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Senatskanzlei

Regierungserklärung des Präsidenten des Senats, Bürgermeister Dr. Henning Scherf zur „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“

08.09.2004

Es gilt das gesprochene Wort!

Vor der Bremischen Bürgerschaft hat Bürgermeister Dr. Henning Scherf für den Senat der Freien Hansestadt Bremen heute (08.09.2004) folgende Regierungserklärung abgegeben:


„In den letzten Jahren sind in Deutschland viele längst überfällige Reformen angepackt worden. Die Diskussion über den richtigen Weg dabei wird oft sehr leidenschaftlich geführt. Aber über die Ziele gibt es einen breiten Konsens. Wir müssen insbesondere die Systeme der Altersversorgung, der Gesundheitsversorgung, der sozialen Sicherung an die veränderte demografische Entwicklung, die sich wandelnde Beschäftigungsstruktur und die Folgen der Globalisierung anpassen.


Damit diese dringend nötigen Reformen greifen können, bedarf es aber auch einer Reform der gesamtstaatlichen Organisation, der Entscheidungsabläufe und Verfahren – einer Reform des Föderalismus.

In Deutschland wird heftig und gelegentlich auch polemisch über den so genannten „Verbundföderalismus“ geklagt. Überspitzt lautet der Vorwurf: Alle entscheiden alles mit. Ein solcher Satz ist gewiss eine unangemessene, grobe Vereinfachung. Die Bilanz unserer langjährigen Erfahrung mit unserem föderalen System ist hervorragend. Trotzdem: In der überspitzten Polemik steckt auch ein Körnchen Wahrheit. Die Zahl der Gesetze, die die Zustimmung des Bundesrates brauchen, hat sich im Laufe der Jahre vervielfacht. Die Landesregierungen gestalten auf diesem Weg die Bundespolitik mit, die Landesparlamente bleiben außen vor und den Bürgerinnen und Bürgern ist nicht mehr recht klar, wer wofür verantwortlich ist.


Vor allem betrifft dies politische Kontroversen, die auf diesem Weg ausgetragen werden. Dann mündet die Mitgestaltung in die Blockade. Es gibt aber auch die umgekehrte, die positive Erfahrung. Es gibt immer Chancen der Verständigung, der Beteiligung und des Kompromisses. Als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses weiß ich, wovon ich spreche. Vieles wird dann gemeinsam auf den Weg gebracht. Das kann durchaus sachlich geboten sein. Aber es dient nicht immer der Klarheit, und hinterher will es dann manchmal keiner mehr gewesen sein. Das führt zu der begründeten und nachvollziehbaren Sorge: Droht Deutschland eine generelle Reformunfähigkeit, die wir uns nicht erlauben können?

Deshalb haben sich Bundestag und Bundesrat am 17. Oktober 2003 darauf verständigt, in einer gemeinsamen Kommission Vorschläge zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung zu entwickeln, und auf solche Fragen Antworten zu finden. Jeweils 16 Vertreter von Bundestag und Bundesrat bilden den Kern der Kommission; Vorsitzende sind Ministerpräsident Edmund Stoiber für den Bundesrat und MdB Franz Müntefering für den Bundestag. Die Landtage und kommunalen Spitzenverbände sind beratend vertreten und auch 12 erfahrene Sachverständige kommen zu Wort. Selbstverständlich ist auch die Bundesregierung aktiv beteiligt.


Diese Bundesstaatskommission hat sich zum Ziel gesetzt

  • „die Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder,
  • die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung und
  • die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (insb. Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen)“

zu überprüfen.


So einig sich Bund und Länder in diesem grundsätzlichen Ziel sind, so unterschiedlich sind ihre Ausgangspunkte und Schwerpunktsetzungen.

Der Bund ist vor allem daran interessiert, dass ihm – auf deutsch gesagt - nicht immer „reinregiert“ wird. Nach außen möchte er möglichst „unbehelligt“ als Nationalstaat agieren können.

Aus Sicht der Länder dient die Reform in erster Linie der Wiederherstellung und Stärkung der Länderkompetenzen. Sie wünschen sich mehr politische Gestaltungsspielräume, mehr Handlungsfreiheit.

Die Länder stellen sich allerdings der Reform mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Interessenlagen. Für einige Länder, besonders große finanz- und wirtschaftsstarke Flächenländer, war der Ausgangspunkt der Reform ein neues Verständnis unserer bundesstaatlichen Ordnung: „Wettbewerbsföderalismus“ statt kooperativem Föderalismus. Das ist für Bremen und etliche andere Länder so nicht akzeptabel gewesen. Die Länder bewegen sich seit 1999 in einem kontinuierlichen Prozess der Auseinandersetzung um ihre Positionen aufeinander zu. Ein erster Schritt war 2001 die damalige Verständigung über den Länderfinanzausgleich.


Bremen bringt sich in diese Föderalismusreform aktiv ein. Übrigens nicht nur durch den Präsidenten des Senats – wie alle Länder – und den Chef der Senatskanzlei, sondern ebenso an maßgeblicher Stelle durch die beiden Bundestagsabgeordneten Volker Kröning und Bernd Neumann. Gelegentlich wird bezweifelt, ob kleine Länder die neuen, eigenen Handlungsmöglichkeiten überhaupt ausschöpfen könnten. Aber als Stadtstaat liegt Bremen im Gegenteil ganz besonders daran, seine eigenen politischen Gestaltungsmöglichkeiten zu stärken. Es wird zur föderalen Vielfalt der Republik weiterhin seinen ganz individuellen Beitrag leisten. Unsere bremische Tradition der kurzen Wege, der Bürgernähe, des direkten Nachvollzugs von Politik werden wir nutzen können, wenn mehr Entscheidungen auf Landesebene fallen und weniger Entscheidungen durch ferne Zentralen in Berlin oder gar Brüssel vorgegeben werden.

Gleichzeitig müssen wir aber auch vorsorgen, dass die einzelnen Länder ihre neuen Rechte, wenn sie für sich jeweils berechtigte, regionale oder partikulare Eigeninteressen verfolgen, nicht auf Kosten der anderen, insbesondere der kleinen Länder durchsetzen. Alle Länder müssen einem gesamtstaatlichen, gemeinsam länderfreundlichen Handeln verpflichtet bleiben.

In mehrfacher Hinsicht hat gerade das kleinste Bundesland deshalb ein besonders großes Interesse an der Reform.


Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich am 6. Mai dieses Jahres erneut über ihre Vorstellungen über die Reform verständigt und sie in einem Positionspapier niedergelegt. Es stellt die „Grundlage der Reformagenda der Länder“ in der Bundesstaatskommission dar, auf deren Basis unser Mitvorsitzender der Bundesstaatskommission von Länderseite, der bayerische Ministerpräsident Stoiber, agieren und verhandeln kann.


- Der Bremer Senat stellt das Papier im Zusammenhang mit dieser Regierungs-erklärung der Bremischen Bürgerschaft zur Verfügung. –


Dort betonen die Ministerpräsidenten einmütig:

„Die föderale Vielfalt Deutschlands schafft Bürgernähe und demokratische Akzeptanz. Sie steht in einem strukturellen Gegensatz zu globalen und latenten Zentralisierungsbestrebungen. Eine zukunftsfähige föderale Ordnung muss so flexibel sein, dass sie trotz der historisch gewachsenen föderalen Unterschiede zwischen großen Ländern und kleinen Ländern, zwischen Stadtstaaten und Flächenstaaten, zwischen alten und neuen Ländern einen optimalen Gestaltungsrahmen bietet. Nur wenn in einer föderal strukturierten Staatsform alle Glieder eine optimale Möglichkeit haben, Dynamik in ihrer Region zu erzeugen, kann die Bundesrepublik Deutschland insgesamt ihre Wohlstandspotentiale als Industrienation ausschöpfen.“


Als Ziele der Reform nennen alle die Ministerpräsidenten weiter:

  • „Verbesserung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern durch Entflechtung von Entscheidungsprozessen bei angemessener Finanzausstattung
  • deutliche Zuordnung der politischen Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern mit einer Stärkung der Länderkompetenzen
  • Steigerung der Effizienz der Aufgabenerfüllung zur besseren Ausschöpfung der wirtschaftlichen Leistungspotentiale in Bund und Ländern
  • Verbesserung der (sog.) Europatauglichkeit des Grundgesetzes“.


Im Kern zielen die Reformvorschläge damit auf eine übergreifende Entflechtung und neue Systematisierung. Dies ist zugleich ein Weg, den Landtagen wieder größere legislative Möglichkeiten einzuräumen, wie es auch in der Quedlinburger Erklärung der Landtagspräsidenten vom 17. Mai 2004 gefordert wird.



Die Verhandlungen in der Bundesstaatskommission haben im November letzten Jahres begonnen. Die Kommission hat inzwischen achtmal getagt und zahlreiche Sachverständige angehört. Sie hat zwei Arbeitsgruppen eingesetzt für „Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte der Länder“ und „Finanzbeziehungen“. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause wurden sieben Projektgruppen gebildet, die gegenwärtig die konkreten Fragestellungen so weit vertiefen, dass sie bis zum Oktober 2004 gesetzesreife Vorschläge zur Reform der Verfassung bzw. verschiedene Alternativen dafür entwerfen können.

Wir wollen bis Ende dieses Jahres zu einem Ergebnis kommen. Aus heutiger Sicht kann hier also nicht mehr als ein „Werkstattbericht“ gegeben werden.


Zum zentralen Ausgangspunkt hat sich die Neubestimmung der Zustimmungsrechte der Länder im Bundesrat bei der Bundesgesetzgebung entwickelt. Der Bund möchte mehr eigene Gestaltungsspielräume durch eine Einschränkung der Mitwirkungsrechte des Bundesrats. Die Länder sind dazu grundsätzlich bereit, aber nur um den Preis, dass der Bund ihnen seinerseits bei den Gesetzgebungskompetenzen entgegen kommt. Er muss ihnen Zugeständnisse machen, die ihre politischen und rechtlichen Spielräume erweitern. Und eines ist ohnehin klar unter allen Ministerpräsidenten: Die finanzielle Ausgangssituation ihrer Länder kann und darf durch die Reform nicht verschlechtert werden.



Eine saubere Trennung von Gesetzeskompetenzen wird von vielen als die klarste Lösung angesehen, aber die Ausgangsbedingungen der Länder sind zu verschieden, als dass sie alle die neuen Länderkompetenzen in allen Fällen und umfassend anwenden könnten oder wollten. Deshalb haben sich die Länder auf einen neuen Weg geeinigt: „Verfassungsunmittelbare Zugriffsrechte der Länder“ als Ergänzung oder Alternative zur Trennung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Sie eröffnen jedem einzelnen Land bei Bundesgesetzen die Möglichkeit, eigene Regelungen zu treffen. Aber die Länder sind nicht dazu gezwungen, diese Option auszuschöpfen; jedes Land kann sich frei entscheiden.


Die Mitwirkung der Länder im Rahmen der EU-Rechtsetzung ist ein zweites, fast ebenso wichtiges Thema. Es geht in erster Linie um die Mitwirkung der Länder in EU-Angelegenheiten, um den Stellenwert und eine eventuelle Fortentwicklung von Art. 23 GG sowie um die künftige Umsetzung des EU-Rechts in das innerdeutsche Recht. Sie soll entsprechend der innerstaatlichen Kompetenzordnung von Bund und Ländern wahrgenommen werden. Die Differenzen zwischen Bund und Ländern in dieser Frage sind nach wie vor groß. Brüssel regiert immer mehr mit, und für die Zukunft des deutschen Föderalismus ist es eine Schlüsselfrage, welchen Einfluss die Länder dabei behalten. Für Deutschland dagegen ist entscheidend, wie effektiv es in Europa auftritt. Beides intelligent zu verbinden, wird Aufgabe der Bundesstaatskommission sein.


Bei der Frage des öffentlichen Dienstrechts sollten die Länder die Möglichkeit erhalten, freier und eigenständiger, nach Maßgabe ihrer speziellen Situation, über ihre Verwaltung und ihre Haushalte bestimmen zu können. Davon betroffen wird auch die Steuerung der Personalkosten im öffentlichen Dienst. Dazu könnte nach Auffassung der Ministerpräsidenten auch eine Stärkung der Zuständigkeiten im öffentlichen Dienstrecht für die Länder führen. Zugleich wird erörtert, ob eine behutsame Öffnung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) vorgenommen werden soll.


Für den Kernbereich der Länderkompetenzen zu Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur geht es den Ländern um die Entfaltung eines qualitativen Wettbewerbs um pädagogische Konzepte und wissenschaftliche Leistungen. Die Länder haben sich vorgenommen, für den ganzen Bildungs- und Hochschulbereich Politik aus einer Hand gestalten zu können – angefangen vom Kindergarten bis zum Abschluss der Ausbildung auf den verschiedenen Stufen. Die Voraussetzungen dafür in der Gesamtheit der Länder sind unterschiedlich. Für Bremen bedeutet dies Risiko und Chance zugleich. In der Kommission geht es unter anderem darum, allzu forsche Vorstellungen des Bundes zurückzuweisen, er könne diesen Bereich nun selber in die Hand nehmen, um zentralstaatlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Die Länder sind aufgerufen und imstande, ein gemeinsames Konzept der Modernisierung Deutschlands als föderal aufgebauter Qualifikations- und Wissenschaftsstandort zu formulieren und umzusetzen.


In den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz strebt der Bund eine Bündelung dieser Kompetenzen an, um gegenüber der EU möglichst geschlossen und effizient auftreten zu können. Dagegen erarbeiten die Länder Vorschläge, wie das auch ohne zentralstaatliche Lösungen zu gewährleisten ist.

Teil der geplanten Reformschritte ist ein Zugewinn an regionalen Gestaltungsmöglichkeiten in der Wirtschafts- und Arbeitsmarkt- sowie der Sozialpolitik, um das starre Reglement der allzu vielen Vorschriften weiter lockern zu können. Das ist ein gemeinsames Anliegen vieler Bürger und von Handwerk und Gewerbe. Bremen hat unter der Überschrift „Bürokratieabbau“ als Test- und Innovationsregion bereits damit begonnen. Von der Föderalismuskommission erwarten wir uns die Unterstützung dieser Bemühungen, durch stabile, dauerhafte und verlässliche Grundlagen. Wir beraten und verhandeln zum Beispiel über Möglichkeiten, Handwerksrecht, Schornsteinfegerrecht, Allgemeines Gewerberecht, Gaststättenrecht und Ladenschluss, Wohnungswesen und öffentliche Fürsorge in regionaler Verantwortung zu gestalten. Regionale Gestaltung hat allerdings im Rechts- und Sozialstaat auch ihre Grenzen im berechtigten Anspruch der Bürger auf möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Bundesländern.


Den schwierigsten Stand haben die Länder, wie nicht anders zu erwarten, bei der Frage der Finanzen. Wir sind uns im Grundsatz einig: Eine Entflechtung sollte nicht nur bei den Kompetenzen, sondern möglichst auch bei den Finanzbeziehungen vorgenommen werden. Nach Auffassung der Länder soll deshalb geprüft werden, ob Gemeinschaftsaufgaben - bis auf die überregionale Forschungsförderung und den Küstenschutz - nach mehr als 30 Jahren abgeschafft oder konzentriert und zeitgemäßer gestaltet werden können. Alle Länder wollen eine größere Unabhängigkeit vom „goldenen Zügel“ der Bundesfinanzierungen erreichen, die bisherige Mittelausstattung aber unbedingt erhalten und größere Freiheit in ihrer Verwendung gewinnen. Im Dezember 2001 haben sich Ministerpräsidenten und Bundeskanzler deshalb auf folgenden Grundsatz verständigt:

„Es besteht Einvernehmen darüber, dass den jeweiligen Ebenen mit einer Kompetenzverlagerung die Mittel zur Aufgabenwahrnehmung übertragen werden.“

Bei den Mischfinanzierungen besteht die Freie Hansestadt darauf, dass, „ein besonderes Instrument zur bedarfsorientierten Bundesfinanzierung beibehalten wird.“ So heißt es im Positionspapier der Ministerpräsidenten. Denn die Verteilung der Einnahmen im Bundesstaat ist nicht am Bedarf orientiert und entspricht im Falle der Stadtstaaten auch nicht unserer Wirtschaftskraft. Gerade Bremen ist daher bei der geltenden Finanzverteilung benachteiligt. Es ist zudem dringend darauf angewiesen, dass es auch künftig politische Instrumente und gezielte Unterstützungsmöglichkeiten der bundessstaatlichen Solidargesellschaft gibt, um aus unverschuldeten Strukturkrisen wieder heraus zu kommen.

Die Länder haben verschiedene Modelle vorgelegt, auf welche Weise die Finanztransfers des Bundes, die bei einer Aufgabe oder Einschränkung der Gemeinschaftsaufgaben verloren gehen würden, kompensiert werden sollen. Hier sind noch intensive und zähe Verhandlungen mit dem Bund, aber auch im Kreise der Länder untereinander zu führen, bis der Senat einer Einigung zustimmen kann.

Eines muss klar gesagt werden: Die Föderalismusreform ist kein Instrument zur Umverteilung von Geld von den Ländern an den Bund!

Zwischen Bund und Ländern herrscht auch Einigkeit, dass am Solidarpakt II zugunsten der Ostländer und dem 2001 neu beschlossenen Länderfinanzausgleich fest gehalten wird. Das schließt die damals beschlossene Lösung für die Hafenlasten ab 2005 ein. Die beiden Haushaltsnotlagenländer Bremen und das Saarland werden darauf pochen, dass neben den neuen Ländern auch ihre besondere Situation berücksichtigt wird. Mein Kollege, Ministerpräsident Müller, hat das schon im Mai dieses Jahres mit Blick auf den Haushalt des Saarlands, das sich auch in einer extremen Haushaltsnotlage befindet, in einer Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht:

„Die Ergebnisse der Föderalismuskommission“, sagt er, „werden eine unmittelbare Rückwirkung auf die Finanzausstattung des Bundes und der Länder haben…Eine dauerhafte Entlastung (des Landeshaushalts) käme auch durch die Besserstellung des Landes bei der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Rahmen der Föderalismusreform in Betracht.“


Des Weiteren wollen die Länder bei Bundesgesetzen mit „erheblichen“ Kostenfolgen auch in Zukunft mitreden und mitentscheiden. Es handelt sich dabei um eine unverzichtbare Beteiligung des Bundesrats für die Länder, wenn sie im Zuge der Reform auf ihre bislang angestammten Mitwirkungsrechte verzichten. Diese Mitwirkung der Länder ist schon im Grundgesetz unabänderlich festgeschrieben. Und wo, wenn nicht bei den eigenen Finanzen, beweist sich der staatliche Charakter der deutschen Länder? Dadurch wird auch unser Vorsatz, einen spürbaren Beitrag zur Auflösung von Blockaden zu leisten, nicht hintenherum wieder in Frage gestellt. Vielmehr soll eine neue und klare Regelung der zustimmungspflichtigen Fälle sich auf die wesentlichen finanzträchtigen Gesetze konzentrieren. Von der Anzahl her werden es dann erheblich weniger sein.


Bremen setzt auf das im Grundgesetz verankerte Prinzip der gleichwertigen Lebensverhältnisse auch bei der Reform des Föderalismus. Die Stärkung der föderalen Vielfalt, der landsmannschaftlichten Besonderheiten und der unterschiedlichen politischen Konzepte in den Ländern wird dann zum Erfolg führen, wenn die Unterschiedlichkeit im Einzelnen getragen wird von einer prinzipiellen Gleichwertigkeit – nicht Gleichheit – im Ganzen. Bewahrung und Modernisierung der bundesstaatlichen Rechts- und Wirtschaftseinheit und Stärkung der Kompetenzen der Länder sind zwei Seiten derselben Medaille.


Dabei ist die Kommission sich völlig einig: Einmütig akzeptierte Voraussetzung unserer Arbeit ist die Verständigung darauf, dass eine Neugliederung der Länder kein Thema der Kommission darstellt.



Ich fasse zusammen: Diese Reform ist im Fluss. Der Senat ist sicher: Sie wird zu einem vorzeigbaren Ergebnis führen, zu größerer politischer Beweglichkeit, zu mehr Bürgernähe und demokratischer Transparenz, zu höherer wirtschaftlicher Effektivität. Bremen beteiligt sich aktiv und engagiert an diesem Reformprozess und nimmt seine Verantwortung wahr als selbstständiges und selbstbewusstes Land. So wie Bürgermeister Smidt sich erfolgreich im Wiener Kongress unter all´ den großen europäischen Mächten behauptet und die Selbstständigkeit Bremens politisch gesichert hat, so leistet Bremen heute mit hohem Engagement im Kreis der anderen Länder seinen positiven Beitrag zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung.“