Sie sind hier:
  • "Wir haben gute Argumente" - Senat beschließt offizielle Stellungnahme zur Klage Bayerns und Hessens

Der Senator für Finanzen | Senatskanzlei

"Wir haben gute Argumente" - Senat beschließt offizielle Stellungnahme zur Klage Bayerns und Hessens

25.03.2014
Bürgermeisterin Linnert und Bürgermeister Böhrnsen mit Bremens Prozessbeaufgtragten, Prof. Wieland (Mitte), während der Senatspressekonferenz im Bremer Rathaus
Bürgermeisterin Linnert und Bürgermeister Böhrnsen mit Bremens Prozessbeaufgtragten, Prof. Wieland (Mitte), während der Senatspressekonferenz im Bremer Rathaus

Mit einem "versierten und hoch anerkannten Staatsrechtler" (Bürgermeister Böhrnsen über Prof. Joachim Wieland) als Prozessbevollmächtigten geht Bremen in die Auseinandersetzungen um den Länderfinanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht. Bürgermeister Jens Böhrnsen und Bürgermeisterin Karoline Linnert stellten heute (25.03.2014) zusammen mit Prof. Dr. Joachim Wieland die Grundzüge der Klageerwiderung Bremens in einer Pressekonferenz vor. Zuvor hatte Prof. Wieland den Senat in dessen Sitzung informiert.

Böhrnsen: "Wir stehen eng mit den übrigen Ländern gegen Bayern und Hessen zusammen. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem Saarland. Wir wollen in Karlsruhe den ganz eigenen Stellenwert Bremens vor dem Gericht deutlich machen. Dabei werden wir nicht nur abwehren, sondern uns auch offen zeigen für konstruktive Vorschläge, etwa bei Änderungen der Steuerzerlegung oder der Umsatzsteuerverteilung." Böhrnsen kritisiert erneut, dass Bayern und Hessen ihre Klagen nach dem Abschluss des Koalitionsvertrages nicht auf Eis gelegt haben: "Im Koalitionsvertrag ist ein genauer Verhandlungsfahrplan hin zu neuen Bund-Länder-Finanzbeziehungen verabredet. Es geht um Bremens Existenz. Die Politik muss ihre Gestaltungskraft und Kompromissfähigkeit unter Beweis stellen und eine für Bremen und alle anderen Länder akzeptable Lösung finden. Es würde die Verhandlungen erleichtern, wenn Bayern und Hessen ihre Klage zum Länderfinanzausgleich (LFA) vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zurückzögen. Es ist Aufgabe der Politik, durch eine gerechte Finanzverteilung für gleiche Lebensbedingungen im Bundesgebiet zu sorgen. Die Justiz wird keinen konkreten Vorschlag ausarbeiten, das müssen wir schon gemeinsam selbst erledigen."

"Wir haben gute Argumente und scheuen keine Auseinandersetzung vor Gericht", betonte Bürgermeisterin Karoline Linnert auf der heutigen Pressekonferenz. "Der Länderfinanzausgleich soll für gleiche Lebensbedingungen aller Bundesbürgerinnen und –bürger sorgen. Er nivelliert nicht die Finanzkraft der Bundesländer. Das finanziell stärkste Bundesland Bayern führt auch nach dem LFA die Lister der Länder an. An der Rangfolge aller 16 Länder ändert sich nichts, nur die Abstände werden geringer. Auch nach dem Ausgleich hat Bayern mehr finanziellen Spielraum als jedes andere Land. Während Bayern in 2013 für jeden Einwohner 4.033 Euro zur Verfügung hatte musste sich Bremen mit 3.569 Euro begnügen." (vgl. PDF-Download)

Stadtstaaten ohne Einwohnerwertung nicht überlebensfähig
"Die Forderung nach einer Abschaffung der Einwohnerwertung der Stadtstaaten ist die Forderung nach einer Abschaffung der Stadtstaaten selbst. Die negativen Auswirkungen gingen über die Stadtstaaten hinaus. Sie würden ganz Norddeutschland betreffen", stellt Bürgermeisterin Karoline Linnert fest. Bei dem von Bayern geforderten Wegfall der Einwohnerwertung würde Berlin rund 3,5 Milliarden Euro, Hamburg rund 1,3 Milliarden Euro und Bremen rund 669 Millionen Euro pro Jahr verlieren. Kommentar der Bürgermeisterin: "Keiner der Stadtstaaten könnte einen solchen Betrag im Haushalt kompensieren. Bremen wird sich weiter dafür einsetzen, dass der besondere Bedarf der Stadtstaaten ausreichend berücksichtigt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich die strukturelle Andersartigkeit der Stadtstaaten anerkannt. Durch die Einwohnerwertung gegenüber den Flächenländern wird dem Rechnung getragen."

Kommunale Finanzkraft voll berücksichtigen
Die Kläger fordern, die Einnahmen der Gemeinden beim LFA geringer als bisher zu berücksichtigen. Aktuell werden sie zu 64 Prozent berücksichtigt. Bremen lehnt diese Forderung strikt ab. Bürgermeister Böhrnsen erklärt: "Es wäre im Gegenteil richtig, die kommunalen Einnahmen komplett, also zu 100 Prozent bei der LFA-Berechnung einzubeziehen. Das wird allgemein als sachgerecht angesehen."

Bremer Position basiert auf BVerfG-Rechtsprechung
"Die Kläger Bayern und Hessen ignorieren die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und verabschieden sich vom Grundgedanken der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse", stellt Bremens Prozessbevollmächtigter Prof. Dr. Joachim Wieland fest. "Bayern und Hessen haben dem aktuell geltenden Länderfinanzausgleich ausdrücklich zugestimmt und ihn positiv bewertet. Die Regeln kann man nicht einfach ändern, nur weil man mehr zahlen muss, als ursprünglich erwartet. Der LFA soll die Länder in die Lage versetzen, ihre Aufgaben zu finanzieren. Es geht nicht darum, wer wie viel maximal zahlen möchte, sondern darum, wie viel jedes Land benötigt."

LFA ist wichtiger Teil der Bund-Länder Finanzbeziehungen – aber nicht alles
Die Klage Hessens und Bayerns nimmt isoliert den Länderfinanzausgleich ins Visier. Zu einer umfassenden Reform des Systems müssen aber alle Finanzströme zwischen Bund und Ländern in den Blick genommen werden. Bei den anstehenden Verhandlungen um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen gilt es, alle horizontalen und vertikalen Umverteilungsmechanismen in den Blick zu nehmen – beispielsweise die für Bremen wichtige Lohnsteuerzerlegung. Bremen erwartet eine angemessene Beteiligung von Bund (und Ländern) an den Hafenlasten. Bürgermeister Böhrnsen betont: "Die Investitionshilfen für die Häfen sind zu gering, um einen angemessenen Ausgleich für die Hafenlasten zu leisten. Die Infrastruktur in den Häfen ist auch eine nationale Aufgabe und muss von allen mitfinanziert werden." Den vom reichen Süden der Republik gern geforderte Steuerwettbewerb zwischen den Ländern erteilt Bremen eine klare Absage. "Das schafft nur neue Probleme", so Karoline Linnert. "Finanzschwache Länder wären zu Steuererhöhungen gezwungen, finanzstarke Länder würden durch niedrigere Steuern ihre Standortbedingungen weiter verbessern."

PDF-Download: Finanzausstattung der Länder nach Länderfinanzausgleich und allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen (pdf, 37.8 KB)

Foto: Pressestelle des Senats