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Senatskanzlei

Beim 99. Stiftungsfest des Ostasiatischen Vereins in Bremen:
Ministerpräsident Dr. Reinhard Höppner:
Unterschiede im Einigungsprozeß aushalten

25.02.2000

"Die deutsche Einheit ist das schönste Geschenk, das wir Deutschen am Ende dieses Jahrhunderts bekommen konnten. Wir täten gut daran, uns dafür zu bedanken, durch ein großes Maß von Toleranz, das wir miteinander aufbringen, um Unterschiede auszuhalten. Ich wünsche mir, dass wir in den nächsten Jahren noch deutlich erleben und auch aussprechen, dass die größere Vielfalt, die wir mit der Einheit gewonnen haben, eine Bereicherung für uns alle ist." Das erklärte Ministerpräsident Dr. Reinhard Höppner heute auf dem 99. Stiftungsfest des Ostasiatischen Vereins e. V. Bremen.

Höppner warnte in seiner Rede jedoch vor der Tendenz, bestehende Probleme in Deutschland als zwingende Folge der Einheit zu erklären: "Die deutsche Einheit war nicht nur eine Herausforderung, sie war auch eine Verführung. Sie hat nämlich den Westen Deutschlands verführt, längst fällige Reformen zu verschieben und auch in der Wirtschaftsstruktur Probleme nicht anzupacken, die viele unserer europäischen Nachbarn schon Ende der achtziger Jahre angepackt hatten oder zu Beginn der neunziger anpacken mussten. Wir Deutschen waren beschäftigt mit der Gestaltung der Einheit und hatten sehr schnell die Möglichkeit, auftauchende Probleme auf diesen Einigungsprozess zu schieben, selbst dann, wenn sie völlig andere Ursachen hatten."

Wechselseitiges Misstrauen und Schuldzuweisungen könne man sich in Deutschland allerdings nicht leisten. Dazu seien die Zukunftsaufgaben, vor denen man stehe, zu groß. Der Ministerpräsident mahnte insbesondere in der Politik ein Umdenken an, um sich diesen Herausforderungen stellen zu können. "Was mich bedrückt, ist die Tatsache, dass die politische Streitkultur in Deutschland eher schlechter denn besser geworden ist. Es wäre besser, wenn wir uns gegenseitig eingestehen würden, dass keiner den Weg in die Zukunft genau kennt, dass wir alle auf der Suche sind. Wir müssen wieder lernen, dass jeder ein Stück Gesamtverantwortung wahrnehmen muss und dass es nicht reicht, nur die Interessen der eigenen Klientel zu vertreten", so Höppner.

Auf den Aufbau Ost eingehend, betonte Höppner, hier sei man bestenfalls auf der Hälfte des Weges angelangt. Seit 1994 seien die Zuwachsraten beim Bruttosozialprodukt im Osten sogar wieder hinter die des Westens zurückgefallen. Solange dies so bleibe, werde der Abstand zwischen Ost und West eher wieder größer, statt sich zu verringern. Dennoch seien in der wirtschaftlichen Neuausrichtung in den östlichen Bundesländern in den letzten Jahren deutliche Erfolge erzielt worden. Das Problem sei allerdings der enorme Nachholbedarf des Ostens bei Neuansiedlungen, der Modernisierung der Produktion und der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze. Seit Beginn der neunziger Jahre habe sich die Tendenz verstärkt, dass moderne Arbeitsplätze nur noch mit einem gewaltigen Investitionsaufwand zu errichten seien. Zugleich befinde man sich aber seit dem Mauerfall in einem sich mehr und mehr verstärkenden globalen Standortwettwerb. Der Osten habe daher nur eine Chance, wenn die Finanzhilfen für den Aufbau Ost fortgeführt werden.

Höppner begrüßte, dass die Bundesregierung uneingeschränkt zur Fortführung des Solidarpaktes bis zum Jahr 2004 steht und zugleich anerkennt, dass auch danach noch besondere Hilfen für den Osten notwendig sein werden. "Ohne ein zumutbares Maß an Solidarität ist der Föderalismus in Deutschland nicht lebensfähig. Das entbindet kein Land von der Pflicht, mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld so verantwortungsvoll wie irgend möglich umzugehen", erklärte Höppner.

Ihm sei nicht bange, so der Ministerpräsident, dass das vereinte Deutschland die Zukunftsaufgaben lösen werde. Dazu bedürfe es jedoch auch der Bereitschaft zur Veränderung im Westen. Im Osten dagegen brauche man vor allem Geduld angesichts der Tatsache, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West länger benötige, als noch vor einigen Jahren gehofft. "Aber die Lösung der Zukunftsaufgaben ist letztlich kein Ost-West-Problem. Hören wir also auf, uns gegenseitig befremdet anzusehen. Schauen wir gemeinsam in die Zukunft, deren Gestaltung unsere unterschiedlichen Erfahrungen braucht. Schließlich sind Probleme dazu da, gelöst zu werden. Und dies kann bei gutem Teamgeist richtig Freude machen", so Höppner.