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Pressemitteilung mit Foto Zurück in Bremen: Odyssee von 12 wertvollen Zeichnungen glücklich beendet

25.07.2001

Bremens Kunsthalle erlebte heute einen großen Medienrummel. Kein Wunder, denn nach einem Jahrzehnte andauernden Kunstkrimi, der einem "Tatort" alle Ehre machen würde, sind 12 äußerst wertvolle Zeichnungen wieder an ihren Ursprungsort zurückgekehrt. Unter ihnen "Das Frauenbad", jene schmerzlich vermisste Federzeichnung von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1496. Die Blätter, datiert vom 15. bis 19. Jahrhundert - waren am 19. Juli unter großer öffentlicher Beachtung in New York von dem amerikanischen Finanzminister Paul O`Neill persönlich dem Kunstverein Bremen als dem Träger der Kunsthalle übergeben worden. Die Zeichnungen gehören zu den 1520 Kunstwerken, die 1943 aus Sicherheitsgründen aus der Kunsthalle Bremen ausgelagert wurden. Sie gelangten bei Kriegsende in die Hände einzelner sowjetischer Soldaten und Zivilisten und galten seitdem als verschollen.


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Wer die verschwundenen, gefundenen, gestohlenen, wieder aufgetauchten, beschlagnahmten und nunmehr heimgekehrten Schätze in Augenschein nehmen möchte, wird sich beeilen müssen. Oder sich bis zum September gedulden, denn die Zeichnungen sind nur wenige Tage, nämlich bis zum kommenden Sonntag (30. Juli) in der Bremer Kunsthalle zu sehen. Dann werden sie von Dr. Anne Röver, der Kustodin des Kupferstichkabinetts, aufgearbeitet. Insbesondere Dürers "Frauenbad" soll dann im September in einer eigenen Ausstellung gemeinsam mit anderen Werken aus der Bremer Kunsthalle und verschiedenen Leihgaben präsentiert und in seiner kulturhistorischen Bedeutung neu gewürdigt werden. Anne Röver hatte die Zeichnungen in New York, wohin sie auf abenteuerliche Weise geraten waren, als Eigentum der Kunsthalle identifiziert.


Von kunsthistorisch großer Bedeutung und Qualität sind auch die beiden Kreidezeichnungen Jacob van Ruisdaels. Zum einen die um 1655/60 vor der Natur skizzierte "Windmühle", die er wenig später in einem Gemälde als Hauptmotiv verwendete. Zum anderen die "Ruine von Schloß Egmont", die er ebenfalls vor Ort zeichnete und im Atelier mit Feder und Pinsel ausführte. Vier weitere Blätter müssen, wie eine neuerliche Prüfung ergeben hat, bisher noch unbekannten italienischen bezw flämischen und holländischen Zeichnern zugewiesen werden. Bei einer um 1500 entstandenen Rötelzeichnung "Zwei Priester vor einem antiken Grabmal", die bisher Andrea Mantegna zugeschrieben wurde, handelt es sich vermutlich um eine Kopie dieses Gemäldes. Eine Umbenennung erfuhr bereits die Federzeichnung "Haman vor Esther und Ahasver", die nicht mehr, wie ursprünglich, Rembrandt zugeschrieben wird, sondern seinem Schüler Jan Victor. Die großartige Studie "Stehende Frau", vielleicht Saskia" dürfte sich nach Auskunft der Kunsthalle dagegen als typische Federzeichnung Rembrandt behaupten. Die jüngste der Zeichnungen, eine Studie eines "Grabenden Bauern" ist als Werk des französischen Malers Jean-Francoise Millet ausgewiesen.


Insgesamt reflektieren die 12 Zeichnungen das weite Spektrum europäischer Zeichenkunst - aber auch die Sammlungsgeschichte des 1823 gegründeten Bremer Kunstvereins. Mehr als die Hälfte der Zeichnungen wurden bereits in den 1820 und 1850er Jahren erworben und werden seitdem in der älteren und der jüngeren Literatur immer wieder erwähnt. Entsprechend groß über die Rückkehr ist denn auch die Freude sowohl bei dem Direktor der Bremer Kunsthalle, Prof. Wulf Herzogenrath wie auch beim Direktor des Bremer Kunstvereins, Georg Abegg. Beide berichteten von einem "großen und beeindruckenden Ereignis", als vor sechs Tagen in den Räumen der Oberen Zollbehörde in New York die Zeichnungen an die Bremer ausgehändigt wurden.


Die Odyssee der Zeichnungen lässt sich bis 1993 zurückverfolgen, als sie in einer Ausstellung im Nationalmuseum von Baku, Aserbeidschan, auffielen. Später wurden sie gestohlen, wieder angeboten, verschwanden erneut. Im Jahre 1997 schließlich tauchten sie unter abenteuerlichen Umständen in New York wieder auf. Hier wurde die Zollfahndung eingeschaltet, es folgten gründlichste Recherchen der New Yorker Staatsanwaltschaft und Verhandlungen in Straf- und Zivilprozessen. Diese fanden einen für Bremen guten Ausgang. Den richterlichen Entscheidungen kommt im übrigen grundsätzliche Bedeutung zu, da dies der erste Strafprozess in Amerika um in Kriegen verschollenes und gestohlenes Kunstgut ist.