13.12.2002
Bildungssenator und Landesfrauenbeauftragte stellen neues Internet-Angebot vor
Eine neue Beratung für essgestörte Mädchen und junge Frauen ist im Internet zu finden. Das – bisher bundesweit einmalige - Angebot umfasst neben gesundheitlicher Aufklärung eine psychologische Beratung wie auch die Förderung des Austausches der Betroffenen untereinander.
Ziel dieses Projektes ist die Verbesserung der Versorgungslage der Betroffenen aus Bremen, Bremerhaven und dem Umland.
„Ess-Störungen sind in der Schule ein häufig vorkommendes Problem. Wir nutzen gezielt das Internet , da es ein besonders geeignetes Medium ist, essgestörte Jugendliche zu erreichen. Die Anonymität des Angebots ermöglicht auch denen eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme, die noch kein anderes Hilfsangebot in Anspruch nehmen würden,“ erläutert Bildungssenator Willi Lemke.
Das Institut für Suchtprävention und Angewandte Pädagogische Psychologie (ISAPP) hat zusammen mit dem Landesinstitut für Schule/Suchtprävention beim Senator für Bildung und Wissenschaft das neue Internet-Angebot eingerichtet und betreut es.
„Ich begrüße und unterstütze dieses Projekt,“ so Ulrike Hauffe, Landesbeauftragte für Frauen. „Das vorherrschende Schönheitsideal wirkt oft bei jungen Menschen, insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen, verunsichernd und duldet wenig Spielraum für individuell geprägte Körperbilder und Schönheitsvorstellungen. Durch die gesellschaftliche Normierung kommt es oft zu Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Eine so entstandene negative Körperwahrnehmung stellt einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Ess-Störung dar, die als autoaggressive Handlung interpretiert werden kann.“
Mittlerweile ist Magersucht die dritthäufigste Symptomatik der 14-24jährigen. Jedes zweite Mädchen unter 15 Jahren hält sich für zu dick. Das dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie angeschlossene Münchner 'Therapie-Centrum für Ess-Störungen' hat erhoben, dass 90 % der weiblichen Teenager abnehmen wollen und 73 % der Frauen ein Gewicht unterhalb des Normalgewichtes am attraktivsten finden. Ein noch höherer Anteil der Bevölkerung ist mit den Themen 'Abnehmen, Schönsein, Schlanksein' beschäftigt.
Die Lebensqualität kann schon im Vorfeld einer (klinisch diagnostizierten) Ess-Störung drastisch vermindert sein. Ein genussvoller Umgang mit Nahrung findet nicht mehr statt und ist im Gegensatz dazu durch Regeln und Repressalien bestimmt.
Zudem ist das Leben mit einer Ess-Störung (Anorexie, Bulimie, Adipositas) mit vielen Schamgefühlen gepaart, was zu Kontaktangst und Kontaktarmut führen kann. Gerade diese sozial isolierenden Mechanismen machen es so schwierig für die Betroffenen sich an professionelle HelferInnen zu wenden.
Das Internet bietet die einzigartige Möglichkeit, individuelle Ängste der Betroffenen zu berücksichtigen: Die Intensität der Kommunikation wird von den Betroffenen selbst bestimmt, die Barrieren bei sozialen Ängsten sind geringer, die Betroffenen können in ihrem privatem Umfeld bleiben und müssen sich nicht an einen ihnen unbekannten Ort begeben. Spielerische Elemente ergänzen die Kommunikation.
Die Webseite www.schlaraffenland-bremen.de bietet verschiedene Hilfen an. Ein informativer Bereich klärt über Störungsbilder, körperliche Folgen und über Therapiemöglichkeiten in und um Bremen und Bremerhaven auf. In einem geschützten Bereich, der ‚secret community’, haben Jugendliche die Gelegenheit sich über ihre Situation in einem Forum auszutauschen. Außerdem besteht die Möglichkeit, per Mail mit einer Psychologin/Therapeutin zu kommunizieren.
Weitergehende Hilfen für Betroffene sind möglich durch die Anbindung des Projektes an den Bremer 'Arbeitskreis Ess-Störungen', in dem 48 Institutionen und Einzelpersonen vernetzt sind, die professionell mit Essgestörten arbeiten.
Des weiteren sind ein Chat und ein ‚Werkstattbereich’ konzipiert, in dem die Jugendlichen die Chance haben kreative Beiträge ins Netz zu stellen. Das können z.B. Bilder oder Musik sein, die dann den Mitgliedern in der secret community zugänglich gemacht werden. Sobald weitere Sponorengelder eingehen, wird dies auch realisiert werden können.
Die Internetseite ist zu finden unter www.schlaraffenland-bremen.de.