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10 Jahre Bremer Forum Frauengesundheit – ein regionales Netzwerk mit überregionaler Bedeutung

17.11.2004

Die Frauenbeauftragte des Landes Bremen teilt mit:

Zu Beginn ihrer Arbeit als Bremer Landesbeauftragte für Frauen lud Ulrike Hauffe im Herbst 1994 20 Fachfrauen aus dem Bremer Gesundheitsbereich zur Gründung eines Frauengesundheitsforums ein. Eine geschlechterbewusste Gesundheitsversorgung war zu dem Zeitpunkt ein „Nischenwissen“ – also kaum bekannt.

Mit der Gründung des Forums verband Ulrike Hauffe die Absicht, Repräsentantinnen aus Frauenprojekten, Beratungsstellen, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, Fach- und Berufsverbänden, Kliniken, Betrieben, Ärzte- und Arbeitnehmerkammer und Behörden zu vernetzen. Themen sollten aufgegriffen werden, die für die Gesundheitsversorgung von Frauen von grundsätzlicher Bedeutung sind, aber bislang in der gesundheitspolitischen Diskussion kaum Beachtung fanden. Frauengesundheitspolitik sollte basisorientiert und fachübergreifend diskutiert werden, um aus gemeinsamen Erkenntnissen Forderungen für ein frauengerechteres Gesundheitswesen zu formulieren und politisch durchzusetzen.

Am 7. Dezember 1994 fand die erste offizielle Sitzung des Forums Frauengesundheit statt. Inzwischen ist das Forum ein vom Deutschen Städtetag empfohlenes Modell für die Vernetzungen von Fachfrauen aus dem Gesundheitsbereich. In der Zwischenzeit sind weit über 40 Institutionen Mitglied im Forum Frauengesundheit. Die berufliche Interdisziplinarität der Teilnehmerinnen – bis heute im Gesundheitswesen wenig erprobt - hat sich dabei als neue Qualität bewährt, die eine umfassende Sicht auf die Frauengesundheit gibt und damit neue Lösungen im Interesse von Frauen ermöglicht.

Mit dieser Arbeitsweise hat das Forum in den vergangenen Jahren erfolgreich eine Reihe von regionalen und bundesweiten Kontroversen aufgegriffen, einige „heiße Eisen“ angepackt und Bewegung in die gesundheitspolitische Landschaft gebracht.

Ein zentrales Thema ist die Hormonbehandlung von Frauen in den Wechseljahren. Seit vielen Jahren kritisiert die Frauenbewegung in Deutschland den Umgang der Medizin mit den Wechseljahren. Vor einiger Zeit war dazu ein weltweiter Streit von Experten über den Nutzen und Schaden von Hormonersatztherapien in Gang gekommen, in der Bundesrepublik wesentlich angefacht durch Risikoschätzungen von Prof. Dr. Eberhard Greiser, ehemals Leiter des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS). Diese wissenschaftliche Kontroverse entsprach dem Unbehagen vieler Frauen, die Wechseljahre als pathologischen Zustand mit hohem Gefährdungspotential, also als Mangelkrankheit anzusehen, dem mit großzügiger Verschreibung von Hormonen abgeholfen werden müsste.

Fachfrauen im Forum Frauengesundheit griffen die Debatte auf und organisierten 2003 den Kongress "Wechseljahre multidisziplinär", der erstmalig eine nationale und internationale Auseinandersetzung zwischen den Fachdisziplinen anregen sollte, um sowohl den medizinischen als auch sozialen Kontext dieses komplexen Lebensabschnitts von Frauen in den Blick zu nehmen. Als Ergebnis verfassten die Kongressteilnehmerinnen die "Bremer Erklärung Wechseljahre multidisziplinär", die bundesweite Beachtung fand.

Die Arbeit des Forums und dieser Kongress haben wesentlich dazu beigetragen, dass auch von offizieller Stelle ein Umdenken und verändertes Verschreibungsverhalten bei Hormonersatzmitteln in Gang gesetzt worden ist. Mittlerweile lehnen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung eine generelle Hormonverschreibung in den Wechseljahren ausdrücklich ab.

Allerdings hat sich eine solche Veränderung im Verschreibungsverhalten in den Bremer Praxen noch nicht durchgesetzt: Im AOK Mitgliederheft 12/03 berichten Dr. Anette Zawinkell und Prof. Dr. Martina Dören, dass im Bundesländervergleich in Bremen nach wie vor die meisten Hormone verschrieben werden und bislang der geringste Verschreibungsrückgang zu verzeichnen ist. Buten & binnen waren diese Angaben Anlass für einen Fernsehbeitrag mit der Landesbeauftragten. Es bleibt also auch hier noch viel zu tun.

2001 wurde in Bremen das Modellprojekt Brustkrebs-Screening als Pilot für die Einführung einer bundesweiten Reihenuntersuchung etabliert. Durch Intervention der Landesbeauftragten konnte der Modellbeirat um vier Frauen aus dem frauen- und gesundheitspolitischen Spektrum, darunter aus dem Forum Frauengesundheit, erweitert werden. Die konsequente Einnahme des Blickwinkels der betroffenen Frauen hat das gesamte Verfahren des Brustkrebs-Screenings positiv beeinflusst. Das Forum konnte entscheidenden Einfluss nehmen auf die Berücksichtigung der Interessen der teilnehmenden Frauen: eine unabhängige Beratung durch die Bremer Krebsgesellschaft und das Frauengesundheitszentrum wurde durchgesetzt. Außerdem wurde der Datenschutz entscheidend verbessert und das Ablaufverfahren transparenter gestaltet. Eine Informationsbroschüre informierte und unterstützte die eigene Einscheidung von Frauen. Mit diesen Verbesserungen wurde das Verfahren an den Interessen der beteiligten Frauen und weniger an denen der Organisatoren des Screenings orientiert. Darüber hinaus wurden in Bremen und Bremerhaven Veranstaltungen über die Vor- und Nachteile des Screenings durchgeführt.

Die Bremer Entwicklung beeinflusste maßgeblich die Debatte für die bundesweite Einführung des Screenings. Ganz aktuell erscheint die Broschüre "Brustkrebs Früherkennung - Informationen zur Mammographie. Eine Entscheidungshilfe". In dem Heft werden wissenschaftliche Fakten und persönliche Erfahrungen von Frauen zu den Vor- und Nachteilen des Brustkrebs-Screenings zusammengetragen. Sie geht auf Hoffnungen, Fragen, Bedenken und Informationsbedürfnisse ein, die Bremer Frauen zum Screening geäußert haben. Sie gilt als Modellbroschüre für eine informierte Entscheidungsfindung, ein zukünftig bedeutender Wissensvermittlungsbereich, der in Deutschland wenige Beispiele hat.

Ein Fortbildungskonzept zum Thema "Sexuelle Gewalt - Ursache für spezifische körperliche Beschwerden von Frauen und Mädchen" hat das Forum 1996 erstmalig entwickelt. Damit werden seitdem GynäkologInnen, KinderärztInnen, InternistInnen und HausärztInnen aufmerksam gemacht auf Spuren von Gewalterfahrungen, die sich im Körper zeigen - und das nicht nur als offensichtliche Verletzung.

Die bundesweite Fachtagung "Unter anderen Umständen - Mutter werden in dieser Gesellschaft", die das Forum 1996 organisierte, setzte sich unter dem Blickwinkel von Psychologie, Soziologie und Frauenheilkunde mit der Medikalisierung von Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft auseinander und hat mit dieser Tagung eine bundesweite Debatte angeregt, die im System der Schwangerenvorsorge liegende Fehlentwicklung zu überprüfen.


Weitere Themen, die im Forum Frauengesundheit bearbeitet wurden und werden:

  • Auflösung der „Geschlechterblindheit“ im Gesundheitswesen: Umsetzung von Gender-Mainstreaming,
  • Das deutliche Ansteigen des Wunsch-Kaiserschnitts und die Folgen für Mutter und Kind,
  • Etablierung einer Trauma-Station in der Klinik Dr. Heines, insbesondere für gewaltbetroffene Frauen,
  • Das Präventionsgesetz des Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: Chancen für Frauen, die sich individuell und familiär stärker vorsorgend verhalten,
  • Die medizinische Versorgung von Migrantinnen ohne Aufenthaltsstatus,
  • Gesundheitsförderung von Frauen im Alter,
  • Mutter-Kind-Kuren: seit Änderung der Gesetzeslage mit der Vollfinanzierung der Kuren durch die Kassen (2002) werden Anträge von Müttern deutlich weniger durch die Kassen bewilligt. Ein runder Tisch aller Verfahrensbeteiligten soll Änderungen bewirken.