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Die Senatorin für Kinder und Bildung

Bildung - Migration - soziale Lage

Bildungssenatorin stellt umfassende Datenerhebung im Bremer Senat vor

24.04.2012

Unterstützt durch das Bundesprogramm „Lernen vor Ort“ hat eine Autoren- und Beratergruppe aus den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven im Auftrag von Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper einen ersten Bildungsberichtsband für die beiden Kommunen und das Land erarbeitet. Mit ihm wird eine differenzierte Bestandsaufnahme der Situation des Bildungssystems mit dem Fokus „Migration und soziale Lage“ vorgelegt.
Die Ergebnisse aus dem Bildungsberichtsband sollen die Grundlage für einen Entwicklungsplan Migration und Bildung mit konkreten Empfehlungen und Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Bremer Bildungssystems werden.
„Migration ist allein für sich genommen kein Hinderungsgrund für Bildungserfolg“, so Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper zu den Ergebnissen des ersten Bildungsberichts. „Allerdings sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders häufig von Armut bedroht und leben häufig in Quartieren, in denen prekäre Lebensverhältnisse dominieren. Und: Wer in schwierigen Lebensverhältnissen aufwächst, hat zumeist weniger Erfolg im Bildungssystem. Schulen im Land Bremen stehen damit vor besonderen Herausforderungen“, so die Senatorin weiter.

Zentrale Ergebnisse des Bildungsberichts
Migration ist in Bremens Schulen Normalität: Im Landesdurchschnitt haben 32,9% der Schülerinnen und Schüler der öffentlichen allgemeinbildenden Schulen einen Migrationshinweis. Es gibt kaum noch Kitas und Schulen, in denen weniger als 10 Prozent der Schüler/innen eine Zuwanderungsgeschichte haben. Zugleich unterscheiden sich die Schulen beider Kommunen und innerhalb der Stadt Bremen bezüglich der sozialen und kulturellen Herkunft der Schülerschaft sehr deutlich. In etwa 40 von insgesamt 156 betrachteten öffentlichen Schulen des Landes liegt der Migranten-Anteil über 50 Prozent. Ebenfalls in etwa 40 Schulen des Landes beträgt der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshinweis unter 20 Prozent.

Zugleich sind die Anteile von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Bremerhavens Schulen höher als in Bremen. In der Stadtgemeinde Bremen lag der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshinweis in den unteren Jahrgängen im Schuljahr 2009/10 etwa konstant bei 36 Prozent, er steigt jedoch danach wieder leicht an. In Bremerhaven gilt: Je niedriger die Klassenstufe, desto größer ist hier die Zahl der Migrantinnen und Migranten. In der ersten Klasse lag der Anteil 2009/10 dort bei 45 Prozent.

Erwerbslosigkeit, Armutsrisiko und niedriger Bildungsstand der Erwachsenenbevölkerung sind im Land Bremen besonders stark ausgeprägt. 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind hier von mindestens einer dieser Risikolagen betroffen und 10 Prozent von allen drei Risikolagen. Migrantinnen und Migranten sind besonders stark betroffen: In der Gruppe der erwachsenen Migrantinnen und Migranten im Land Bremen gibt es einen besonders hohen Anteil von Personen, die keinen oder nur sehr niedrige Schul- und Ausbildungsabschlüsse erreicht haben. Migration geht besonders häufig mit einem erhöhten Armutsrisiko einher, insbesondere junge Migrantinnen und Migranten sind im Land Bremen von Armut bedroht.
Jedoch ergeben sich für beide Städte deutlich unterschiedliche Ausgangslagen. In Bremerhaven ist der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshinweis mit 36,2% höher als in Bremen mit 32,1%. Im Gegensatz zu Bremen ist nicht türkisch sondern russisch die am häufigsten erfasste Muttersprache. Migrationsbedingte Unterschiede bei Bildungskennzahlen fallen in Bremerhaven deutlich geringer aus als in Bremen.

Für die Stadt Bremen wurde zudem festgestellt: Je höher der Anteil von Personen, die Leistungen nach SGB II empfangen, in einem Ortsteil ist, desto höher ist dort auch der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund – und umgekehrt. Um die Situation besser einschätzen zu können, wurden die Ortsteile in der Stadt Bremen auf Basis der Kennzahlen „Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ und „Anteil von Kindern und Jugendlichen, die Leistungen nach SGB II erhalten“ gruppiert: In den 30 Ortsteilen der Gruppe A (z.B. Gröpelingen, Tenever, Kattenturm) liegen beide Kennzahlen über und in den 40 Ortsteilen der Gruppe B (z.B. Borgfeld, Oberneuland, Schwachhausen) liegen beide Kennzahlen unter dem stadtweiten Durchschnitt. Die folgende Karte bietet hierzu einen Überblick:

Für die Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Ortsteilen der Stadtgemeinde Bremen wurden differenzierte Analysen durchgeführt. Der Befund: Für Schülerinnen und Schüler, die in Ortsteilen der Gruppe A leben, fallen die relevanten Bildungskennzahlen im Durchschnitt durchweg ungünstiger aus als für Schülerinnen und Schüler aus den Ortsteilen der Gruppe B. Außerdem unterscheiden sich die Schulen in der Stadt Bremen nicht nur bezüglich der ethnisch-kulturellen Zusammensetzung der Schülerschaft voneinander, sondern auch bezüglich des sozialen Gefüges.

In der beruflichen Bildung sind die Ausbildungsleistung im Land Bremen und der Anteil von Personen, die in Bremen eine Berufsausbildung beginnen, im bundesweiten Vergleich hoch. Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz im Land Bremen beginnen jedoch seltener eine Ausbildung und besonders häufig eine Maßnahme im Übergangsbereich. Dies gilt insbesondere für Migrantinnen und Migranten und für Schülerinnen und Schüler mit einem Wohnsitz in der Ortsteilgruppe A: Schülerinnen und Schülern mit Migrationshinweis gelang bei vermuteter ähnlicher sozialer Lage – also aus den gleichen Ortsteilgruppen – ein direkter Übergang in eine Berufsausbildung nur etwa halb so oft wie den Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshinweis. Dafür gingen sie nach Verlassen der allgemeinbildenden Schulen deutlich häufiger in den Übergangsbereich über. Über 50 Prozent der direkten Übergängerinnen und Übergänger mit Migrationshinweis in beruflichsbildende Schulen, die in einem Ortsteil der Gruppe A leben, gingen in den Übergangsbereich, fast nur jedem zehnten dieser Jugendlichen gelang der Übergang in die duale Ausbildung.

Weitere Maßnahmen im Bereich Migration und Bildung sind nötig
Die Daten verdeutlichen, dass die bislang eingeleiteten Maßnahmen – z.B. Leseintensivkurse – noch nicht ausreichen. Besondere Förder- und Unterstützungsmaßnahmen sind vorrangig in bestimmten Stadtteilen nötig – und zwar in enger Verzahnung mit Maßnahmen zur Stadtentwicklung. Daher ist zunächst im Bremer Westen in Gröpelingen ein seit Jahren in der Schweiz im Kanton Zürich erfolgreich laufendes Programm eingeführt worden: QUIMS – Qualität in multikulturellen Schulen und Stadtteilen. Es unterstützt Schulen mit hohem Migrantenanteil in drei zentralen Schwerpunkten: Sprachförderung, Förderung des Schulerfolgs und Elternbeteiligung. Über das Projekt „Lernen vor Ort“ werden dazu im Stadtteil vorhandene Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Selbstorganisationen von Migranten einbezogen. Alle öffentlichen Schulen in Gröpelingen sind beteiligt. Eine Ausweitung auf andere Stadtteile ist geplant.

Weiterführende Informationen:
- Erster Bildungsberichtsband für das Land Bremen:
www.bildung.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen117.c.22800.de
- Expertise von Frau Prof. Dr. Yasemin Karakaþoðlu: www.bildung.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen117.c.23045.de
- Bericht „Lebenslagen in Bremen“ - Armuts- und Reichtumsbericht für das Land Bremen 2009: www.soziales.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen69.c.9894.de

Grafiken: Die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit sowie Statistisches Landesamt Bremen