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Senatskanzlei

Ausstellung zeigt Dokumente aus dem Untergrund

22.08.2000

Bremer Forschungsstelle Osteuropa öffnet sein Archiv - Auswahl in Berlin zu sehen



"Samizdat" - hinter diesem aus dem russischen stammenden Begriff verbirgt sich eine geheime Welt. Eine, die sich Autoren und Künstler in Osteuropa vor 1989 selbst erkämpft hatten. Sie ermöglichte ihnen, literarische Texte, Werke der bildenden Künste und Dokumente der Menschenrechtsbewegungen außerhalb der staatlichen Kontrolle zu verbreiten. Im Untergrund entstanden eigenständige Verlage und eine freie Presse. Mehr als 100.000 dieser Dokumente hat die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen seit 1982 zusammengetragen. Jetzt will das in Europa einmalige Archiv erstmals eine Auswahl der Öffentlichkeit vorstellen. Die 600 zuvor noch nie gezeigten Zeugnisse sind vom 10. September bis zum 29. Oktober in der Berliner Akademie der Künste zu sehen.


Zu den Besonderheiten der Ausstellung gehören Kassiber aus russischen und polnischen Straflagern, signierte Abschriften von Theaterstücken Vaclav Havels und handgeschriebene Ausgaben von Alexander Solschenizyns "Archipel Gulag". Zu sehen sind u.a. Briefe der Friedensnobelpreisträger Andreij Sacharow und Alexander Solschenizyn. Aus der ehemaligen DDR werden Bilder und Zeichnungen verbotener Künstler gezeigt. Seltenheitswert haben auch die Videofilme über eine geheimdienstliche Beschattung eines Charta 77-Dissidenten, über inoffizielle Vernissagen in der CSSR und vom Treffen der polnischen mit der tschechischen Opposition in der Tatra.


Seit Mitte der fünfziger Jahre entwickelte sich in der Sowjetunion, in Polen, in der Tschechoslowakei, in Ungarn und in der DDR eine Reihe von Zirkeln mit dem Ziel, einen eigenen, geheimen Kulturbereich zu schaffen. Jenseits der staatlichen Zensur erschienen Zeitschriften und Aufsätze, Prozessprotokolle wurden öffentlich. Der "Zweite Umlauf" und die "Parallele Polis" bildeten sich als unabhängige Netzwerke heraus. Im



Samizdat wurde engagiert um die eigenen Standorte gestritten, Alltag und politische Systeme des realen Sozialismus in schneidender Schärfe analysiert. Geheime Galerien stellten Werke verfemter Künstler aus, in sogenannten "fliegenden Universitäten" wurde das gelehrt, was seit den vierziger Jahren tabuisiert war.


Die umfangreichen Bestände der Bremer Forschungsstelle Osteuropa stammen zum Teil aus Nachlässen bekannter russischer Persönlichkeiten wie Lew Kopelew. Die im Archiv vorhandenen Dokumente sind auch für die osteuropäischen Länder selbst von großer Bedeutung. Da dort vielfach entsprechende Materialien fehlen, wird das Bremer Institut lebhaft genutzt, um die eigene Geschichte aufzuarbeiten.