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Der russische Soziologe Victor Zaslavsky ist Hannah-Arendt-Preisträger für politisches Denken 2008

21.08.2008

Preisübergabe im Dezember im Bremer Rathaus

Sein 2007 in deutscher Erstausgabe erschienenes Werk „Das Massaker von Katyn“ hat die Jury überzeugt: Sie wählte jetzt den russischen Soziologen und Schriftsteller Victor Zaslavsky zum Hannah-Arendt-Preisträger für politisches Denken 2008. „Zaslavskys schockierende Analyse des Massenmordes der sowjetischen Partei- und Staatsführung an tausenden polnischen Offizieren und Zivilisten im Jahre 1940 ist ein wichtiger Beitrag zum Verstehen der europäischen Geschichte. Zaslavsky richtet den Blick auf eines der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Zweiten Weltkrieges und dessen jahrzehntelange Verschleierung durch die sowjetische Staatsführung. Die Jury würdigte insbesondere den Mut Zaslavskys, gegen das Schweigen anzugehen“, begründet Professorin Dr. Antonia Grunenberg, Vorstand des Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken e.V., die Entscheidung der Jury. Der mit 7.500 Euro dotierte Preis, der von der Stadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung gestiftet worden ist, wird Victor Zaslavsky am 5. Dezember 2008 um 18 Uhr in der Oberen Rathaushalle des Bremer Rathauses im Rahmen einer Festveranstaltung überreicht.


Über das Buch
Beim Massaker im Wald bei Katyn (Russland) wurden 1940 mehr als 25.700 Polen, überwiegend Offiziere und Intellektuelle, vom sowjetischen Geheimdienst NKWD per Genickschuss ermordet. Der Klassenmord fand zur Zeit des Hitler-


Stalin-Paktes statt: Nachdem deutsche Einheiten das Verbrechen 1943 aufgedeckt hatten, wurde es von Hitlers Propaganda zunächst für den Krieg gegen Russland instrumentalisiert. Die sowjetische Führung unter Stalin wies das Verbrechen aber von sich und lastete es der deutschen Wehrmacht an.


Der Exilrusse Victor Zaslavsky wertet neue Quellenfunde aus ehemals sowjetischen Archiven aus. In seinem Werk „Klassensäuberung - Das Massaker von Katyn“ zeigt er, wie der Westen die sowjetische Lüge gedeckt hat: Um die stalinistischen Morde der Wehrmacht in die Schuhe zu schieben, unternahm die stalinistische Propaganda ein gigantisches, in der Geschichte beispielloses Fälschungs- und Täuschungsmanöver. Die westlichen Alliierten entschieden sich für die diplomatische Taktik des Schweigens, was für Polen bis heute unverständlich ist. „Bei den Morden von Katyn handelte es sich offensichtlich um eine Klassensäuberung, die auf die Vernichtung der polnischen Elite zielte“, so Antonia Grunenberg. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges habe Moskau offiziell eingeräumt, dass die Morde von Katyn auf das Konto der Sowjets gegangen waren.


Unter Putin überwog wieder die Tendenz, vom offenen Umgang mit den historischen Fakten abzurücken und alles zu verschweigen, was einer neuerlichen Glorifizierung der sowjetischen Geschichte im Wege stehen könnte. „Noch Jahrzehnte nach den Massenmorden gibt es fast keine öffentliche Debatte über die Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Hitler-Stalin-Pakt. Das Schweigen lastet bis heute auf dem Verhältnis der Polen zu Europa und deren ohnehin schwierigen Beziehungen zu Russland“.


Über den Autor
Victor Zaslavsky wurde 1937 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, geboren. Zehn Jahre arbeitete er als Ingenieur und lehrte anschließend Soziologie an der Universität Leningrad. Nachdem er 1975 emigrierte, lehrte er an der University of California, der Stanford University sowie an den Universitäten von Florenz, Venedig, Bergamo und Neapel. Zurzeit ist er Professor für Politische Soziologie an der Free International University for Social Sciences, Luis Guido Carli, in Rom.


Weitere Informationen:
Bildungswerk Umwelt und Kultur in der Heinrich-Böll-Stiftung
Peter Rüdel, T: 0421 35 23 68, ruedel.boell@arcor.de
www.boell-bremen.deExternes Angebot