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Der Senator für Inneres und Sport

Festrede des Senators für Inneres, Kultur und Sport, Dr Kuno Böse

15.05.2002

Es gilt das gesprochene Wort!
100 Jahre Stadtbibliothek Bremen

In seiner Rede auf dem Festakt zum 100jährigen Bestehen der Stadtbibliothek Bremen führte der Senator für Inneres, Kultur und Sport, Dr. Kuno Böse, heute Morgen (15.5.2002) unter anderem aus:


„Ein Jahrhundert Stadtbibliothek Bremen! Eine der großen öffentlichen Bibliotheken Deutschlands blickt auf eine bewegte Geschichte zurück und lädt zugleich ein, auch einen Blick in die Zukunft zu werfen.


Das wollen wir feiern! Heute mit diesem Festakt. Weiter mit einer Ausstellung und einem umfangreichen Programm von Heute bis zum 18. Mai in der Unteren Rathaushalle, zu dem sie herzlich eingeladen sind. Und nicht zuletzt mit einem Buch über die Geschichte der Stadtbibliothek Bremen, das sie überall in Bremen auch kaufen können.


Eine solch erfolgreiche Entwicklung haben sich die Gründer vor 100 Jahren möglicherweise erhofft aber sicherlich kaum vorgestellt, als sie sich im Januar 1901 in prominenter Runde in Bremen versammelten: Der wohlhabende Senator und spätere Bürgermeister Victor Wilhelm Marcus, der streitbare Pastor Albert Kalthoff und der ehemalige Sparkassendirektor Georg H. Claussen gründeten im Jahre 1900 zusammen mit anderen interessierten Bremern einen Verein namens „Lesehalle“.


Ihre Vision: Sie wollten - erstmalig in der Geschichte Bremens - eine Bibliothek gründen, die der ganzen Bevölkerung offen stand. Alle Bremerinnen und Bremer sollten in einer professionell geführten Bibliothek in den Genuss einer großen Auswahl an so genannter unterhaltender und belehrender Literatur kommen.


Bereits 14 Monate später, am 15. Mai 1902, also genau heute vor einhundert Jahren, eröffnete in einem eigens dafür errichteten Neubau am Ansgarikirchhof 11 unter der Leitung von Arthur Heidenhain die erste Bremer Lesehalle.


Wie auch viele andere Bremer Kultureinrichtungen, wie z.B. die Kunsthalle, das Focke-Museum oder auch das Kulturzentrum Schlachthof, wurde die Lesehalle von engagierten Bremer Bürgern gegründet. Oder wie man heute kurz sagen würde: Durch eine Bürgerinitiative. Sie blieb es auch eine ganze Weile und lebte vor allem durch Spenden.


Die wechselhafte Geschichte des 20. Jahrhundert prägte auch die Geschichte der Lesehalle und späteren Stadtbibliothek Bremen. Zunächst verzeichnete die Lesehalle ein rasches Wachstum in allen Bereichen. Sie eröffnete die erste Filiale im Bremer Westen und verschickte Buchpakete an die Besatzungen der Feuerschiffe in der Außenweser. Während der Inflation und der Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre brach der Betrieb jedoch gleich zweimal völlig zusammen und entging nur knapp dem Konkurs.


In den 30er Jahren entwickelte sich die - nun offiziell in „Volksbüche-reien“ umbenannte - Einrichtung in der Fläche. Zwischen 1933 und 1937 wurden gleich vier Filialen eröffnet: Die Neustadt, Gröpelingen, der Osten und Rablinghausen bekamen Zweigstellen. Nach der umfassenden Gebietsreform von 1939, durch die der größte Teil des heutigen Bremer Nordens sowie die Stadtteile im Bremer Osten eingemeindet wurden, ging das Wachstum weiter: Neun Sammlungen und Filialen zwischen Farge, Blumenthal, Mittelsbüren und dem heutigen Horn-Lehe zählten zur Volksbücherei.


Die Bombardements während des Zweiten Weltkriegs überstanden Personal und Bestände der Bibliothek zwar einigermaßen glimpflich. Zerstörerischer dagegen hatten die Nationalsozialisten gewütet: Ihren Säuberungen sind neben zahllosen Fachbüchern auch viele Werke der deutschen wie der Weltliteratur zum Opfer gefallen und die Sammlungen waren so kaum noch brauchbar.


Der Aufstieg der Stadtbibliothek Bremen zur großen bremischen Einrichtung der kulturellen Bildung begann erst nach dem Zweiten Weltkrieg und zunächst als „Volksbüchereien der Freien Hansestadt Bremen“. Buchstäblich mitten in der Trümmerwüste Bremens baute der legendäre Bibliotheksdirektor Werner Mevissen eines der größten und jahrelang vorbildlichsten Bibliotheksnetze der Bundesrepublik auf. „Für jeden Stadt- und Ortsteil eine Erwachsenenbibliothek. Für jede Schule eine Kinder- und Jugendbücherei“ lautete das Motto für eine nahezu flächendeckende Versorgung in Bremen.


Doch der Bau einer Zentralbibliothek blieb ihm genauso verwehrt wie seiner, ansonsten erfolgreichen Nachfolgerin Martha Höhl. Pläne für innerstädtische Standorte für die Zentrale gab es etliche, doch konnte keiner wegen der finanziellen Probleme der Stadt realisiert werden. Seit Anfang der 80er Jahre wurde die einst so vorbildliche Struktur der Stadtbibliothek zunehmend herunter gespart und Standorte in den Stadtteilen mussten geschlossen werden.


Mit einem umfassenden Modernisierungsprogramm begann die Stadtbibliothek schließlich den Neuanfang. Die seit 1992 amtierende Direktorin Barbara Lison musste zwar zunächst weitere Filialen schließen. Doch zugleich wurde unter ihrer Leitung die Elektronische Datenverarbeitung und das Internet – heute mit mehr als 60 Terminals - eingeführt und das Angebot um ausgewählte Spiele, Filme auf Video und DVD, CD-ROM, Audiobooks sowie um Musik-CDs erweitert. Der damit verbundene Attraktivitätsschub führte zu deutlich erhöhten Ausleihen und Kundenbesuchen.


Seit dieser Zeit diskutiert die Politik in Bremen ein Bibliothekskonzept 1 + 4 und erstmalig war eine moderne Zentrale mit Regionalbibliotheken im Gespräch. Als erster neuer dezentraler Standort konnte die Stadtbibliothek West in Gröpelingen 1999 eröffnet werden. Auch wenn dort noch nicht alle Standards einer zeitgemäßen Regionalbibliothek erfüllt sind, ist sie außerordentlich erfolgreich und bereits zukunftsweisend, auch als Standard für die weiter geplanten regionalen Standorte und die Zentrale.


Diese neue Zentralbibliothek ist nun vom Senat beschlossene Sache, sie wird – wie sie sicherlich schon wissen - im ehemaligen Polizeihaus neu entstehen und den Bürgerinnen und Bürgern und der Stadt Bremen als Kompetenzzentrum für Information und Kultur zur Verfügung stehen und zugleich Innenstadt und Kulturmeile miteinander verbinden. Hier zeigt sich die Aufgabe der – zwischenzeitlich zum Eigenbetrieb weiterentwickelten – Stadtbibliothek. Die Zentrale soll Anfang 2004 eröffnet werden und ein Ort sein für: die moderne Vermittlung und Kommunikation mit aktuellen Medien, ein zeitgemäßes Medien- und Veranstaltungszentrum als Antwort der Stadt Bremen auf die Herausforderungen der digitalisierten Wissensgesellschaft.


Auch wollen wir sukzessive die dezentralen Standorte der Bibliothek modernisieren und verbessern: Zum einen in Huchting, wo die Bibliothek aus einer Schule in das neu gestaltete Roland-Center, den zentralen und kommunikativen Ort im Stadtteil ziehen soll. Zum anderen in der Vahr, wo ebenfalls ein Umzug der Stadtteilbibliothek in das neu entstehende Zentrum des Stadtteils geplant ist.


Meine Damen und Herren, sie sehen, dass wir aktiv, kontinuierlich und zukunftsweisend an der weiteren Geschichte der Bibliothek in Bremen arbeiten. Zugegebenermaßen auch gegen manche Kritik. Aber doch mit dem Bewußtsein, dass nur eine zeitgemäße und moderne Bibliothek ihren gesetzlichen Auftrag auf Vermittlung und Information erfüllen kann und so von den Bürgerinnen auch aktiv genutzt wird. Nur so kann deren Partizipation und Chancengleichheit in unserer ausdifferenzierten Gesellschaft gewährleistet werden.


Aktuelle Begründungen für unsere kulturpolitischen Anstrengungen im Bereich der Kulturellen Bildung, wozu ja die Bibliothek – neben der VHS und der Musikschule - als eine der wichtigen Kern-Einrichtungen gehört, würde ich in Stichworten folgendermaßen kurz skizzieren, auch wenn ich sie hier in diesem Rahmen nicht weiter ausführen kann:


Zum Beispiel zur Bildungsstudie „Pisa“: Der Vergleich mit den anderen Ländern zeigt, dass diejenigen Länder, die auf der Skala der Pisa-Bewertung weiter oben liegen, nicht nur gute bzw. andere Schulformen, sondern auch hervorragend ausgebaute Schul- und Stadtbibliotheksnetze für Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben. Hieraus sollten, ja müssen, wir lernen.


Zur derzeitigen Diskussion um die Zuwanderung: Neben der schulischen Vermittlung der Sprache kommt insbesondere dem außerschulischen Bereich eine besondere Bedeutung zu Hierzu gehört sowohl das Angebot einer VHS aber auch gerade die Angebote einer öffentlichen Bibliothek im Bereich der Leseförderung. Auch dieser Zugang für Zuwanderer ausländischer Herkunft muß erhalten und erweitert werden.


Zur aktuellen Diskussion um Gewalt und Medien: Gerade die Stadtbibliothek mit ihrem Medienbestand und ihrem Vermittlungsauftrag setzt hier ein gewaltfreies und offensives Gegengewicht gegen Gewalt verherrlichende Produkte der kommerziellen Anbieter. Hier bietet zumindest die Medienpädagogik eine Chance, die offensiv genutzt werden muss!


Zur Diskussion um Stadt- und Standortentwicklung in Bremen: Mit der Ansiedlung der Stadtbibliotheken sollen sowohl die Zentren als auch die Nebenzentren in Bremen gestärkt werden. Davon profitiert auch die Politik, die die Kultur als Standortfaktor zur Wirtschaftsansiedlung nutzt. Weiter profitieren davon in der Folge die Betriebe, die dort Beschäftigten mit ihren Familien und natürlich auch die Stadtbibliothek, die mit ihrem modernen Dienstleistungsangebot eben genau in diese Zentren gehört. .


Nun möchte ich der Jubilarin meine ganz herzlichen Glückwünsche aussprechen und ihr weitere gedeihliche einhundert Jahre wünschen. Uns allen wünsche ich in naher Zukunft ein Wiedersehen in der neuen Zentralbibliothek!


Davor habe ich aber noch die Freude, Sie alle im Anschluss an diese Veranstaltung in den Festsaal nebenan zu einem Senatsempfang einzuladen.“