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Der Senator für Finanzen

Offener Brief von Staatsrat Dannemann an die Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert

21.11.2002

Staatsrat Dr. Günter Dannemann vom Senator für Finanzen hat heute (21.11.2002) den folgenden Offenen Brief an die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, Karoline Linnert, gerichtet:


„Sehr geehrte Frau Linnert,

auf Bitte Ihres Fraktionskollegen, des von mir hochgeschätzten Herrn Mützelburg, hatte ich zugesagt, am 05.12.2002 um 19.00 Uhr einen Vortrag mit Diskussion vor der erweiterten grünen Bürgerschaftsfraktion (ohne Presse) zu halten zum Thema „Wie geht es mit dem Stadtstaat Bremen weiter?“.

Ihr Interview im Weser Kurier vom heutigen Tage ist Anlass für mich, den Vortrag abzusagen.

Ihr Vorwurf der „Dauerlüge“ und „Verschwendung“ trifft nicht nur Finanzsenator Perschau, sondern auch mich persönlich und die von mir lange Jahre geführte Finanzverwaltung. Wir haben die Sanierungspolitik des Senats mitformuliert und stützen sie vollinhaltlich. Darüber hinaus trifft Ihr Vorwurf den Präsidenten des Senats, den gesamten Senat, die Staatsräte und die Koalitionsfraktionen. Befremdlich für mich ist auch, dass Sie am gleichen Tag eine Einschätzung pressemäßig als Ihre eigene Einsicht verwerten, die ich am Vormittag anlässlich eines Arbeitsgesprächs über Beteiligungsmanagement mit den Fraktionssprechern des Haushalts- und Finanzausschusses und Ihnen geäußert habe. Die angekündigte Verfassungsklage Berlins hat mich zu der Einschätzung veranlasst, dass zukünftig die drei Stadtstaaten gegen die 13 Flächenländer, den Bund und die herrschende Meinung der Finanzwissenschaft stehen werden und deshalb der Schulterschluss auf Stadtstaatenebene nötig sei.


Inhaltlich schlagen Sie in Ihrem Interview Kapriolen. Der zweite Kanzlerbrief kurz vor der Bundestagswahl äußert die Erwartung, dass aufgrund der Steuersenkungsgesetze des Bundes die Konjunktur so anspringen wird, dass im Jahr 2005 die Steuerausfälle kompensiert werden. Drei Monate später haben wir Steuerausfälle, die nach unseren momentanen Berechnungen zu einem Anspruch von 400 Mio. € jährlich ab 2005 aufgrund des Kanzlerbriefs führen.

Wie Sie dazu kommen, den Ausgleich konjunktureller Steuermindereinnahmen als „völlig unrealistische und überzogene Forderungen“ zu bezeichnen, ist mir schleierhaft. Wenn Sie dann noch hinzufügen: „Wie werden auch nach 2005 weiter auf die Hilfe des Bundes angewiesen sein“, dann sagen wir nichts anderes. Bremen hat dafür nicht nur die politische Zusage des Kanzlers, sondern darüber hinaus einen verfassungsrechtlichen Anspruch. Sie, Frau Linnert, täten gut daran, Ihren grünen Teil der Bundesregierung dazu zu bringen, den bremischen Anspruch durch Konjunkturbelebung möglichst zu reduzieren.

Ihren Vorwurf der „Verschwendung von viel Geld für unsinnige Großprojekte“ weise ich mit Nachdruck zurück. Ihr Konzept, zukünftig wirtschafts- und finanzkraftstärkende Investitionsmittel (dies ist übrigens Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes und des von Rot-Grün auf den Weg gebrachten Finanzausgleichsgesetzes!) in konsumtive Mittel für Bildung, Kultur, Naherholung und eine noch tollere Universität zu stecken, mag zwar für Ihre grüne Klientel populär sein, verstärkt aber das Problem. Das strukturelle Defizit im konsumtiven Haushalt und der Schuldenstand würden vergrößert.

Letztlich würde Ihr Vorschlag dazu führen, dass unser Stadtstaat Bremen nicht einmal mehr die Chance hätte, seine Selbständigkeit zu erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Günter Dannemann“