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Der Senator für Finanzen

Erklärung von Bürgermeister und Finanzsenator Hartmut Perschau zum Papier der Senatskanzlei:
"Schadensbegrenzung jetzt vordringlichste Aufgabe"

10.03.2000

"Angesichts der erheblichen Irritationen über das Papier des Chefs der Senatskanzlei zu einer 'Regionalkörperschaft Bremen-Unterweser' ist es jetzt vordringliche Aufgabe, den entstandenen Schaden zu begrenzen. Wir sind in den Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich auf ein möglichst großes Länderbündnis und eine entsprechende Solidarität angewiesen. Besonders die Stadtstaaten müssen großen Wert auf gute Nachbarschaft mit den sie umgebenden Flächenländern legen. Auch müssen sich die Stadtstaaten untereinander eng abstimmen. In dieser schwierigen Verhandlungssituation wirken sich solche unabgestimmten Vorstöße - verbunden mit unverhohlenen Drohungen an das Umland - zwangsläufig belastend aus. Auch ist die pessimistische und defensive Grundhaltung angesichts der offensichtlichen Erfolge der vergangenen Jahre nicht gerechtfertigt. Sie widerspricht im übrigen auch Geist und Buchstabe der Koalitionsvereinbarung. Unsere Verhandlungsposition ist durch das Vorpreschen der Senatskanzlei in Mitleidenschaft gezogen worden. Es ist unverzichtbar, das Papier aus dem Verkehr zu ziehen.

  • Die Forderung, die Oberzentralität Bremens durch das Umland (mit-) finanzieren zu lassen, konterkariert unsere vom Bundesverfassungsgericht bestätigte und unverändert gültige Position. Danach verlangt das föderale Gleichbehandlungsgebot, daß die Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich so ausgestattet werden, wie vergleichbare Großstädte in den Flächenländern. Dies ist dabei Aufgabe aller Bundesländer. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1986 festgestellt: „Die Andersartigkeit der Stadtstaaten betrifft nämlich nicht etwa nur deren Nachbarländer, sondern alle Glieder des Bundes.“ Was wir in diesem Zusammenhang also brauchen, ist eine sachgerechte Überprüfung und Anpassung der sogenannten Einwohnerwertung der Stadtstaaten.

  • Die Ausweitung der Einwohnerwertung über die Verdoppelung der Einwohnerzahl Bremens mittels 'Regionalkörperschaft', wie sie in dem Papier vorgeschlagen wird, stellt den spezifischen Charakter Bremens als Stadtstaat in Frage. Es nähme faktisch ein neues Bundesland am Länderfinanzausgleich teil, das mit einer Einwohnerdichte von rund 450 pro Quadratkilometer nahezu die gleiche Besiedlungsdichte wie das Saarland mit 400 pro Quadratkilometer hätte. Warum also das 'neue' Bundesland als 'Stadtstaat' am Finanzausgleich teilnehmen sollte, wäre nicht begründbar. Es würde die 'strukturelle Eigenart' des Stadtstaates fehlen – es wäre der zweitkleinste Flächenstaat in Deutschland.

  • Die Behauptung, die Kernstadt-Umland-Wanderung ('Suburbanisierung') sei ein zwangsläufiger und unaufhaltsamer Prozeß, ist nicht haltbar. Vergleichbare Ballungsräume haben ihre Kernstadtbevölkerung stabil halten können – bei stark expandierendem Umland. Bremen hat hier – auch durch eine verfehlte Politik bis in die 90er Jahre - besonderen Nachholbedarf. Deshalb müssen Bremen und Bremerhaven alle Anstrengungen unternehmen, ihre Bevölkerungszahl zu stabilisieren und möglichst zu erhöhen. Bremen muß sich der Konkurrenz um Einwohner offensiv stellen – ebenso wie die Konkurrenz zwischen Oldenburg und Bremen oder zwischen Achim und Oyten üblich ist. Die Handlungspotentiale in Bremen müssen ausgeschöpft werden, um das Wohnen in der Stadt so attraktiv wie möglich zu machen. Gerade in Bremen ist dies möglich, weil die Bevölkerungsdichte mit 1.600 Einwohnern pro Quadratkilometer die geringste aller vergleichbaren Großstädte in Deutschland ist.

  • Wir brauchen eine wirtschaftliche Dynamik innerhalb der Stadtgrenzen. Ein wirtschaftliches 'Dahinsiechen', wie in dem Papier vorhergesagt, ist in keiner Weise solide prognostizierbar, sondern tritt nur dann sicher ein, wenn Bremen resigniert und wenn die Politik nicht hinreichend gegensteuert. Mit dem Sanierungsprogramm und seinem Investitionssonderprogramm ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung getan worden. Der Defaitismus des Papiers steht in krassem Gegensatz zu dem bisher Erreichten.

  • Das Konzept der Regionalkörperschaft ist ein untaugliches Instrument, das lediglich von der notwendigen – und auch intensiveren – Nutzung der vorhandenen Kooperationseinrichtungen mit dem Umland ablenkt. Die gegenwärtigen Probleme würden auch in der neuen Körperschaft wieder zum Vorschein kommen, denn zumindest e i n e zentrale Leistung würde von der neuen Körperschaft nicht erbracht: Die Aufhebung der Konkurrenz der Gemeinden um Einwohner und Gewerbeansiedlungen. Über die Ausweisung von Wohn- und Gewerbeflächen entscheiden nach dem Baugesetzbuch allein die Gemeinden durch ihre Bebauungs- und Flächennutzungspläne - und diese zentrale Kompetenz sollen sie im Konzept der Senatskanzlei auch weiterhin behalten. Bremen kann sich dieser Konkurrenz also grundsätzlich nicht entziehen, sonder muß offensiv und selbstbewußt im eigenen Interesse agieren. Das schließt Kooperation, wo die Interessen gleichläufig sind, in keiner Weise aus."