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Der Senator für Finanzen

Rede von Senator Dr. Ulrich Nußbaum zum Sanierungsbericht vor dem Finanzplanungsrat in Berlin

30.06.2005

„Wir brauchen weiterhin externe Unterstützung“

Es gilt das gesprochene Wort!


In seiner Rede vor dem Finanzplanungsrat in Berlin führte Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum heute Nachmittag (30.06.2005) unter anderem aus:


„Die Freie Hansestadt Bremen hat sich wohl überlegt in Orientierung am Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichtes und in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Finanzen für einen bestimmten Sanierungskurs entschieden. Mit der Strategie des ‚Investierens und Sparens’ sollte nicht nur die Verschuldung Bremens reduziert und die Ausgabenstruktur optimiert, sondern auch Potenziale für eine Verbesserung der originären Einnahmen geschaffen werden.


Diese bremische Strategie war und ist langfristig auf die nachhaltige Stärkung der bremischen Wirtschafts- und Finanzkraft ausgerichtet. Das ist auch jederzeit deutlich nach außen kommuniziert worden. Dieses Ziel war und ist aus bremischer, aber auch aus national volkswirtschaftlicher Sicht meines Erachtens sinnvoller als eine nur kurzfristig wirkende Scheinkonsolidierung der bemischen Haushalte.


Gleichwohl sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass im Rahmen dieser Strategie, gemäß der berechtigten Annahmen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch das Ziel der formalen Haushaltskonsolidierung darzustellen sei.


Natürlich würde ich hier und heute gern verkünden: Mission erfüllt, Sanierung erfolgreich abgeschlossen.


Das ist, wie Sie wissen, nicht möglich - weder heute noch in naher Zukunft. Trotzdem bin ich, gerade nachdem ich die bremische Sanierungsstrategie seit meinem Amtsantritt stets im kritischen Diskurs mit meinen Experten hinterfragt habe, der Meinung, dass der bremische Weg bisher ohne Alternative war. Der Aufholprozess der letzten Jahre war notwendig, selbst wenn wir heute noch nicht so positiv dastehen wie erhofft und erwartet.


Auch wenn wir uns aufgrund der negativen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Verbindung mit unserer strukturellen Benachteiligung im bundesstaatlichen Finanzausgleich nach wie vor nicht aus unserer extremen Haushaltsnotlage befreien konnten, sind wir für die Zukunft deutlich besser aufgestellt als zuvor. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner zum Beispiel konnte von 1994 bis 2004 um 24 % gesteigert werden. Damit zählt Bremen wieder zu den wachstumsstärkeren Ländern und wird auch im Großstädtevergleich nur noch von München, Frankfurt am Main und Stuttgart übertroffen.


Für mich sind solche Indikatoren kein Grund zur Euphorie, aber ein Zeichen dafür, dass Bremen von der Wirtschaftsstruktur gesunder und auf dem Weg zurück zu einem historisch hohen Niveau ist. Von daher bestehen berechtigte Aussichten, zumindest wenn sich eine Lösung unserer finanziellen Altlasten darstellen lässt, in absehbarer Zeit auch wieder die Finanzkraft zu entwickeln, die nötig ist, um die Aufgaben des Landes Bremen eigenständig zu erfüllen.


Vielleicht müsste ich mir heute weniger kritische Fragen von Ihnen stellen lassen, wenn die bremische Strategie eine andere gewesen wäre.


Hätten wir in Bremen die Sonderbundesergänzungszuweisungen in gleicher Weise schuldentilgend verwendet, die eingesparten Zinsen aber nicht wirtschaftskraftstärkend reinvestiert, so könnte ich heute ceteris paribus einen Schuldenstand von rund neun Milliarden Euro verkünden. Das Ziel einer strukturellen Sanierung wäre immer noch verfehlt, aber der laufende Haushalt wäre aufgrund der geringeren Zinslasten weit weniger defizitär.


In der Logik des bestehenden Finanzausgleichssystems wäre diese Strategie für einen Finanzminister höchst rational, einige Kollegen gehen deshalb diesen Weg. Sparen wird aus Sicht des Bundeslandes unmittelbar belohnt, verbleiben doch die haushaltsentlastenden Effekte direkt im Landeshaushalt.


Die Folge dieser Strategie ist aber auch die dauerhafte Abhängigkeit von externer Unterstützung, weil sie mit einer aus meiner Sicht unverantwortlichen Schwächung der regionalen Wirtschaftsstruktur verbunden ist.
Ich meine, dass es einen bedeutenden Unterschied macht, ob ein Land schon vor Länderfinanzausgleich oder erst nach LFA ‚arm’ ist. Deshalb wollen wir in Bremen daran festhalten, durch wirtschaftskraftstärkende Maßnahmen aus eigener Kraft stark zu werden, selbst wenn der weitaus größte Teil der resultierenden Effekte durch Steuerzerlegung und –verteilung abfließt.


Wir wissen, dass wir damit an einer Strategie festhalten, bei der wir auf mittlere Sicht weiterhin externe Unterstützung brauchen werden. Wir können aber auch belegen, dass die Verwendung, der uns gewährten externen Hilfen eher einer für die Kapitalgeber rentablen Investition in der Region Bremen als einem verlorenen Zuschuss für einen überschuldeten Landeshaushalt entspricht.
Volkswirtschaftlich betrachtet erscheint mir der bremische Weg sinnvoll zu sein und insofern schäme ich mich auch nicht, wenn ich heute angesichts nicht zu beeinflussender externer Entwicklungen noch nicht die Erreichung aller Sanierungsziele vermelden kann.


Auch was den Mitteleinsatz angeht, müssen wir in Bremen kein schlechtes Gewissen haben. Bei einem so ambitionierten und komprimierten investiven Aufholprozess konnten wir nicht erwarten, mit allen Investitionsprojekten beste returns on investment zu erzielen. Zwar entwickelt sich im Prozess der politischen Kommunikation im Land ein schärferer Ton, wenn Investitionsaufgaben planmäßig hoch und konsumtive Ausgaben planmäßig zurückgefahren werden. Doch dies spricht nicht gegen die Strategie, sondern allenfalls dafür, den Mitteleinsatz in Zukunft noch kritischer zu überprüfen.


In der Vergangenheit ist dies bereits geschehen. So kann ich Ihnen auch berichten, dass Bremen zu jeder Zeit, auch im vergangenen Jahr, alle vom Gesetzgeber vorgegebenen Sanierungsauflagen vollständig erfüllt und insbesondere auch die Obergrenze für das Wachstum der Gesamtausgaben und der konsumtiven Ausgaben eingehalten hat. Das ist für mich eigentlich selbstverständlich und nur ein formaler Aspekt, den ich aber aus einem Grund dennoch kurz ansprechen möchte: Wir haben die Vorgaben des Finanzplanungsrates nicht als Freibrief zum Geldausgeben verstanden, sondern die für uns schon restriktiven Vorgaben angesichts der realen Haushaltssituation stets noch enger gefasst.


Wir hätten nach den Vorgaben unsere Ausgaben im Sanierungszeitraum 1994 bis 2004 um 26 % hochfahren dürfen. Uns ist es aber gelungen, die Ausgabensteigerung auf 9 % zu begrenzen und damit auch den durchschnittlichen Zuwachs in den Westländern und gemeinden deutlich zu unterschreiten.


Besonders im konsumtiven Bereich haben wir - notgedrungen - die Zeichen der Zeit eher erkannt und erkennen müssen, als andere Länder. Hier sind unsere Ausgaben nur um 5 % statt der zugestanden 22 % gestiegen.

Das alles zeigt, dass der Sanierungsprozess in Bremen zu keiner Zeit aus dem Ruder gelaufen ist und dass das bremische Ausgabenniveau verantwortungsvoll begrenzt wurde. Dieser Kurs wird auch in Zukunft konsequent fortgesetzt.


Unsere bremische Sanierungsbilanz weist, wie Sie sehen, viel Licht, gerade bei oberflächlicher Betrachtung aber auch Schatten auf. Mein Fazit ist dennoch eindeutig:


Bremen befindet sich weiterhin in einer extremen Haushaltsnotlage und ist nach wie vor nicht im Stande, diese allein aus eigener Kraft zu überwinden. Ohne weitere externe Hilfen wird sich die Zinslast Bremens weiter dramatisch steigern und alle Konsolidierungsanstrengungen der zurückliegenden Jahre zunichte machen.


Wir haben uns aber vor allem, gemessen an wesentlichen Kennziffern wie der Zins-Steuer-Quote und dem Schuldenstand, der Ländergesamtheit erkennbar angenähert, unseren Haushalt klar umstrukturiert und unsere wirtschaftliche Basis wesentlich gestärkt.


Wir werden unsere Eigenanstrengungen nochmals intensivieren, um das Erreichte zu sichern und nachhaltig weiterzuentwickeln. Ich bitte den Bund und die übrigen Länder, Bremen bei diesen Bemühungen zu unterstützen, da sich abzeichnet, dass wir uns mit finanzwirtschaftlichen Problemen auseinander zusetzen haben, die in unterschiedlichem Maße auf alle Länder und auch den Bund ‚zurollen’."

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Nachtrag:
Der Finanzplanungsrat hat in seiner heutigen Sitzung (30.06.2005) ausdrücklich bestätigt, dass Bremen alle Auflagen und Verabredungen erfüllt hat.