Demokratie ist ein Zeitelement immanent. Dem Gesetzgeber auch außerhalb des Klimaschutzes mit dem Argument der Generationengerechtigkeit Bindungen aufzuerlegen, ist daher aus meiner Sicht eher problematisch."
Wie steht das Grundgesetz nach der Reform der Schuldenbremse zu gegenwärtigen Freiheitsbeschränkungen, um zukünftige Freiheit zu sichern? Was bedeuten die Regelungen der Verfassung für das Zusammenspiel und die Machtbalance von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung? Sind die Schuldenbremse des Grundgesetzes und die verfassungsrechtlichen Gebote des Klimaschutzes notwendige Vorsorge für zukünftige Generationen, oder sind sie doch eher Ausdruck einer inzwischen umfassenden und krisenhaften Verrechtlichung aller Politik- und Lebensbereiche im liberalen Rechtsstaat? Diese und weitere Fragen wurden auf der eineinhalbtägigen Fachtagung in Berlin diskutiert.
Vortragende waren Professor Dr. Stefan Korioth von der Ludwig-Maximilians-Universität München, Professor Dr. Christian Calliess von der Freien Universität Berlin, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Dr. Rolf Bösinger, der vormalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Peter Müller, die Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion Dr. Wiebke Winter, das Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Sebastian Schäfer und schließlich der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung Dr. Jan Stöß.
"Ich freue mich sehr über das rege Interesse, das zeigt, dass wir mit diesen sechsten Bremer Gesprächen zum Rechtsstaat ein wichtiges und relevantes Thema aufgegriffen haben", so Schilling abschließend.
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