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Die Senatorin für Kinder und Bildung

IGLU-Ergebnisse von 2006: Leseförderung zeigt nur langsam Wirkung

09.12.2008

Bei der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) wurden im Jahr 2006 auch Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgänge aus 26 Bremer Grundschulen in Lesen und Textverständnis getestet. Die Schülerinnen und Schüler mussten Informationen im Text erkennen, wiedergeben, Schlussfolgerungen ziehen und diese bewerten. Deutschland liegt im internationalen Vergleich mit dem 11. Platz zwar im oberen Drittel der 45 teilnehmenden Staaten, Bremen hat aber im Vergleich der Bundesländer untereinander noch immer den letzten Platz inne. Das hat sich seit der ersten Lesestudie 2001 nicht geändert.

Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper: „Auch wenn es beachtliche Zuwächse und eine Annäherung an den Stadtstaat Hamburg gibt, so bin ich dennoch enttäuscht, dass Bremen erneut den letzten Platz belegt.“


Die Ergebnisse im Einzelnen:

  • Bremen liegt mit 522 Punkten im Ländervergleich immer noch auf dem letzten Platz, signifikant unter dem deutschen Mittelwert von 548 Punkten, jedoch über dem internationalen Mittelwert von 506 Punkten. Der OECD-Mittelwert beträgt 537 Punkte. Der Abstand zum nationalen Spitzenreiter Thüringen beträgt 42 Punkte, das entspricht knapp einem Jahr Lernrückstand.
  • Bremen ist zusammen mit Bayern das Land mit den größten Zuwächsen seit IGLU 2001: Beide Länder haben 16 Punkte mehr erreicht als noch 2001.
  • Der Anteil der Risikogruppe (Kompetenzstufe II und darunter) liegt in den Stadtstaaten sehr hoch. Damit sind Schülerinnen und Schüler gemeint, die nicht in der Lage sind, zusammenhängende Informationen aus einem Text zu entnehmen. Die Risikogruppen sind in Hamburg: 22,1 Prozent, Bremen: 22,5 Prozent, Berlin: 24,9 Prozent. Insgesamt liegen sie also in allen Stadtstaaten über 20 Prozent. Zum Vergleich: Im bundesdeutschen Durchschnitt liegt der Anteil nur bei 13,2 Prozent in Thüringen bei 6,8 Prozent.
  • IGLU misst auch den Anteil der Spitzenleser auf der höchsten Kompetenzstufe. Das sind Schülerinnen und Schüler, die die Hauptgedanken eines Textes interpretieren und selbständig damit arbeiten können. Der Anteil der Spitzenleser ist in Bremen mit 5,5 Prozent so niedrig wie in keinem anderen Bundesland, jedoch vergleichbar mit Hamburg (6,8 Prozent). Zum Vergleich: Im Land Bayern ist er mit 15,3 Prozent am höchsten.
  • Kinder mit Migrationshintergrund lesen in Bremen besonders schlecht. Mit durchschnittlich 509 Punkten erreichen die Kinder, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden, 42 Punkte weniger als Kinder aus Familien ohne Migrationshintergrund (551 Punkte). Deren Leseleistungen liegen damit immer noch über dem internationalen Durchschnitt von 506 Punkten und sind genauso leistungsstark wie die entsprechende Gruppe von Kindern im Land Bayern. Auch dies ist vergleichbar mit den Ergebnissen aus Hamburg (514 und 555 Punkte) und Berlin (504 und 552 Punkte). Insgesamt sind die Ergebnisse der Kinder mit Migrationshintergrund in allen Ländern ähnlich.
  • Jungen lesen signifikant schlechter als Mädchen, der Abstand beträgt 10 Punkte. Bezüglich dieser Differenz liegt Bremen im Mittelfeld, ähnliche Differenzen liegen in Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen vor.
  • Die Differenz von Leseleistungen von Kindern aus Familien mit mehr als 100 Büchern zu denen mit wenigen Büchern beträgt in Bremen 51 Punkte, das ist etwa ein Schuljahr Lernabstand. In Hamburg und Berlin ist diese Differenz noch größer (63 und 70 Punkte). Im bundesdeutschen Durchschnitt beträgt die Differenz 40 Punkte.


Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper zu den Ergebnissen: „Wir dürfen die qualitative Entwicklung von Schulen nicht nur auf die Sekundarstufe I konzentrieren, sondern müssen auch die Grundschulen im Blick behalten. Insbesondere geht es um Grundschulen in sozial schwierigen Lagen. Maßnahmen müssen weiter verstärkt werden, die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund erfordert unsere Aufmerksamkeit. Besonders wichtig sind die Übergänge von der Grundschule in die Sekundarstufe I. Schülern, die mit mangelnden Lesefähigkeiten jetzt dort ankommen, muss geholfen werden, damit sie den Anschluss schaffen.“


Folgende Maßnahmen werden verstärkt:

  • Im Zusammenhang mit dem Schulentwicklungsplan wird, beginnend im kommenden Schuljahr 2009/2010, die Sprachförderung intensiviert. Sie soll nach entsprechenden Tests der Viereinhalbjährigen bei Förderbedarf bereits im Kindergarten beginnen und dann in der Grundschule fortgesetzt werden. Alle Kinder werden getestet. Sofort anschließende Sprachförderung wird verpflichtend im novellierten Schulgesetz geregelt. Um Fortschritte messen zu können, wird nach einem Jahr ein weiterer Test durchgeführt. Die Zahl der förderbedürftigen Jungen und Mädchen wird wesentlich höher angesetzt als bisher. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft rechnet mit 40 Prozent aller getesteten Kinder, bisher waren es 15 Prozent.
  • In allen Grundschulen gibt es inzwischen Leseclubs, wo Schülerinnen und Schüler in entspannter Atmosphäre Bücher kennen lernen. Hier werden Leistungsstarke und Leistungsschwache gleichermaßen gefördert.
  • In der Stadtgemeinde Bremen engagieren sich seit drei Jahren 150 ehrenamtliche Lesehelferinnen und Lesehelfer. In Zusammenarbeit mit der Freiwilligenagentur werden sie geschult und in 170 Grundschulklassen eingesetzt und helfen 3500 Kindern beim Lesenlernen. Diese Aktivität soll noch verstärkt werden.
  • Das Projekt ProLesen ist ein länderübergreifendes Projekt zur Leseförderung, bei dem es um Lesemotivation speziell für Jungen geht. Zwei Grundschulen in Bremen erarbeiten derzeit vorbildhaft Konzepte, die auch an anderen Grundschulen umgesetzt werden sollen.

„Lesen ist eine Schlüsselkompetenz für den Wissenserwerb“, sagte Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper. „Studien belegen, dass Kinder mit Vorlese- und Erzählerfahrung bereits in der Grundschule einen Vorsprung vor Altersgenossen haben, die abends ohne Geschichte ins Bett gehen müssen.“ Die Bildungssenatorin verwies in diesem Zusammenhang auf alarmierende Ergebnisse der aktuellen Studie der Stiftung Lesen. Danach haben 45 Prozent der 14- bis 19-Jährigen erklärt, dass sie als Kind nie ein Buch geschenkt bekamen. Die Zahl der Bücher pro Haushalt sinke kontinuierlich, und jeder vierte Deutsche lese nach Selbstauskunft überhaupt keine Bücher. „Eltern können viel tun, wenn sie ihren Kindern vorlesen, ihnen Geschichten erzählen und zu Hause eine aufgeschlossene Atmosphäre für Bücher schaffen“, sagte die Senatorin. Das erleichtere die Arbeit der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer. „Weihnachten steht vor der Tür, schenken Sie Ihren Kindern ein Buch“, gab sie einen Tipp.


Anlage: IGLU-Beispielaufgaben