Karl Schneider über die Bremer Polizeibataillone und den Holocaust
05.10.2021Von Bremen nach Babyn Jar – von Krakau nach Kiew – zog das Bremer Polizeibataillon 303 vor 80 Jahren. Mithilfe von Aussagen, Bildern und Dokumenten zeigt Karl Schneider bei seinem Vortrag am 13. Oktober (19 Uhr) in der Zentralbibliothek auf, wie die Bremer Polizeieinheit mordend durch die Ukraine zog und auch am größten Einzelmassaker gegen die Juden im Zweiten Weltkrieg beteiligt war: in Babyn Jar in Kiew. Nach der Begrüßung von Dr. Thomas Köcher (Leiter der Landeszentrale für politische Bildung) spricht Ulrich Mäurer (Senator für Inneres) ein Grußwort.
Mit dem "Unternehmen Barbarossa", das vor 80 Jahren am 22. Juni 1941 begann, wollte Adolf Hitler im Osten neuen Lebensraum schaffen. Die Einsatzgruppen und Polizeieinheiten wurden den Heeresgruppen der Wehrmacht zugeordnet. 1940 waren im Deutschen Reich insgesamt 101 Polizeibataillone aufgestellt, in Bremen waren es die Polizeibataillone 105 und 303. Sie plünderten, brandschatzten und hinterließen eine Blutspur in Osteuropa. Das Polizeibataillon 105 war im Baltikum einer Wehrmachtsdivision zur "Sicherung und Partisanenbekämpfung" bis vor Leningrad unterstellt. Im Sommer 1942 wurde es in die Niederlande verlegt, terrorisierte dort die Bevölkerung durch Razzien und "begleitete" Transporte mit vielen Tausenden Juden von Westerbork nach Auschwitz. Nur 5.000 von den 100.000 Deportierten überlebten.
"Auf Judenkommando" zu gehen hatte für die Polizisten Erholungswert: Nach jedem Transport konnten sie drei Tage Urlaub bei ihren Familien in Bremen verbringen. Das 1940 nach Polen verlegte Polizeibataillon 303 zog ein Jahr später im Polizeiregiment "Russland Süd" mit den beiden Polizeibataillonen 45 (Aussig) und 314 (Wien) durch die Ukraine, um das Land von "schädlichen Elementen zu säubern": von Juden, Kommunisten und Partisanen.
Auf seinem Marschweg war es an vielen Mordaktionen beteiligt, auch an dem größten Einzelmassaker im Zweiten Weltkrieg in der Schlucht von Babyn Jar in Kiew. Dort wurden am 29. und 30. September 1941 von dem Einsatzkommando 4a, unterstützt durch das Bataillon 45 und das Bremer Bataillon 303, über 33.000 Juden erschossen. Vier Jahre (von 1964 bis 1968) ermittelte die Staatsanwaltschaft Bremen gegen das Polizeibataillon 105 und vierzehn Jahre lang (von 1965 bis 1979) beschäftigten sich elf Staatsanwaltschaften und Gerichte mit den Massakern und Morden des Polizeibataillons 303. Doch keiner wurde verurteilt. Mindestens 250 Mann arbeiteten nach 1945 wieder für die Polizei, davon rund 150 in Bremen. Manche konnten sogar ihre Karriere fortsetzen.
Karl Schneider, emeritierter Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Bremen, ist Autor des Buches ,,Auswärts eingesetzt - Bremer Polizeibataillone und der Holocaust’‘ (2011, Klartext). Seine Studie behandelt erstmals die Rolle der Bremer Polizeibataillone 105 und 303 als Helfershelfer beim Holocaust. Es wird detailliert gezeigt, wie sich Bremer Polizisten an Massenmorden in der Ukraine beteiligten, gegen Partisanen in der Sowjetunion kämpften und an den Verfolgungen und Deportationen von Juden in den Niederlanden teilnahmen.
Die Veranstaltung findet statt im Rahmen des Programms "80 Jahre Beginn des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion" von der Landeszentrale für politische Bildung Bremen und dem Verein "Erinnern für die Zukunft e.V.". Beginn ist um 19 Uhr im Wall-Saal der Zentralbibliothek, Am Wall 201. Der Eintritt ist frei. Anmeldung erforderlich unter: www.stabi-hb.de
Weitere Informationen:
Tobias Peters, Landeszentrale für politische Bildung Bremen, Tel. 0421-361 2098, E-Mail: tobias.peters@lzpb.bremen.de, www.landeszentrale-bremen.de