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Der Senator für Finanzen

Stellungnahmen klaffen weit auseinander

09.08.2007

Vorläufige Einschätzung zu den Stellungnahmen der Bundesregierung und des Saarlandes im Bremer Klageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (2 BvF 1/06)

Unterschiedlicher kann es kaum sein: Die Stellungnahmen der Bundesregierung und des Saarlandes zur Bremer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht klaffen weit auseinander. Während der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung, Prof. Dr. Waldhoff meint, im Falle Bremens liege keine Haushaltsnotlage vor, hält der Prozessbevollmächtigte des Saarlands, Prof. Dr. Wendt, solidarische Hilfe für Bremen für unabweisbar. „Wir sind weiter fest davon überzeugt, mit guten Argumenten bei den Karlsruher Richtern punkten zu können,“ erklärt Henning Lühr, Staatsrat für Finanzen, in einer ersten Stellungnahme. „Wir stellen uns gern der Diskussion und haben nichts zu verbergen. Bei einer fairen Betrachtung wird deutlich, dass Bremen erhebliche Eigenanstrengungen zur Haushaltskonsolidierung unternimmt, sich aber ohne Hilfe der Länder und des Bundes nicht aus der Haushaltsnotlage befreien kann.“


Der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung, Prof. Dr. Waldhoff, kommt in seinem Schriftsatz vom 26. Juli 2007 zu dem Ergebnis, dass der ohnehin unzulässige Antrag Bremens den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab verfehlt habe und es deshalb keinen Anspruch Bremens auf weitere Sanierungshilfen gebe. Er versucht das Fehlen einer „relativen“ und „absoluten“ Haushaltsnotlage in Bremen anhand einschlägiger Kennzahlenbetrachtungen zu begründen. Neben datenkritischen Bemerkungen stellt er nicht nur einen Ländervergleich an, sondern bezieht als ein weiteres Vergleichsmoment ausgewählte Kennzahlen zum Bundeshaushalt heran und zieht daraus den Schluss, das für das Vorliegen einer „relativen“ Haushaltsnotlage erforderliche Maß an negativen Abweichungen werde von Bremen nicht erreicht. Die Heranziehung des Stadtstaates Hamburg ändert nach Meinung von Prof. Dr. Waldhoff an dieser Feststellung nichts; ganz im Gegenteil zeigten sich dabei z.T. besonders hohe Konsolidierungspotentiale in Bremen. Der Prozessbevollmächtigte vermisst im Übrigen in den Bremer Schriftsätzen substantiierte Darlegungen zum „absoluten“ Element einer Haushaltsnotlage im Sinne einer Existenzgefährdung Bremens und zu den erforderlichen Eigenanstrengungen, die einem Land, das Nothilfen beanspruche, abzuverlangen seien.


„Starker Tobak, den man so nicht unkommentiert stehen lassen kann,“ erklärt Henning Lühr. An einigen Beispielen erläutert der Staatsrat, warum der Waldhoff’sche Schriftsatz aus Bremer Sicht eine Menge Kritikpunkte aufweist. Angeblich bestehen laut Prof. Dr. Waldhoff relevante Möglichkeiten zur Steigerung der Einnahmen – wie etwa eine Erhöhung des Hebesatzes bei der Gewerbesteuer sowie der Verwaltungs- und Nutzungsgebühren, die bisher ungenutzt geblieben seien. Lühr: „Man kann aber Gebühren und Steuern nicht beliebig hochschrauben. Sonst wandert die Wirtschaft ab und die soziale Spaltung wird immer größer. Das wollen wir nicht. Es gibt Grenzen des zumutbaren. Wir können die Augen vor den sozialen Herausforderungen in Bremen und Bremerhaven nicht verschließen.“


Die Behauptung des Prozessbevollmächtigten der Bundesregierung, Bremen befinde sich nicht in einer „absoluten“ Haushaltsnotlage, vermag nicht zu überzeugen. Angesichts der strukturellen Sonderlasten in Bremen etwa auf Grund der stark überproportionalen Sozialausgaben auch im Vergleich zu Hamburg sind weitere Konsolidierungsschritte – wenn überhaupt - allenfalls in vernachlässigbaren Größenordnungen möglich, um die notwendige Aufgabenerfüllung im Zwei-Städte-Staat Bremen nicht zu gefährden.


Prof. Dr. Waldhoff plädiert für weitere Verkäufe. Henning Lühr lehnt dies – wie die bisherige Praxis auch zeigt - nicht grundsätzlich ab, fordert aber eine genaue Betrachtung aller Vor- und Nachteile: „Sie müssen politisch verantwortbar sein und sich rechnen. Am Beispiel der gern genannten Gewoba wird deutlich, dass ein Verkauf auch aus wirtschaftlichen Gründen Unsinn wäre. Die Vorteile aus der Senkung der Nettokreditaufnahme wären geringer als die Summe der jährlichen Gewinne. Ein Verkauf wäre ein schlechtes Geschäft. Es rechnet sich unterm Strich nicht.“


Die Stellungnahme des Saarlandes vom 11. Juli 2007 – verfasst vom Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. Wendt – zeigt, dass auswärtige Betrachter auch zu ganz anderen Schlussfolgerungen kommen können. Für Prof. Dr. Wendt steht fest, dass für Bremen ein Anspruch auf die Gewährung von Sanierungshilfen besteht. Unter Bezugnahme auf die im sog. Berlin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2006 verwendeten Daten kommt Prof. Dr. Wendt zu der Auffassung, dass sich Bremen in einer „relativen“ Haushaltsnotlage befinde; die wichtigsten Quoten wiesen eine überaus starke Belastung der Bremischen Haushalte auf. Zutreffend weist er im Rahmen der Betrachtung der Primärausgaben (Ausgaben abzüglich Zinsen) darauf hin, dass eine (fast) beliebige Kürzung dieser Ausgaben wegen der durch Bundesgesetze vorbestimmten Belastungen, die in den Ländern unterschiedlich ausfielen, unseriös sei. Denn überdurchschnittlich hohe Primärausgaben könnten ein Indiz für strukturell vorgegebene Sonderbelastungen sein. Ferner sieht der Prozessbevollmächtigte in den Haushalten Bremens keine entscheidenden Einsparungspotentiale mehr; eine solidargemeinschaftliche Hilfe für Bremen sei unabweisbar. Im Übrigen legt Prof. Dr. Wendt erneut Wert auf die Feststellung, dass auch die Haushaltsnotlage in Bremen nicht hausgemacht sei, sondern an den strukturellen Schieflagen in der bundesstaatlichen Finanzordnung liege, die sich insbesondere an dem Umstand zeigen ließen, dass die Aufgabenverteilung nicht durchgängig mit einer angemessenen Finanzverteilung korrespondiere.


Staatsrat Lühr kündigt an, dass in den nächsten Wochen diese Schriftsätze eingehend geprüft und eine Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht erarbeitet werden. „Die Stellungnahme wird selbstverständlich im Senat und Haushaltsausschuss vorgestellt und erörtert.“

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Weitere Informationen:Dagmar Bleiker, Pressesprecherin, Die Senatorin für Finanzen, Tel.:0421/361-4072, fax:0421/496-4072, dagmar.bleiker@finanzen.bremen.de