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Senatskanzlei

Vortrag von Professor Dr. Klaus Hänsch zum Verfassungsentwurf für die Europäische Union

15.10.2003

Auf Einladung der Bevollmächtigten der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa, Frau Staatsrätin Dr. Kerstin Kießler, sowie der Landeszentrale für politische Bildung, der Juristischen Gesellschaft Bremen, des Zentrums für Europäische Rechtspolitik, der Europa-Union Bremen und des Jean Monnet Centre for European Studies hält

Prof. Dr. Klaus Hänsch, MdEP

am Dienstag, dem 28. Oktober 2003, von 16.00 – 18.00 Uhr, in der Oberen Halle des Bremer Rathauses


einen Vortrag zum Thema

„Der Verfassungsentwurf für die Europäische Union zwischen Konvent und Regierungskonferenz“

Prof. Dr. Klaus Hänsch, SPD, ist Mitglied des Europäischen Parlaments, Mitglied des Präsidiums des Konvents zur Zukunft Europas und war von 1994 bis 1997 Präsident des Europäischen Parlaments. Er ist einer der beiden Vertreter des Europäischen Parlaments bei der Regierungskonferenz, die über den Verfassungsentwurf des Konvents zur Zukunft Europas beschließt.

Am 4. Oktober 2003 begann in Rom unter italienischer Präsidentschaft eine Regierungskonferenz. Eine solche Regierungskonferenz ist immer dann erforderlich, wenn es zu einer Änderung der Verträge kommen soll, auf die sich die Europäische Union gründet. Der Regierungskonferenz ging ein Konvent voran, der im Jahre 2001 vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in Laeken eingesetzt wurde. Aufgabe dieses Konvents war es, Empfehlungen zu den neuen Herausforderungen zu erarbeiten, die sich in Bezug auf die künftige Entwicklung der Union, insbesondere im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit nach der Erweiterung der Union im Jahre 2004 um 10 neue Mitgliedstaaten stellen. Der Konvent, der im Zeitraum zwischen Februar 2002 und Juni 2003 tagte, hat seine Empfehlungen in Form eines Entwurfs für einen neuen Verfassungsvertrag vorgelegt, durch den die geltenden Rechtsgrundlagen der EU ersetzt und geändert werden sollen.

Der Vorsitzende des Konvents, Valery Giscard d’Estaing, hat diesen Entwurf den Staats- und Regierungschefs im Rahmen des Europäischen Rates in Thessaloniki am 19. Juni 2003 unterbreitet. Der Europäische Rat hat den Entwurf begrüßt und als gute Ausgangsbasis für den Beginn der Regierungskonferenz bezeichnet. Teilnehmer der Regierungskonferenz sind die Staats- und Regierungschefs und die Außenminister der insgesamt 25 jetzigen und künftigen Mitglieder der Europäischen Union, der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, sowie zwei Vertreter des Europäischen Parlaments. Nach dem Zeitplan der italienischen Präsidentschaft sollen die Arbeiten der Regierungskonferenz bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Als Termin für die Unterzeichnung des endgültigen Verfassungstextes ist der 9. Mai 2004 vorgesehen.

Durch den Entwurf des Konvents wird die Transparenz der rechtlichen Grundlagen der EU deutlich erhöht, da die verschiedenen Gründungsverträge und die mit den nachfolgenden Vertragsänderungen eingeführten zahlreichen weiteren Rechtsquellen in einem einzigen Dokument zusammengeführt werden. Die Säulenstruktur der EU mit der Einteilung in die Europäischen Gemeinschaften, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und in die Innen- und Rechtspolitik wird überwunden. Die Verständlichkeit europäischen Rechts wird verbessert, indem die Zahl der Rechtsinstrumente erheblich reduziert wird. Die Aufnahme der Charta der Grundrechte in Teil II der Verfassung bringt den Bürgerinnen und Bürgern erstmals in der Geschichte der Union die Möglichkeit, sich auf einen Katalog an Grundrechten berufen zu können.

Insgesamt enthält der Entwurfstext zahlreiche Kompromisse zwischen den zum Teil weit auseinander liegenden Positionen der Konventsmitglieder. Bei aller Kritik in Einzelfragen, die in den vergangenen Wochen aus allen politischen Lagern formuliert wurde, bleibt jedoch festzuhalten, dass die Annahme einer Europäischen Verfassung für die Europäische Union im Vorfeld der Erweiterung einen wichtigen Fortschritt in der Geschichte der Europäischen Union darstellt.

Die Regierungschefs der deutschen Länder betrachten den Entwurf insgesamt als einen Fortschritt für die Weiterentwicklung der Europäischen Integration. Sie sehen in ihm einen wichtigen Schritt hin zu mehr Demokratie, Transparenz, Effizienz und Subsidiarität in der Europäischen Union.

Prof. Hänsch wird über seine Erfahrungen im Konvent berichten, seine Bewertung des vorliegenden Verfassungsentwurfs darstellen und eine Einschätzung zu der gerade begonnenen Regierungskonferenz vornehmen.

Der Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa ist im Internet unter http://european-convention.eu.int abrufbar.