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Sonstige

Bremer Raumfähren versorgen Internationale Raumstation ISS

Einladung zum „Bremer Tagebuch“ im Haus der Wissenschaft zum Vortrag von Dr.-Ing. Michael Menking

09.02.2012
Dr.-Ing. Michael Menking
Dr.-Ing. Michael Menking

Am Mittwoch, dem 15.Februar 2012, 20 Uhr, setzt die bekannte Film- und Vortragsreihe „Bremer Tagebuch“ ihr Winterprogramm 2011/2012 im Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5 in Bremen fort. Eingeladen ist Dr.-Ing. Michael Menking, Direktor für bemannte Raumfahrt und Weltraumerforschung und Standortleiter von Astrium Bremen. Als Experte für Raumfahrt ist Diplom-Ingenieur Menking an der Entwicklung des europäischen Weltraumlabors Columbus ebenso maßgeblich beteiligt wie an der Entwicklung des europäischen Raumschiffs ATV. Im Rahmen seines Vortrags ist Dr. Menking gerne bereit, Fragen zur Internationalen Raumstation ISS, ihrer Bedeutung für Wissenschaft und Forschung, ihrer Versorgung durch das ATV usw. zu beantworten.

In Zusammenarbeit mit der Astrium GmbH Bremen (www.eads.astrium.net), der Wittheit zu Bremen (www.wittheit.de) und der Bremer Kieserling Stiftung (www.kieserling-stiftung.de) veranstaltet das „Bremer Tagebuch“ erstmals einen spannenden Film- und Vortragsabend über Bremer Raumfähren, die heute die internationale Raumstation ISS versorgen, aber vielleicht noch eine große Zukunft vor sich haben.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, insbesondere junge Leute aus den Bremer Schulen, Hochschulen und Universitäten, die sich für bemannte Raumfahrt interessieren. Das Programm dauert ca. 90 Minuten Der Eintritt ist frei.

Der europäische Raumtransporter ATV wird mit Hilfe von ca. 30 Zulieferern aus Europa sowie weiteren aus Russland und den USA bei Astrium in Bremen gebaut und dieses Raumfahrtunternehmen sorgt dafür, dass alle Komponenten und Subsysteme termingerecht und qualitativ einwandfrei eingebaut werden und funktionieren.

Astrium ist Hauptauftragnehmer der ESA für den unbemannten europäischen Raumtransporter ATV, der seit 1998 in Bremen entwickelt wurde. Im März 2008 ist das erste ATV, „Jules Verne“, erfolgreich zur ISS geflogen. Auch das zweite ATV, „Johannes Kepler“, hat in 2011 die ISS versorgt und zurzeit laufen die Vorbereitungen für den Start des dritten ATV mit dem Namen Edoardo Amaldi am 9.März 2012.

ATV Johannes Kepler beim automatischen Andocken an ISS          © NASA 2011
ATV Johannes Kepler beim automatischen Andocken an ISS © NASA 2011

Bis 2014 werden bei Astrium in Bremen noch zwei weitere ATV-Raumtransporter gebaut und mit einer Ariane 5 ES Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou (Französisch–Guayana) in eine Umlaufbahn um die Erde geschickt.

Die Ariane 5 ist eine zweistufige Trägerrakete, die aus einer Hauptstufe mit zwei Boostern und einer Oberstufe besteht, wobei die Oberstufe immer die Nutzlast ins Weltall bringt. Etwa acht Minuten nach dem Start wird die ausgebrannte Hauptstufe der Rakete abgesprengt und die Oberstufe gezündet. Nach einer ballistischen Flugphase von ca. 45 Minuten zündet die Oberstufe ein zweites Mal und setzt das ATV nach weiteren 15 Minuten in einer Erdumlaufbahn in Höhe von 260 Kilometern ab.

Die vier Sonnensegel mit einer Spannweite von 22 Metern werden ausgefahren, die Triebwerke gezündet, alle Bordsysteme geschaltet. Die Solarkollektoren liefern Strom bis zu 4800 Watt und sichern die Energieversorgung während der gesamten Mission.

Das Antriebssystem des ATV setzt sich aus vier Haupttriebwerken mit je 490 Newton Schub und 28 Steuerdüsen mit je 220 Newton Schub zusammen. Die Flugsteuerung wird von der ATV-Software, die auf in Bremen entwickelten, fehlertoleranten Computern installiert ist, übernommen. In acht Treibstofftanks kann das ATV bis zu sieben Tonnen Treibstoff an Bord nehmen.

Mit eigenem Navigationssystem, das GPS-gestützt ist, fliegt das ATV zur ISS. In einer Entfernung von 250 Metern wird das Navigationssystem auf optische Relativnavigation umgeschaltet und das ATV navigiert nun mit optischen Sensoren.

Nach Freigabe durch die Bodenstationen nähert sich das ATV der ISS bis auf zwölf Meter und steuert mit einer relativen Geschwindigkeit von höchstens zehn Zentimetern pro Sekunde den Docking-Adapter der ISS an, während das ATV und die ISS mit einer Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde die Erde umkreisen.

Die Andocksonde des ATV hat einen Durchmesser von 15 Zentimetern und muss einen Trichter mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern am russischen Swesda-Modul der ISS erreichen, um vollautomatisch andocken zu können.

ATV Johannes Kepler angedockt an ISS                      Foto © NASA 2011 (Spaceflight Discovery)
ATV Johannes Kepler angedockt an ISS Foto © NASA 2011 (Spaceflight Discovery)

Danach werden alle elektrischen und mechanischen Anschlüsse und Flüssigkeitsleitungen zwischen ISS und ATV automatisch verbunden. Durch eine Ladeluke mit einem Durchmesser von einem Meter wird das ATV von Astronauten entladen.

Zur Fracht des ATV Johannes Kepler gehörten zum Beispiel Treibstoff für die ISS, Wissenschaftliche Experimente (Geoflow II), Ersatzteile, Atemluft, Wasser, Stickstoff, Lebensmittel, Kleidung, Post, Mitbringsel für die jeweils sechs Astronauten der ISS.

„So etwas wie das europäische ATV aus Bremen hat derzeit keine andere Raumfahrtnation zu bieten“; sagt Dr. Menking und weist darauf hin, dass nur das ATV autonom und voll automatisch andocken kann.

Nach Ausmustern der amerikanischen Space Shuttle Flotte im Jahre 2011 haben die Russen mit ihren Sojus-Kapseln den Transfer der Astronauten zur und von der ISS übernommen, während die Europäer, Japaner und Russen mit ihren Raumtransportern die Versorgung der ISS sicherstellen. Das ist eine logistische und technologische Meisterleistung, die vom ATV Kontrollzentrum in Toulouse in Kooperation mit den ISS- Kontrollzentren Houston/Texas und Moskau koordiniert und überwacht wird.

„Bremen ist das Zentrum für bemannte Raumfahrt in Europa. Diese Entwicklung hat der Bremer Senat schon frühzeitig durch entsprechende Infrastrukturmaßnahmen unterstützt und dazu beigetragen, dass Astrium in Bremen in der Raumfahrt seit fünf Jahrzehnten weltweit einen hervorragenden Ruf hat.“, sagt Dr. Menking.

Astrium ist eine Tochtergesellschaft der EADS und spezialisiert auf zivile und militärische Raumfahrtsysteme. Das internationale Unternehmen beschäftigt rund 17000 hoch motivierte Mitarbeiter in Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien und den Niederlanden und hat in 2010 einen Umsatz von 5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das Kerngeschäft gliedert sich in die Bereiche Astrium Space Transportation, Astrium Satellites und Astrium Services. Astrium ist weltweit Marktführer im kommerziellen Satellitentransport und führend in der europäischen Raumfahrtindustrie.

Deshalb hat die ESA mit Astrium ein Rahmenabkommen für den Betrieb und die Nutzung der europäischen Anteile an der Internationalen Raumstation ISS für die geplante Flugzeit bis 2020 unterzeichnet, d. h. Astrium ist verantwortlich für Missionskontrolle des Columbuslabors, Astronauten-Training, Weiterentwicklung der Experimente, Wartung und Logistik, Bodenstationen, Datentransfer etc. Immerhin beträgt das Auftragsvolumen 240 Millionen Euro für die Jahre 2011/2012.

Damit die ISS nicht in der Erdatmosphäre verglüht, wird sie immer wieder von den Raumtransportern ATV und Progress in sog. Re-boost-Manövern auf die vorgesehene Erdumlaufbahn gebracht. Jedes ATV führt genügend Treibstoff mit, um die Raumstation bis zu 30 Kilometer anzuheben. Bei Bedarf wird das ATV auch für Ausweichmanöver eingesetzt, wenn die ISS gefährdet ist.

Das ATV kann bis zu sechs Monaten an die ISS angedockt werden, ist dann ein Modul der ISS und wird von den Astronauten benutzt. Da das ATV keine dauernd eingeschaltete Innenbeleuchtung und keine Klimaanlage besitzt, ist es dort relativ leise und wird zum Beispiel von Astronauten zum Schlafen genutzt.

Die Mission des ATV Johannes Kepler war besonders ereignisreich, weil die ISS in der Andockphase des ATV von den beiden US-amerikanischen Raumfähren Discovery und Endeavour, einem unbemannten japanischer HTV-Versorger, einem unbemannten russischem Progress-Transporter und zwei bemannten Sojus-Raumfähren besucht wurde.

Am 20.Juni 2011 wurde das ATV Johannes Kepler mit 1200 Kg Abfall an Bord von der ISS abgedockt und verglühte am 21. Juni beim Wiedereintritt in die Atmosphäre über dem Südpazifik.

Ein „Reentry Breakup Recorder“ (Black Box) hat erstmals Positions- und Flugdaten, Temperatur- und Druckmesswerte über die letzte Flugphase gesammelt und diese Daten automatisch via Satellit in 18 Kilometer Höhe zur Kontrollstation gesendet.

ATV Johannes Kepler angedockt                       Foto: NASA 2011 (Spaceflight Discovery)
ATV Johannes Kepler angedockt Foto: NASA 2011 (Spaceflight Discovery)

Normalerweise umkreist die ISS die Erde auf einer Umlaufbahn in Höhe von 400 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 28000 Kilometern pro Stunde. Da es in dieser Höhe aber noch Restatmosphäre gibt, wird die ISS abgebremst und verliert eine Höhe von durchschnittlich 100 Meter pro Tag.

Programmfolge:
Musikalische Begleitung
Marina Kondraschewa und Sebastian Chica Villa, Bremen

Raumfahrt im „Bremer Tagebuch“
Begrüßung und Einführung von Heiko Gertzen, Bremen

Bremer Raumfähren versorgen die Internationale Raumstation ISS
Vortrag von Dr.-Ing. Michael Menking, Bremen

Weitere Informationen erteilt Heiko Gertzen, ehrenamtlicher Projektleiter „Bremer Tagebuch“, Telefon: 0172-5439941.