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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Ein Bundesverdienstkreuz für engagierte Elternarbeit - Ursula Schulze baut Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben ab

09.03.2011
Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter ehrt Ursula Schulze mit dem Bundesverdienstkreuz
Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter ehrt Ursula Schulze mit dem Bundesverdienstkreuz

Bremens Senatorin für Soziales, Ingelore Rosenkötter, hat heute (09.03.2011) im Auftrag des Bundespräsidenten der Gründerin der Elterngruppe im Bremer Rat & Tat-Zentrum für Schwule und Lesben, Ursula Schulze, das Bundesverdienstkreuz überreicht.
„Mit Ursula Schulze wird eine engagierte Frau ausgezeichnet, die sich seit vielen Jahren aktiv für den Abbau von Vorurteilen gegenüber Schwulen und Lesben einsetzt. Als Gründerin der Elterngruppe im Bremer Rat und Tat-Zentrum hat sie bundesweit zahlreichen Müttern und Vätern geholfen, die Homosexualität des eigenen Kindes anzunehmen und nicht als Makel oder Erziehungsversagen zu betrachten“, erklärte die Senatorin während einer Feierstunde im Kaminsaal des Bremer Rathauses.

Die Rede der Senatorin (Es gilt das gesprochene Wort)

„Herzlich willkommen im Bremer Rathaus. Dieses Haus ist genau der richtige Ort, um das Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu würdigen. Und Sie, liebe Frau Schulze, sind seit mehr als 20 Jahren in Bremen und darüber hinaus engagiert. Sie haben sich mit dem von Ihnen geleisteten Engagement aktiv für ein gesellschaftliches Klima eingesetzt, dass es Eltern leichter macht, die Homosexualität des eigenen Kindes anzunehmen und diese eben nicht als Erziehungsversagen anzusehen. Mit diesem Engagement kämpfen Sie aktiv für den Abbau von Vorurteilen. Zu diesem Zweck haben Sie im November 1989 die Gruppe der Eltern homosexueller Töchter und Söhne (die so genannte „Elterngruppe“) im Bremer Rat & Tat- Zentrum für Schwule und Lesben e.V. gegründet. Nebenbei: Sie alle haben das Datum der Gründung gehört…November 1989! Der Monat, in dem die Mauer fiel! Ich finde, das passt zu diesem Thema ganz hervorragend. Denn auch hier geht es darum, Mauern einzureißen – und zwar die Mauern in den Köpfen. Und dass das auch heute noch dringend nötig ist, das können Sie daran sehen, dass wir, dass die drei Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin mit unserer Bundesratsinitiative zur Änderung des Artikels 3 des Grundgesetzes eben leider keinen Erfolg hatten – bisher noch keinen Erfolg hatten.

Sie haben damals diese Gruppe gegründet, nachdem Sie erfahren haben, dass Ihr eigener Sohn schwul ist. Nennen wir die Dinge beim Namen: das plötzliche Wissen über die gleichgeschlechtliche Lebensweise des eigenen Kindes war und ist für viele Eltern schwierig und oft mit Problemen verbunden. Sie haben ganz persönlich damals festgestellt, dass es keine Einrichtung und keinen Ansprechpartner gibt, mit dem sie sich über die elterlichen Sorgen und Probleme austauschen können, die nach der – ich nenne das mal – „Offenbarung“ des Kindes auftreten und bei fast allen Eltern entstehen. Die Erkenntnis, einen schwulen Sohn oder eine lesbische Tochter zu haben, war und ist für sehr viele Eltern zunächst ein Schock. Zweifel und Fragen wie „was habe ich in der Erziehung nur falsch gemacht?“ oder „was werden die Nachbarn und Verwandten wohl denken und sagen?“ sind Fragen, die sich Eltern sofort stellen. Dazu kommt das Bewusstsein, wohl keine in Anführungsstrichen so genannte „normale“ Familie mit Schwiegersohn und Schwiegertochter und mit Enkelkindern zu bekommen.

Sie, liebe Frau Ursula Schulze, haben gehandelt! Mit Unterstützung des Rat & Tat Zentrums haben Sie eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Der Beginn war –wie so oft – mühevoll. Gerade weil das Thema noch weitgehend tabuisiert war und betroffene Mütter und Väter sich eben gar nicht trauten zu reden. Die Hauptlast lag –wie so oft – am Anfang meistens bei den Müttern, die in Ihnen dann eine aufgeschlossene Ansprechpartnerin fanden. Die Gruppe entwickelte sich – und sie besteht als Selbsthilfegruppe bis zum heutigen Tag fort. Ihre Gruppe eröffnet Eltern einen ehrlichen Umgang mit der Homosexualität ihrer Töchter und Söhne.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was jetzt kommt, das bezeichnen wir bremisch ganz gerne mit dem Begriff „Bremen und umzu“ – oder noch besser mit „buten un binnen“: Im Laufe der Zeit haben Sie ihr ehrenamtliches und persönliches Engagement über Bremen hinaus ausgeweitet. Sie haben „Entwicklungshilfe“ geleistet, sind durch die Bundesländer und durch zahlreiche Städte gereist um dort über ihre Erfahrungen zu berichten und um Mut zu machen, die Vorurteile und Berührungsängste gegenüber Schwulen und Lesben abzubauen.

Die Elterngruppe im Rat & Tat Zentrum hat im November 2009 ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. Sie, sehr geehrte Frau Schulze, haben im Alter von 74 Jahren die aktive Leitung der Elterngruppe an Ihren Nachfolger, Herrn Werner Steinmeyer, übergeben. Zur Ruhe gesetzt haben Sie sich jedoch nicht. Sie sind auch weiterhin beispielhaft engagiert und stehen nun am Beratungstelefon besorgten Eltern zur Seite.

Ihr Engagement ist beispielgebend! Es ist vorbildlich, es verdient höchsten Respekt und höchste Anerkennung. Ihr Engagement würdigt der Bundespräsident mit der Verleihung des „Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ – ich finde, er hat sehr gut entschieden! Ihnen persönlich, der Elterngruppe und dem Rat & Tat wünsche ich weiterhin alles Gute. Herzlichen Dank!“

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Foto: Senatspressestelle