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Der Senator für Kinder und Bildung | Sonstige

Erzieherberuf: Hohe Motivation – schwierige Bedingungen

Arbeitnehmerkammer und Senatorin für Kinder und Bildung legen Studie vor

01.09.2025

Gemeinsame Pressemitteilung mit der Arbeitnehmerkammer Bremen

Erzieherinnen und Erzieher starten hoch motiviert ins Berufsleben – doch viele verlassen Arbeitsfeld oder -ort frühzeitig: Nur gut ein Drittel der Fachkräfte im Land Bremen bleibt auch zehn Jahre nach Berufseinstieg in der Kindertagesbetreuung in Bremen tätig. Im Auftrag der Senatorin für Kinder und Bildung sowie der Arbeitnehmerkammer Bremen hat das Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) in einer Studie die Gründe dafür untersucht. Während einer Pressekonferenz am heutigen Montag (1. September 2025) wurden die Ergebnisse unter dem Titel "Motivlagen beruflicher Entscheidungen von Erzieher*innen" vorgestellt.

Darin wird deutlich: Die schwierigen Arbeitsbedingungen, ein belastendes Arbeitsklima und Konflikte im Team sowie Vereinbarkeitsprobleme, aber auch die Motivation zu beruflicher Weiterentwicklung führen häufig zu Stundenreduzierung oder dem Weggang aus dem Beruf.

Bremens Kinder- und Bildungssenatorin Sascha Aulepp betont: "Im Interesse unserer Kinder, aber auch der Kolleginnen und Kollegen in unseren Kitas müssen wir Fachkräfte gewinnen, aber wir müssen sie auch halten. Die Zahl der Fachkräfte in Bremer Kitas ist zwar in den vergangenen fünf Jahren um zehn Prozent gewachsen. Aktuell absolvieren weitere 1.950 Personen in Bremen eine sozialpädagogische Aus- oder Weiterbildung. Trotzdem besuchen viele Kinder noch keine Kita und nach wie vor sind sozialpädagogische Fachkräfte in vielen Bereichen gesucht. Die Handlungsempfehlungen der Verbleibstudie stellen für uns eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung weiterer Maßnahmen zur Sicherung von sozialpädagogischen Fachkräften in Bremen dar."

Peer Rosenthal, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen: "Wir brauchen jede Fachkraft in den Krippen und Kitas, um die Betreuungssituation zu verbessern. Deshalb müssen wir die Ausbildung und auch die Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten. Wir freuen uns, dass die Senatorin die Situation in den Kitas ernst nimmt und die Empfehlungen aufgreift."
Ein wichtiger Aspekt ist die von den angehenden und den in Kita beschäftigten Erzieherinnen und Erziehern kritisierte Bezahlung, auch wenn es den Gewerkschaften gelungen ist, neben der Erhöhung von Urlaubs- und Freizeittagen erhebliche Gehaltserhöhungen und eine verbesserte Eingruppierung zu erkämpfen und die Erzieherinnen- und Erzieherweiterbildung in Bremen durchgehend gefördert wird. Dieser Weg der Aufwertung sollte weiter beschritten werden.

Die Studie zeigt, dass schon während der Ausbildung Probleme auftauchen: Während die Inhalte überwiegend positiv bewertet werden, sehen die angehenden Fachkräfte vor allem beim Einkommen während der Ausbildung erheblichen Verbesserungsbedarf. Zudem bemängeln sie Defizite in der Verzahnung von Theorie und Praxis sowie bei der Konfliktbearbeitung in den Einrichtungen. Von den bereits ausgebildeten Fachkräften wird vor allem die hohe Arbeitsbelastung kritisiert, unter der die Betreuungsqualität leidet.

Derzeit arbeiten rund 58 Prozent der Kita-Beschäftigten in Teilzeit – meist mit 30 bis 35 Stunden pro Woche. Rund 40 Prozent von ihnen wären bereit, ihre Arbeitszeit zu erhöhen, wenn sich diese Rahmenbedingungen verbessern würden. "Vollzeitkräfte beklagen insbesondere mangelnde politische Wertschätzung, fehlende Vertretungsregelungen, unzureichenden Gesundheitsschutz, die Verteilung der Kinder mit Förderbedarf und die Gruppengröße", erläutert Studienautor René Böhme vom iaw.

Auffällig ist zudem: Rund ein Drittel der Beschäftigten plant eine Stundenreduzierung oder sogar einen Wechsel – vor allem Jüngere, Männer sowie Beschäftigte mit geringer Arbeitszufriedenheit oder schlechtem Gesundheitszustand.

Im Arbeitsalltag können laut Studie beispielsweise bessere Vertretungsreserven sowie ein Ausbau multiprofessioneller Teams dazu beitragen, die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Wichtig sei dabei, dass in den Teams pädagogische, therapeutische und unterstützende Kompetenzen zusammenkommen. Zugleich brauche es feste, geschützte Zeiten für Vor- und Nachbereitung sowie für kollegiale Beratung. So könne die pädagogische Qualität gesichert, das Arbeitsklima verbessert und Selbstwirksamkeit gestärkt werden.

Das unterstützt auch die Senatorin: "Angesichts der Lebenssituation unserer Kinder brauchen wir für jedes Kind frühkindliche Förderung in unseren Einrichtungen, kein Kind darf außen vor bleiben. Und wir brauchen perspektivisch für die gezielte Förderung der Kinder mehr Qualität, besonders in den Einrichtungen in den Quartieren, in denen die Herausforderungen für die Kinder und ihre Familien besonders hoch sind", so Senatorin Aulepp.

Ein weiterer Punkt der Studie betrifft den Wunsch nach einer intensiveren Praxisbegleitung. Längere, strukturierte Praxisphasen, verbindliche und gut qualifizierte Ansprechpersonen in den Einrichtungen und eine realistische Vorbereitung auf die Arbeitsbedingungen sollen sicherstellen, dass angehende Fachkräfte gut in den Beruf starten. Zudem können flexiblere Ausbildungswege – etwa modulare Qualifizierungen, Teilzeitausbildung oder Programme für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger – neue Zielgruppen erschließen.

Die sozialpädagogische Aus- und Weiterbildung hat die Senatorin für Kinder und Bildung in den vergangenen Jahren breiter aufgestellt und bietet aktuell Vollzeit-, Teilzeit- sowie berufsbegleitende Formate an. Diese werden durch Einstiegsmaßnahmen für gering vorqualifizierte Personen sowie durch Quereinstiegsoptionen für einschlägig sowohl im Inland wie auch im Ausland vorqualifizierte Personen ergänzt.

Finanzielle Absicherung
Bei allen Weiterbildungsformaten ist eine finanzielle Unterstützung sichergestellt, etwa über das Aufstiegs-BAföG, das sich auf mindestens 1.000 Euro pro Monat beläuft, durch die Übernahme der Schul- und Gehaltskosten durch die Senatorin für Kinder und Bildung oder über Fördermaßnahmen der Agentur für Arbeit beziehungsweise des Jobcenters. Darüber hinaus wurde die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen in Sozialberufen beschleunigt.

Der Praxiseinstieg von Auszubildenden muss jedoch zwingend gut begleitet werden. "Um zu vermeiden, dass angehende Erzieherinnen und Erzieher aufgrund von Konflikten die Ausbildung abbrechen und so für den Beruf verloren gehen, schlagen wir vor, auch hier – wie es bereits für die Pflegeausbildung erfolgt ist – Ausbildungs-Coaches nach dem Vorbild von "Bleib dran" zu etablieren", fordert Kammer-Geschäftsführer Peer Rosenthal. Ohne gut ausgebildete Fachkräfte ist die angespannte Situation in den Krippen und Kitas nicht aufzulösen.

Zum Schuljahr 2026/27 plant die Senatorin für Kinder und Bildung, die fachschulische Erzieherinnen- und Erzieher-Weiterbildung (Integrierte Regelausbildung (InRa) vollends praxisorientiert aufzustellen. Das Berufspraktikum ("Anerkennungsjahr") wird vollständig in die fachschulische Weiterbildung integriert, so dass die Fachschülerinnen und -schüler vom ersten Tag an ihre Praxiserfahrungen in den Einrichtungen erwerben. "Mit der Umstellung auf die Integrierte Regelausbildung (InRa) wollen wir die Theorie-Praxis-Verzahnung weiter verbessern und die Erzieher*innen-Weiterbildung noch attraktiver gestalten", betont Senatorin Aulepp.

Hochwertige Anleitung ist außerdem entscheidend für den Erfolg der Ausbildung und hilft, Abbrüche zu vermeiden: Die Fortbildungen für Praxisanleitungen werden deshalb neu und passgenau gestaltet, um Fachkräfte und Quereinsteiger besser zu unterstützen.

Modellprojekt
Die Studie hat gezeigt, dass die Arbeitsbelastungen in den Kitas nicht überall gleich hoch sind. Vor allem in den Gruppen mit einem hohen Anteil an Kindern mit sozialen Benachteiligungen und Förderbedarf ist der Druck groß. Hier regt die Arbeitnehmerkammer an, ein Modellprojekt mit kleineren Gruppengrößen zu starten. "Wir müssen die Kitas in den Blick nehmen, die besondere Herausforderungen haben. Wenn wir hier modellhaft zeigen können, wie gute Arbeit in der Kita aussehen kann, ließe sich daraus etwas auf die anderen Kitas übertragen", betont Rosenthal.

Die Senatorin für Kinder und Bildung arbeitet derzeit zusammen mit der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration an der Umsetzung des Modellvorhabens "Systemische Kita-Begleitung", welches im Kita-Jahr 2025/26 starten soll. Durch den Einsatz der Systemischen Kita-Begleitungen sollen Kinder im Sinne der Inklusion eine schnelle, gezielte und niedrigschwellige Unterstützung erhalten, sodass sie am regulären Kita-Alltag teilhaben können. Dies kann auch zur Entlastung der Fachkräfte in den Kitas beitragen.

Zusätzlich schlägt die Arbeitnehmerkammer vor, bessere Vertretungsreserven vorzuhalten – etwa über einen übergeordneten Springerpool für kleinere Einrichtungen im Ü3-Bereich. "Große Träger setzen bereits Springerpools ein, um im Krankheitsfall eine Vertretung zu organisieren. Für kleine Kitas ist das kaum machbar, hier könnte ein übergeordneter Springerpool helfen", fordert Rosenthal.

Hierzu Senatorin Aulepp: "Die Vertretungsmöglichkeiten, die die Stadtteilschule für unsere Schulen bietet, können Denkanstoß für eine ähnliche Lösung auch im Kita-Bereich sein."

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