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Senatskanzlei

Pressemitteilung mit Foto Bundesverdienstkreuze am Bande für Ewald Hanstein und Wolf Leschmann

16.02.2006

„Vielen Dank für das, was Sie in den vielen Jahrzehnten an Aussöhnung und Verständigung zwischen der Minderheit der Sinti und Roma und der übrigen Bevölkerung geleistet haben, insbesondere auch hier in Bremen.“ Mit diesen Worten überreichte Bürgermeister Jens Böhrnsen heute (16.2.) das Bundesverdienstkreuz am Bande an den 82-jährigen Ewald Hanstein und an Wolf Leschmann (55). Bundespräsident Köhler hat beiden diese hohen Auszeichnungen zuerkannt. In einer kleinen Feierstunde im Kaminsaal des Rathauses wurden sie ihnen im Beisein ihrer Familien und Freunde übergeben.


Freuen sich über die Ehrung: Bürgermeister Böhrnsen, Ewald Hanstein und Wolf Leschmann (v.l.)
[Foto: Jennifer Dillon, Senatspressestelle]



Ewald Hanstein ist ein deutscher Sinto und Überlebender des Holocausts. Aufgewachsen in Breslau, verlebt er eine fröhliche Kindheit voller Musik und mit einer großen Verwandtschaft. Diese Zeit endet mit der Machtübernahme des Naziregimes. Die Familie Hanstein wird – wie viele andere – allmählich aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Es beginnt eine Odyssee durch unterschiedliche Lager – von Berlin-Marzahn bis in die Konzentrationslager Mittelbau-Dora, Buchenwald und Auschwitz. Hansteins Familie wird bis auf einen Onkel und eine Cousine Opfer „rassehygienischer“ Untersuchungen.

Auf einem der „Todesmärsche“ der Häftlinge von Lager zu Lager wird Ewald Hanstein im April 1945 in Thüringen von amerikanischen Truppen befreit. Danach lebt er in der späteren DDR. 1955 siedelt er nach Bremen um, wo er u.a. als Schlosser bei dem Autohersteller Borgward arbeitet.

Im Westen widerfahren ihm und anderen Diskriminierungen durch die Bevölkerung, die in Sinti und Roma nur „Zigeuner“ also „Arbeitsscheue“ und „Asoziale“ sahen. Er selbst bezeichnet diese Erfahrungen als eine zweite Verfolgung und als eine Zeit, in der er um eine finanzielle Wiedergutmachung kämpfen musste.

Seine persönlichen Erfahrungen fließen 1979 in den Verein „ Verband Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Bremen“ ein. Trotzdem oder gerade deshalb engagiert er sich seit vielen Jahren für die Aussöhnung und Verständigung zwischen der Minderheit der Sinti und Roma und der Gesellschaft. So ist er bereits seit vielen Jahren ein gefragter Gesprächspartner und Zeitzeuge bei Diskussionen und Vorträgen in bremischen Schulen, Bürgerhäusern, kirchlichen und anderen Einrichtungen und bei regionalen sowie überregionalen Veranstaltungen. Die Aufklärung der Jugend über den Holocaust und die Sensibilisierung des Verständnisses junger Menschen für den Rechtsstaat und für demokratische Grundprinzipien zum Schutz von Minderheiten, sind dabei sein vordringliches Anliegen.

Trotz seines durch den Holocaust geprägten Lebensweges und der auch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik noch erfahrenen Demütigung und Zurückweisung sind seine Bemühungen um den Abbau von Diskriminierung, Vorurteilen und Ausgrenzung von Sinti und Roma zukunftsgerichtet und frei von Ressentiments. Seine Erinnerungen hat Ewald Hanstein in dem Buch „Meine hundert Leben – Erinnerungen eines deutschen Sinto“ widergegeben.


Wolf Leschmann engagiert sich seit nunmehr 25 Jahren für die Interessen der deutschen Sinti und Roma und die Förderung der Integration dieser Bevölkerungsgruppe. So ist er Mitbegründer des Bremer Sinti-Verein e.V. / Verband Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Bremen e.V. und seit 1980 ehrenamtliches Vorstandsmitglied und Kassenwart.

Dieser Verein bot in den ersten Gründungsjahren eine umfangreiche Beratungstätigkeit auf dem sozialen Gebiet, bei Wohnproblemen, der Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten und der schulischen Benachteiligung der Sinti-Kinder in Bremen sowie in „Wiedergutmachungsangelegenheiten“ für die Opfer des Nationalsozialismus.


Leschmann – von Beruf Rechtsanwalt und Notar - war im Bereich der „Wiedergutmachung“ verantwortlich tätig und unterstützte die Betroffenen bei der Durchsetzung ihrer Interessen. Dabei wurde er von den staatlichen Stellen als verlässlicher und kompetenter Ansprechpartner sowie engagierter Fürsprecher geschätzt.

Sein Engagement im Verein steht weniger im öffentlichen Blickpunkt, ist aber zur Absicherung einer kontinuierlichen und soliden Verbandsarbeit von grundlegender Bedeutung. Bemerkenswert ist, dass Wolf Leschmanns Rat - obwohl einziges „Nicht-Sinto“–Mitglied im Vorstand des Vereins - seit Anfang der 90er Jahre zunehmend auch von Sinti und vor allem von Roma außerhalb des Vereins angesprochen und gesucht wurde.

Außerdem hat er in den letzten Jahren verstärkt dazu beigetragen, dass die Sinti und Roma ihre Tradition und Kultur in der Öffentlichkeit darstellen können. So hat er u.a. im Jahr 1999 die „Nacht der Jugend“ im Bremer Rathaus, die unter dem Motto stand „Für das Recht, anders zu sein – Begegnung mit den Sinti und Roma“ angeregt und mitorganisiert.