Sie sind hier:
  • Vom Pinselstrich zum Strassenschild: Van Gogh-Felder

Sonstige

Vom Pinselstrich zum Strassenschild: Van Gogh-Felder

26.09.2002

Die Menschen fragen: Was kommt nach dem Blauen Reiter? Was wird es zum Ausstellungsereignis

„Van Gogh: Felder – Das Mohnfeld und der Künstlerstreit“ in Bremens Stadtbild zu sehen geben? Abgeschnittene Ohren auf keinen Fall! „Erstens hat sich der Künstler kein Ohr abgeschnitten, sondern sich bei einem seiner Anfälle nur am Ohr verletzt,“ erläutert Kustodin Dr. Dorothee Hansen, die für die Ausstellungskonzeption verantwortlich zeichnet. „Und zweitens sollte ein Symbol für eine Ausstellung mit dem Thema Felder auch direkt damit in Verbindung stehen. Die Ausstellung wird nicht das Leben des Künstlers illustrieren, sondern intensiv in seine Kunst einführen. Dies muss sich auch in den Außendarstellungen und Werbemaßnahmen spiegeln.“


Keine leichte Aufgabe für die Kunsthalle Bremen und ihre kreativen Partner. Schließlich galt es, neben Plakaten, Broschüren und Anzeigen auch Ideen für eine Stadtbildpräsenz und ein Wegeleitsystem zur Ausstellung zu entwickeln. Dazu konzentrierte man sich als Inspirationsquelle auf das Gemälde, das der Ausstellung den Anstoß gab: Van Goghs Mohnfeld. Bereits 1911 hatte der damalige Kunsthallen-Direktor Gustav Pauli das Werk des holländischen Malers erworben. Damals unter heftigem Protest deutscher Künstler, die sich gegen den Einzug der französischen Moderne in deutsche Museen wandten.


Zarte Mohnblumen auf Wiesen und Gewässern
Der erste Sympathieträger war schnell gefunden: Die Mohnblume mit ihrer zarten und farbenfrohen Blütenpracht sorgte für vielfache Hingucker. Im Mai als schwimmendes Feld in den Bremer Wallanlagen und ab Juli als aufwändig gestecktes Feld auf grüner Wiese bei der Landesgartenschau in Bad Zwischenahn. Tütchen mit Mohnsamen reisten in Briefumschlägen in alle Himmelsrichtungen. Der Verkehrsknotenpunkt Rembertikreisel verwandelte sich in ein Kornfeld mit Mohnblumen. Und auf den Tresen der Bremer Hotels prangen seit Januar 2002 Mohnblütenkästen, die auf die bevorstehende Ausstellung aufmerksam machen. Ab Mitte Oktober geht ein 36 Quadratmeter großes Mohnfeld im Nordwesten sowie in Mannheim und Wiesbaden auf Reisen.


Felder in der Bremer City
Doch was tun in der dunklen Jahreszeit, in der das Bremer „Schmuddelwetter“ zarten Blüten keine Chance lässt? Die Bremer City-Initiative entschied sich für eine Aktion innerhalb der Geschäfte und engagierte den Maler Hee Cheol Kim, der insgesamt 40 Bilder im Stile von Van Goghs Felder-Gemälden anfertigte. Zur Zeit sind die farbstarken Werke noch in Ladenfenstern zu bewundern. Am 1. November werden sie im Hilton-Hotel versteigert. Weitere Infos unter www.bremen-city.de. Seit Mitte September ist der Maler mit Van Goghs Mohnfeld-Motiv in DB-Bahnhöfen in Nordwestdeutschland als Bote der Ausstellung zu erleben. Der Hauptsponsor Karstadt Bremen zeigt in seinen Verkaufsräumen vom 10. Oktober bis 9. November eine Ausstellung unter dem Titel „Van Gogh: Felder - Die Gemäldekopien der Ausstellung“ mit 24 Ölbildern von Jöns Thomalla, die anschließend zum Verkauf stehen.



Vom Pinselstrich zum Straßenschild - Die spannende Geschichte des Van Gogh: Felder-Wegeleitsystems
Die Gestalter vom Büro Brückner + Partner und der GfG/Gruppe für Gestaltung setzten an einem ganz anderen Punkt an: Ihr Ziel war es, den Reiz der Materialität der Bilder Van Goghs zu transportieren. Der Besucher soll aus der Ferne nach Bremen reisend zunächst nur Ausschnitte aus den Van Gogh-Gemälden im Stadtbild sehen, um dann in der Kunsthalle die Originale in ihrer ganzen Größe und Farbenpracht für sich zu entdecken.

Aus dem Mohnfeld, das noch bis zur Ausstellung restauriert wird, wurden dazu 1,5 Zentimeter große Bildausschnitte gewählt, die mit einem 3D-Scanner per Laser abgetastet und dann auf 27 Zentimeter vergrößert im Tiefziehverfahren mit einer Vier-Achs-Maschine in erhärtete Flüssigkeit geschrieben wurden. Für diese komplizierte Übersetzungsarbeit gewann die Kunsthalle das Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaft (BIBA) als Partner. Dem erhärteten Modell brauchte man nur noch eine Kunststoff-Schale überziehen und fertig waren die plastischen Quader mit den Originalpinselstrichen, deren Struktur man nun mit der Handfläche nachfühlen kann.


Bis es soweit war, mussten Dr. Ing. Christoph Ament vom BIBA und Gemälderestauratorin Barbara Wiemers einige Hürden überwinden: Wegen der hohen Versicherungssumme des Mohnfeldes musste das Scanner-Gerät zum Bild kommen. Außerdem stellte man fest, dass die rote Farbe im Gemälde auch 110 Jahre nach seiner Entstehung noch nicht völlig getrocknet ist. Damit die sensible Pigmentierung nicht angegriffen wird, wurden nach aufwendigen Tests spezielle Lichtfilter eingesetzt, die eine unschädliche Behandlung des Bildes garantierten.


Und so weisen ab sofort echte Pinselstriche von Van Gogh, dreidimensional und 18-fach vergrößert, den Weg zur Ausstellung. Für Fußgänger auf den Innenstadtwegweisern und für Autofahrer an den Lichtmasten - die Anbringung übernimmt die swb Enordia mit freundlicher Genehmigung des Stadtamtes. „Bitte nicht abschrauben!“ wünschen sich alle Beteiligten. Im Kunsthallen-Shop sind die Pinselstiche zum Anfassen ab Anfang November als Lampen-Objekte für daheim zu erstehen. Nach Ausstellungsende gibt es hier auch die Schilder des Wegeleitsystems als kultverdächtige Andenken zu kaufen.


Die Ausstellung wird gefördert von der Brauerei Beck & Co, Weser-Kurier, Karstadt Warenhaus AG, swb Enordia, Ströer Out-of-Home Media, Deutsche Post World Net, Commerzbank Stiftung. Medienpartner: Radio Bremen, NDR. Mit freundlicher Unterstützung der Bremen Marketing GmbH.