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Die Senatorin für Justiz und Verfassung

Aufhebung des Haftbefehls gegen einen wegen Totschlags angeklagten Untersuchungsgefangenen

16.03.2004

Der Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen hat durch Beschluss vom 12. März 2004 den Haftbefehl gegen den wegen Totschlags vor dem Landgericht Bremen angeklagten Florian W. aufgehoben und ihn aus der Untersuchungshaft entlassen. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, am 7. August 2003 in Bremen den homosexuell veranlagten Horst L. erstochen zu haben, als sich dieser dem Angeklagten in sexueller Absicht näherte.

Der Haftbefehl wurde aufgehoben, weil der Angeklagte länger als sechs Monate in Untersuchungshaft war. Die Strafkammer des Landgerichts hatte gegenüber dem Oberlandesgericht vorgetragen, dass sie überlastet sei und deshalb frühestens im Juni dieses Jahres verhandeln könne. Diese Verfahrensverzögerung verletzt nach Auffassung des OLG das Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§ 121 StPO). Der Haftbefehl sei deshalb aufzuheben gewesen.

Der Beschluss stützt sich auf die Angaben des Strafkammervorsitzenden, dass die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer dem Präsidium des Landgerichts Bremen offensichtlich nicht möglich und deshalb auch nicht zu erwarten gewesen sei. In Fällen der Überlastung einer Strafkammer bildet das Präsidium des Gerichts normalerweise eine sogenannte Hilfsstrafkammer, die die Verhandlung dann durchführt. Warum ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden ist, wird vom Präsidenten des Landgerichts, Wolfgang Golasowski, zur Zeit geprüft.

Justizstaatsrat Ulrich Mäurer: „Fakt ist, dass sich die Eingänge der Verfahren bei den Strafkammern des Landgerichts in erster Instanz im Zeitraum 1993 – 2003 von 196 auf 148 und in der Berufungsinstanz von 476 auf 317 reduziert haben. Dies entspricht einem Rückgang von ca. 25 bzw. 31 Prozent. Sind 1994 13,5 Richter mit der Erledigung dieser Verfahren befasst gewesen, waren es 2003 15,8 Richter. Angesichts dieser Zahlen scheint sich mir eine Überlastung des Vorsitzenden nicht von selbst zu erklären.“

Sobald das Ergebnis der Überprüfung durch den Landgerichtspräsidenten vorliegt, wird der Senator für Justiz und Verfassung eine abschließende Bewertung vornehmen.

Zum Hintergrund:
§ 121 StPO Abs. 1 und 2 lauten wie folgt:

Absatz 1:
Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrecht erhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

Absatz 2:
In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Ober-landesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.