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Die Senatorin für Kinder und Bildung

Lemke berät mit Schulleitungen Behandlung des Terroranschlages und seiner Folgen in den Schulen

21.09.2001

Aufruf des Senators an alle Lehrerinnen und Lehrer

Senator Willi Lemke hat sich heute mit den Schulleitungen der Stadtgemeinde Bremen getroffen, um mit ihnen die Behandlung der Terroranschlags in den USA in den Schulen zu besprechen. Es ging es darum, Erfahrungen zu dem bisherigen Umgang mit diesem Thema auszutauschen und sich darüber zu verständigen, was die Schulen in dieser Situation tun können, und zu klären, welche Unterstützung sie benötigen.

Anlässlich dieses Treffens gab der Senator einen Aufruf an die Lehrerinnen und Lehrer des Landes Bremen heraus.

Der Aufruf hat folgenden Wortlaut:


Der terroristische Angriff auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington am 11. September 2001 hat Tausende unschuldige Menschen in den Tod gerissen. Unsere Gefühle sind von Trauer, Mitgefühl, Entsetzen und Erschrecken bestimmt. Nie zuvor ist uns die Verletzlichkeit unserer hochkomplexen modernen Großstädte so unmittelbar ins Bewusstsein gebracht worden. In uns sind anhaltende Ängste geweckt.


Schüler und Lehrer bewegen die Fragen,

  • ob wir auch Ziel eines solchen Angriffs werden können,

  • wie die Antworten der USA ausfallen und wen sie treffen werden,

  • welche Gegenreaktionen dadurch ausgelöst werden,

  • ob wir durch die schrecklichen Ereignisse einem neuen Krieg entgegen gehen,was wir für ein friedliches Zusammenleben der Menschen tun können.


Die Bilder im Fernsehen, die ununterbrochen gesendet wurden, wirkten wie Szenen aus einem Science Fiction Film – aber sie bildeten eine schreckliche Wirklichkeit ab.

Die Grausamkeit des Terrorangriffs löst bei vielen das Rachebedürfnis aus, die Bösen im Namen des Guten bestrafen zu wollen und unschädlich zu machen. Das sind menschlich verständliche Reaktionen, die aber auf lange Sicht Gewalt und Terror nicht überwinden werden. Im Gegenteil: Terror blüht geradezu im Umfeld eines fanatischen Hasses. Es kommt daher darauf an, die Gründe für diesen Hass zu analysieren und Wege zu suchen, ihn gar nicht erst entstehen zu lassen.


Die jetzt notwendigen Diskussionen über religiösen Fanatismus, seine Hintergründe und Ursachen, müssen so geführt werden, dass sich gerade die muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrer Religiosität nicht verletzt und diskriminiert fühlen.

In der augenblicklich vorherrschenden Atmosphäre der Angst ist das von Toleranz und Fairness geprägte Gespräch mit Muslimen und über den Islam eine vordringliche Aufgabe des gesellschaftlichen Diskurses.


Schule ist nicht nur ein Lernort. Gerade in emotional belasteten Zeiten ist Schule ein wichtiger Ort, mit dem Schüler und Schülerinnen ihre Wünsche nach Entlastung, Hilfe, Orientierung und Verständnis verbinden. Umgang mit dieser Erwartungshaltung und den Ängsten vor der unmittelbaren Zukunft stellt eine sehr schwierige Bewältigungsaufgabe für die Lehrerinnen und Lehrer dar. Es ist eine Herausforderung, der sie sich neben den schulischen Regelaufgaben stellen müssen.


Notwendig und sinnvoll ist es, dass Schule sich mit den Terrorismus-Problemen und deren Ursachen befasst , denn die Wurzeln liegen ja nicht allein im Irrationalen, sondern haben oft auch eindeutige politische, ökonomische und soziale Hintergründe.


Über die kognitive Ebene hinaus dürfen die emotionalen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler dabei nicht zu kurz kommen; so dass sie das, was sie berührt, auch im Unterricht zum Ausdruck bringen können. Wir müssen ihre Einschätzungen und Ängste ernst nehmen und daran anknüpfen. Die Ängste muslimischer Schülerinnen und Schüler, möglicherweise auch ihre bitteren Erfahrungen von Ausgrenzung und Aggression sind hierbei besonders zu beachten. Hierzu muss Raum und Zeit gegeben werden. Viele Schulen haben bereits schulinterne Gestaltungsformen gefunden, die hilfreich sind.


Kirchengemeinden, aber auch Moscheen in der Nachbarschaft können mit ihren besonderen Räumen eine Hilfe sein, um Emotionen und Ängste, aber auch Klagen zu artikulieren. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir das Vertrauen nicht verlieren, dass sich das Engagement für ein friedliches Zusammenleben in dieser Welt lohnt.


Es geht im Sinne produktiver Bewältigung darum, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Zukunftsperspektiven zu entwickeln, um neben den Gefühlen von Wut, Angst und Ohnmacht die Vision einer toleranten und humanen Welt lebendig zu erhalten.


Willi Lemke,Senator