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Senatskanzlei

Zwölf wertvolle Zeichnungen an Kunstverein Bremen übergeben

19.07.2001

Rede des Kunstverein-Vorsitzers Georg Abegg bei der Rückgabe durch US-Finanzminister Paul O´Neill in New York

Kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut, das dem Kunstverein Bremen gehört, kehrt in die Hansestadt zurück. Zwölf wertvolle Zeichnungen hat heute (19.07.01 um 12 Uhr Ortszeit) der amerikanische Finanzminister Paul O´Neill der aus Bremen angereisten Delegation in den Räumen der Obersten Zollbehörde in New York übergeben. Der Delegation aus Bremen gehören an der Vorsitzer des Kunstvereins in Bremen, Georg Abegg, der Direktor der Kunsthalle Bremen, Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, und die zuständige Kustodin des Kupferstichkabinetts, Dr. Anne Röver-Kann. An der Feierstunde nahm auch der bisherige Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und neue deutsche Botschafter Dr. Wolfgang Ischinger teil.



In seiner in englischer Sprache gehaltenen Rede führte Kunstverein-Vorsitzer Georg Abegg bei der Feierstunde in New York unter anderem aus:


"Es ist für den Bremer Kunstverein und für uns als dessen Repräsentanten eine große Ehre und eine riesen Freude, von Ihnen, Herr Minister der Finanzen der USA, Paul O‘Neill, diese zwölf Zeichnungen zurückzuerhalten. Wir wissen sehr wohl zu schätzen, dass Sie sich persönlich, Herr Minister, zwischen Ihren zahlreichen Verpflichtungen heute die Zeit nehmen, uns diese Blätter zu übergeben. Wir sind Ihnen hierfür außerordentlich dankbar.

Mit Ihrem Engagement setzen Sie ein Zeichen, dass Kunstraub und Kunsthehlerei, ob auf nationaler oder auf weltweiter Ebene, keine Chance hat und staatliche Organe aller Länder zusammenarbeiten, derartige Machenschaften zu unterbinden.


Das harmonische Zusammenwirken der Ihnen unterstehenden Zollfahndung, Herr Minister, der New Yorker Staatsanwalt-schaft, dem vom Bremer Kunstverein beauftragten Anwalt und unserer Frau Dr. Anne Röver-Kann über Herkunft, Geschichte und Wert der Blätter führte zu dem Erfolg einer Beschlagnahme der Zeichnungen und der Verhaftung der Hehler. Dass derartige Aktionen viel Geduld, starker Nerven und auch Geld bedürfen, haben wir im Verlauf der letzten vier Jahre erfahren.

Umso größer die Freude und Dankbarkeit bei allen Beteiligten, ganz besonders aber bei uns Bremern.


Erlauben Sie mir, ein paar Sätze zu den Blättern selbst, dem Kunstverein in Bremen und der wunderbaren traditionsreichen Verbindung USA - Bremen zu sagen.


Unter den zwölf hier vor uns liegenden Blättern sind hoch-bedeutende Zeichnungen von Dürer, Rembrandt und Ruisdael. Das wichtigste Werk ist Albrecht Dürers Federzeichnung "Das Frauenbad" von 1496. Hierbei handelt es sich ganz ohneZweifel um ein Schlüsselwerk der europäischen Kunstgeschichte. Zum ersten Mal überhaupt ist der Mensch, noch dazu der nackte weibliche Mensch, in verschiedenen Altersstufen und Posen ohne jegliche kirchliche Aufgabenstellung beobachtet und dargestellt worden. Die Zeichnung "Das Frauenbad"markiert den Schritt des größten deutschen Künstlers aus der kirchlich gebundenen in die freie und persönliche Vorstellung des Menschen der Neuzeit.


Zusammen mit diesen zwölf Zeichnungen hatte der Bremer Kunstverein insgesamt 50 bedeutende Gemälde, 1715 Zeichnun-gen und Aquarelle sowie ca. 3000 Druckgraphiken im Jahre 1943 auf einem Landschloss in der Nähe Berlins ausgelagert, um die durch Luftangriffe gefährdeten Kunstwerke zu schützen. Der größte Teil ist nach wie vor verschollen.


1989 - im Zusammenhang mit der Perestroika in der damaligen UdSSR erhielt der Kunstverein die Information von einem ehe-maligen russischen Offizier, Viktor Baldin, er habe 1945 zahlreiche Kunstschätze aus dem Schloss retten können. Es sind 364 Kunstwerke, zwei Ölgemälde und 362 Zeichnungen, darunter zahlreiche hochbedeutende Dürer-Aquarelle und Zeichnungen, die heute in der Eremitage in Petersburg fachlich bestens betreut aufbewahrt werden mit dem Ziel der Rückgabe an den rechtmäßigen Eigentümer, der Kunsthalle Bremen. So hoffen wir, eines Tages auch die Blätter zurückzuerhalten.


Die seinerzeit einmalige Dürer-Sammlung ist der Ursprung des Kunstvereins in Bremen. 1823 begründeten einige Bremer Kaufleute den Verein. Man zeigte sich regelmäßig - wahrscheinlich bei einer guten Flasche Bordeaux, der seit altersher bis heute in Bremen hochgeschätzt wird - seine Neuerwerbungen, die zum guten Teil dem gemeinsamen Verein geschenkt wurden. Steuerliche Erleichterungen oder gar Anreize zur Stiftung waren im frühen 19. Jahrhundert kein Thema bei einer Steuerbelastung der Bürger von ca. 2 % und dann auch auf freiwilliger Einschätzung.


Bald hafte man einen umfangreichen Bestand erworben. Es mag interessieren, dass in einer bürgerliche Sammlung, im Gegensatz zu den königlichen Sammlungen, im damaligen Deutschland die Themen meist Seeschiffe, Landschaften, Stilleben und Portraits, eben keine religiösen waren. Die Frage nach einem dauerhaften Aufenthalt mit der Möglichkeit der Präsen-tation für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt wurde akut. Das erste Museum wurde 1848 gebaut, 1902 und erneut 1982 erweitert und 1994 total saniert. Die Kosten wurden 1848 und 1902 zu 100 % und 1982 sowie 1994 zu einem ganz überwiegenden Teil von Bürgern privat bezahlt.


Bis zum heutigen Tage ist die Bremer Kunsthalle das einzige bedeutende Museum in der Bundesrepublik, bei dem Gebäude, Grundstück und die Kunstwerke einem privaten Verein gehören.


Dieser Kunstverein ist Träger und Betreiber des Museums. Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, auch zukünftig diese Tradition fortzusetzen. Für Sie hier in den US nichts Außergewöhnliches, in Deutschland jedoch einmalig.


Nun zu der ebenfalls jahrhundertealten Verbindung USA und Bremen. Bremen und Bremerhaven haben seit 1783 dokumentierte enge Handelsbeziehungen zu den USA, Tabak und Baumwolle waren es zuerst, das erste Konsulat der US auf dem europäischen Kontinent wurde 1796 in Bremen etabliert. Die erste regelmäßige Postverbindung zwischen den US und dem Kontinent war N.Y. - Bremen - auf einem Schiff, das meinem Ur-Ur-Ur-großvater gehörte. Über Bremerhaven haben sich von ca. 1840 beginnend mehr Auswanderer aus Europa in die USA eingeschifft als aus irgendeinem anderen Hafen der Welt. Nach dem Kriege 1945 war Bremerhaven der amerikanische Hafen für Europa.

Die ersten Container aus USA wurden in Bremen entladen. Mit Unterstützung der Rice University Houston ist jetzt in Bremen die erste internationale private Universität in Deutschland gegründet worden. Am vergangenen Dienstag fand in Kalifornien ein erneuter Testflug des Flugmodells X-38 statt. Die Flugsteuerungssoftware ist in Bremen - wie sich zeigte - erfolgreich entwickelt und gebaut worden. X-38 ist ein Modell für das künftige Astronauten-Rettungsfahrzeug auf der internationalen Raumstation.


Ich meine, eine großartige gemeinsame über Jahrhunderte andauernde freundschaftliche Verbindung, die erneut durch die heutige Übergabe der jahrelang verschollenen Kunstwerke be-stätigt wird.


Für mich als Repräsentant des Bremer Kunstvereins ist es eine große Ehre und Freude, von Ihnen, Herr Minister, diese Blätter zurückzuerhalten. Diese Blätter, die für uns einen unschätzbaren Wert haben, was sowohl die künstlerische Bedeutung in der europäischen Kunstgeschichte als auch unseren Kunstverein in Bremen betrifft.


Ihnen und allen Damen und Herren, die bei der erfolgreichen Rückführung mitgewirkt haben, allerherzlichsten Dank!"