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Senatskanzlei

Historische Urkunde von Zar Nicolaus I. für Michail S. Gorbatschow

02.03.2006

Gastgeschenk für den russischen Präsidenten

Am 26. Februar 1827 unterzeichnet Zar Nicolaus I. im fernen St. Petersburg einen Brief, der an den Senat der Freien Hansestadt Bremen gerichtet ist. Das Original liegt seither gut verwahrt im Bremer Staatsarchiv. Am kommenden Sonntag wird jedoch ein Faksimile dieser historischen Urkunde in russische Händen gehen: Es ist das Gastgeschenk für Michail Sergejewitsch Gorbatschow, der zur Feier seines 75. Geburtstages nach Bremen kommt. Bürgermeister Jens Böhrnsen wird das eindrucksvolle, schön gerahmte Dokument überreichen, wenn der ehemalige sowjetische Präsident sich im Rathaus in das Goldene Buch einträgt. Mit dem Schreiben hatte einst der Zar die Akkreditierung des russischen Minister-Residenten Heinrich von Struve bei der Freien Hansestadt Bremen beglaubigt. Es belegt den hohen Rang der diplomatischen Beziehungen zwischen Bremen und Russland, die um 1830 besonders eng waren. Kein Wunder, denn nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft war Russland ein Garant der europäischen Staatenordnung. Und diese sicherte immerhin Bremen ein Existenzrecht als Freie Stadt im Deutschen Bund.


„Wir halten uns überzeugt, dass der Senat der Stadt Bremen, seiner Ergebenheit zu uns gemäß, diese Ernennung mit Vergnügen aufnehmen, und nicht ermangeln wird, benanntem unserem Minister Residenten vollkommenen Glauben in allem beizumessen, was er in unserem Namen vorzustellen hat, und ihn nach Erforderniß der Sache mit geneigten Antworten zu versehen“. Mit solch galanten Worten hat Nikolaus der Erste „Kaiser und Selbstherrscher von Gottes Gnaden“ seinen Botschafter – ganz im Stil der damaligen Umgangsformen - nach Bremen geschickt. Die Freie Hansestadt Bremen unterhielt seinerzeit als Teilstaat des Deutschen Bundes internationale Beziehungen zu zahlreichen fremden Staaten und Souveränen. Man tauschte diplomatisches Personal aus. Bremen agierte dabei häufig gemeinsam mit den Hansestädten Hamburg und Lübeck – so auch bei dem Staatsrat Heinrich von Struve.


Reger Handel zwischen Bremen und Russland

Bremens Beziehungen zu Russland reichen zurück bis ins Mittelalter und waren vor allem vom Hansehandel über die Ostsee bestimmt. Zurückverfolgen lassen sie sich bis ins Jahr 1229. Einer hansischen Gesandtschaft gelingt im Jahre 1603, dass ihnen die Nutzung des Weißmeerhafens Archangelsk zugestanden wird. Und alsbald beginnt ein reger Austausch zwischen Bremen und Archangelsk, der zeitweise auch Moskau erreicht.(In der Nachbarschaft von Archangelsk befindet sich heutzutage der russische Weltraumbahnhof Plesetzk. Über die Flughafen-Drehscheibe Archangelsk werden die Satelliten dorthin transportiert und von dort in den Weltraum geschossen. An diesen Aktivitäten haben die Bremer Firmen Eurockot (das einzige deutsch-russische Joint-Venture in der Raumfahrt) und OHB Systems maßgeblichen Anteil).


Die Bremer Kaufleute der Hansezeit bringen über Archangelsk Kaffee, Wein, Zucker und Tuche nach Russland und führen u.a. Getreide, Leder, Flachs als Transitgut nach Westeuropa zurück. In Bremen werden vor allem moskowiter Roggen, Leder und Felle gehandelt. Der Dreißigjährige Krieg und der Nordische Krieg lassen diesen Direkthandel zusammenbrechen. Und der erste ständige diplomatische Vertreter Russlands in der Region Bremen wird 1709 als Resident beim Niedersächsischen Reichskreis akkreditiert. Mit der Gründung von St. Petersburg nimmt der Ostseehandel kräftigen Aufschwung, an dem auch Bremen teilhat.


Bremen wird in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts wichtigster europäischer Umschlagsplatz für russische Leinsaat und Hanföl. 1788 kommt auch erstmals russischer Tabak auf den deutschen Markt. 1763 richten die Hansestädte ein Konsulat in St. Petersburg ein, das ab 1767 auch Bremen vertritt.


Peter der Große ist übrigens nur einmal in der Freien Hansestadt Bremen gewesen – allerdings ganz kurz. Während seiner Hollandreise 1716 hat er die Stadt ursprünglich nur passieren wollen, wird aber vom Rat zu einer Übernachtung in Bremen umgestimmt. Für die Bremer ist dies ein spektakuläres Ereignis – wenngleich der Zar an dem ihm zu Ehren im Rathaus veranstalteten Festbankett gar nicht teilnimmt und am nächsten Morgen schon um 4.00 Uhr weiterreist.


In den napoleonischen Kriegen befreien 1813 russische Truppen unter General von Tettenborn Bremen und stellen die Souveränität des Rats wieder her. Tettenborn wird von Bremen aus Dankbarkeit zum Ehrenbürger ernannt. Und auch in den diplomatischen Verhandlungen bis zum Wiener Kongress trägt das russische Zarenreich nicht unwesentlich zum Erhalt der Bremer Selbständigkeit bei.


Nach der napoleonischen Zeit nimmt der Handel zwischen Russland und Bremen kräftigen Aufschwung. Im Jahr 1830 übertrifft er sogar noch den Austausch mit England. Und in eben diese Zeit fällt die Übergabe des diplomatischen Dokuments, das Michail Gorbatschow im Jahre 2006 in Erinnerung an diese Beziehungen zwischen Russland und Bremen überreicht wird