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Der Senator für Inneres und Sport

Bremer Literaturpreis: Rede von Senator Dr. Kuno Boese

28.01.2002

W.G. Sebald und Juli Zeh im Rathaus ausgezeichnet


Dr. Kuno Böse (li.) übergibt die Ehrenurkunden an die Förderpreisträgerin, Juli Zeh, und an den Verleger Michael Krüger, der den Literaturpreis für den im Dezember 2001 verstorbenen Schriftsteller W.G. Sebald entgegen nimmt.

In seiner Rede bei der Verleihung des Bremer Literaturpreises führte der Senator für Inneres, Kultur und Sport, Dr. Kuno Böse, heute (28.1.2000) in der Oberen Rathaushalle aus:

„Mit dem Bremer Literaturpreis wird heute einer der wichtigsten Literaturpreise der Bundesrepublik Deutschland erneut verliehen, wenn auch posthum an Herrn Sebald, der im letzten Jahr bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist. Und wer sich einmal die Liste der Preisträger der vergangene Jahre ansieht, wird Nobelpreisträger, Autoren und Autorinnen höchsten Ranges unter ihnen wiederfinden.

Der Bremer Literaturpreis verdankt seine Entstehung im Jahr 1953 dem Bestreben des Senats, Bremens Profil als Kulturstandort zu schärfen und zu stärken.

Meine Damen und Herren,
ich möchte heute in dieser Begrüßungsrede kurz einige Worte zur Stärkung des Kulturstandorts Bremens sagen, will aber vorher aber einige Sätze verlieren oder vorausschicken zum Kulturstandort Deutschland:

Glaubt man den Analysten der PISA-Studie über unsere Schüler im Vergleich zu anderen Ländern, gibt es bei uns Schwierigkeiten mit dem Lesen. Nicht nur bei den Schülern sondern - so liest man - auch bei den Studenten, die heute zunehmend keine Bücher mehr lesen, sondern nur noch kurze Texte, die sie sich zudem auch noch aus dem Internet holen sollen. In der Folge, meine Damen und Herren, kann das bedeuten, dass eine vertiefte Beschäftigung mit zentralen Fragen unserer Gesellschaft für viele nur noch eingeschränkt möglich ist. Was bedeutet dies für uns?

Bei zunehmender Globalisierung muss Deutschland als rohstoffarmes Land sich m. E. auf seine bewährten Stärken im Wettbewerb mit anderen Ländern stützen und unser Rohstoff in der Bundesrepublik Deutschland ist vor allem Wissen, ist vor allem Wissenschaft und ist Kultur.

Leider ist diese Stärkung dieser unserer wichtigen Rohstoffe in vielen Bundesländern noch nicht zu erkennen, im Gegenteil. Wenn man sich anguckt, dass in Berlin diskutiert wird oder sogar schon beschlossen ist, ein Universitätsklinikum zu schließen oder aber, was ich persönlich und viele in meiner Heimatstadt Berlin noch nicht verwunden haben, die Schließung des Schiller-Theaters in Berlin. Das sind alles Zeichen, meine Damen und Herren, die glaube ich belegen, dass wir noch nicht genügend nachgedacht haben, darüber, welche Prioritäten in unserer Gesellschaft wirklich zu setzen sind.

Für Bremen, dieser, wie ich als Neubürger, Neubremer hier sagen muss, Stadt mit ganz herausragenden Kultureinrichtungen, ist dieser Trend hoffentlich gestoppt worden. Der Trend des Schließens und Herunterredens von Kultureinrichtungen. Erstmals seit Jahren gibt es wieder Haushaltszuwächse im Kulturbereich und vorsichtig breitet sich Optimismus aus. Gewiss, die Zuwächse sind klein und sich reichen ganz sicher nicht aus für als die Bedarfe, die vorhanden sind. Aber es besteht Hoffnung auf eine Neubesinnung in Bremen.

Wenn Sie sich fragen: warum gerade in Bremen, diesem Haushaltsnotlageland, in dem wir leben, dann sage ich: Gerade in Bremen, weil dieses Land heraus muss aus der Haushaltsmisere, weil es bis 2005 wieder einen verfassungskonformen Haushalt haben muss, sonst ist seine Existenz gefährdet. Ich glaube, dass man hier bei wichtigen Entscheidungsträgern jedenfalls erkannt hat, dass unsere Rohstoffe Wissenschaft und Kultur zur Genesung des Gemeinwesens wesentlich beitragen. Kultur ist ein bedeutender Standortfaktor geworden; ohne das reichhaltige und auf hohem Niveau stehende Kulturangebot ist die sehr hohe Lebensqualität Bremens nicht aufrecht zu erhalten oder gar fortzuentwickeln.

Die Strategie dieser Stadt ist es, auf der einen Seite weitere Abwanderungen von Bürgern aus der Stadt - und wir haben in den letzen Jahren/Jahrzehnten dramatische Bevölkerungsverluste - weitere Abwanderungen aus dieser Stadt ins Umland zu verhindern und Neubürger sowie hoffentlich für die Wirtschaft auch Investoren zu gewinnen. Dies stärkt die Wirtschafts- und Steuerkraft Bremens; wir erhalten für jeden mit Hauptwohnsitz gemeldeten Bürger nach dem Länderfinanzausgleich rund 6.000 DM im Jahr, um nur einmal einige profane Zahlen zu nennen. Um es in aller Deutlichkeit auf diesen Punkt zu fokussieren: Kultur schafft nicht nur Arbeitsplätze, sondern über die Attraktivität des kulturellen Angebots Bremens wird die Entscheidung von Investoren mit ihren qualifizierten Fachkräften in diese Stadt zu kommen deutlich beeinflusst.

Ein weiterer Aspekt ist, über ein kluges Kulturmanagement und Kulturmarketing aus Nah und Fern in unsere Stadt sogenannte Kulturtouristen zu holen, die hoffentlich nicht nur, aber auch, die Kultureinrichtungen besuchen, sondern in der Stadt bleiben und dieser Stadt Gutes tun, in dem sie auch einkaufen. Eine Studie über die Ausstellung „Der Blaue Reiter“ in der Kunsthalle hat gezeigt, dass hier erhebliche Effekte für die Stadt mit einer Kulturausstellung verbunden sind.

Um einen starken Kulturstandort zu schaffen, ist es allerdings wichtig, sich nicht auf einzelne Sparten zu beschränken, sondern die gesamte Fülle des Kulturlebens abzubilden. In einer öffentlichen Veranstaltung bin ich gefragt worden, wie viel Kultur Bremen braucht: ich habe geantwortet: so viel wie möglich.

Die Frage ist aber auch: Wie viel Kultur kann Bremen sich angesichts der aktuellen Haushaltsprobleme leisten? Hier ist eine Antwort schon schwieriger zu finden. Wir müssen ein zukunftsgerichtetes Konzept erarbeiten und auch dieses umsetzen. Unser strategisches Konzept setzt auf eine Steigerung der Effizienz in der Kulturförderung, auf die Erschließung neuer Ressourcen sowohl finanzieller als auch geistiger Art. Reserven müssen durch einen Paradigmenwechsel, wie dieses Wort jetzt in Bremen so en vogue ist, bei der Erstellung kultureller Leistungen freigesetzt werden. Dazu soll eine „Verantwortungspartnerschaft für Kultur“ ins Leben gerufen werden.

Diese Verantwortungspartnerschaft besteht in einem koordinierten Zusammenwirken einer Trias aus Staat oder Stadt, Bürgern und Unternehmen. Das Handeln des Staates wird auf seine Kernaufgaben zurückgeführt, aber der Staat muss auch gewährleisten, dass die Grundausstattung der Kultureinrichtungen finanziert werden.

Bürgerschaftliches Engagement wird stärker als bisher in den Vordergrund gerückt. Die Förderung von Kunst und Kultur durch Bürgersinn und Mäzenatentum haben gerade in Bremen eine lange Tradition. Sie sind geradezu ein Markenzeichen der Bremischen Kulturlandschaft. Focke-Museum, Philharmonische Gesellschaft, Kunstverein - diese und viele andere traditionsreiche Institutionen sind aufgrund privaten Engagements entstanden. In diesem Zusammenhang ist auch die Stiftungsoffensive meines Ressorts zu sehen. Stiftungen sind ein ideales Instrument, um bürgerschaftlichem Engagement gerade im Kulturbereich einen Rahmen zu geben.

Drittes Element der Verantwortungspartnerschaft Kultur sind öffentliche und öffentlich geförderten Kulturbetriebe sowie die Unternehmen der Kulturwirtschaft. Ihre Einbindung ermöglicht es, unternehmerische Kreativität gezielt für die Stärkung des Standortfaktors Kultur dienstbar zu machen. Wir sind gerade dabei, hier in Bremen für das Philharmonische Staatsorchester eine neue Rechtsform unter Beteiligung mehrheitlicher Privater zu schaffen. Gerade um die Forderung, dass hier unternehmerische Kreativität stärker Einzug hält, zu erfüllen.

Meine Damen und Herren,
wir wollen Bremens Position als attraktive und lebenswerte Stadt stärken, die Menschen anzieht. Ich wollte deutlich machen, dass es sich dabei um eine umfassende Aufgabe handelt. Sie ist ganzheitlich anzugehen - unter Einbeziehung vieler Lebensbereiche, zu denen nicht eben zuletzt auch die Kultur zählt, und unter Einbeziehung vieler Kräfte, nicht nur der staatlichen, sondern auch der privaten und bürgerschaftlichen. Vielleicht kann das um seine Existenz kämpfende Bremen hier in der Standortfrage Deutschland in der Besinnung auf die Rohstoffe in Deutschland ein ganz kleines Beispiel sein. Es wäre schön, wenn das so wäre. Auf alle Fälle, meine Damen und Herren, um den Bogen zum Anfang wieder zu schließen, trägt der Bremer Literaturpreis - wie der Senat es 1953 beabsichtigte - zu einer Schärfung und Stärkung des Bremer Profils als Kulturstandort ganz wesentlich bei.

Meine Damen und Herren,
für die Vorbereitung dieser Preisverleihung danke ich allen Verantwortlichen der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung sowie den Mitgliedern der Jury. An die Preisträgerin, Frau Zeh, richte ich meine herzlichsten Glückwünsche! Vielen Dank.“